Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Wirksamkeit einer in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagerücknahme. Einhaltung der Protokollierungsvorschriften
Orientierungssatz
Die Wirksamkeit einer Klagerücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung hängt nicht davon ab, ob die Förmlichkeiten der Protokollierung eingehalten wurden. Auch wenn nicht protokolliert ist, dass die Rücknahme im Termin nochmals vorgelesen und genehmigt wurde, kann dies zwar der Beweiskraft des Protokolls entgegenstehen, nicht aber der Wirksamkeit der Rücknahme, wenn diese tatsächlich erklärt wurde (vgl BSG vom 12.3.1981 - 11 RA 52/80 = SozR 1500 § 102 Nr 4 = juris RdNr 20).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 102 Abs. 1, § 122; ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 8, § 162 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Gerichtsbescheid vom 06.05.2022; Aktenzeichen S 20 AS 1013/22) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.08.2022; Aktenzeichen L 12 AS 1672/22) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. August 2022 (Az L 12 AS 1672/22) Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der vorgenannten Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin selbst hat sich mit einem am 9.9.2022 eingegangenen Schreiben vom selben Tag gegen die oben bezeichnete Entscheidung des LSG gewandt. Der Senat legt dieses Schreiben im Interesse der Klägerin als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG aus, weil eine Beschwerde vorliegend das einzige statthafte Rechtsmittel zum BSG ist. Außerdem hat die Klägerin auch die Bewilligung von PKH beantragt.
Der PKH-Antrag ist abzulehnen, wobei der Senat offenlassen kann, ob bereits die Vorlage der PKH-Unterlagen verspätet war und zur Ablehnung führen müsste. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG ohnehin nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin erfolgreich zu begründen.
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin, nicht erkennbar.
Gegenstand des Verfahrens vor dem SG war zuletzt die Feststellung, ob sich das Klageverfahren durch Rücknahme erledigt hat. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen den eine Erledigung feststellenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Dabei waren keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten. Insbesondere ist geklärt, dass die Wirksamkeit einer Klagerücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht davon abhängt, ob die Förmlichkeiten der Protokollierung eingehalten wurden. Auch wenn - wie hier - nicht protokolliert ist, dass die Rücknahme im Termin nochmals vorgelesen und genehmigt wurde (vgl § 122 SGG iVm §§ 160 Abs 3 Nr 8, 162 Abs 1 Satz 1 ZPO), kann dies zwar der Beweiskraft des Protokolls entgegenstehen, aber nicht der Wirksamkeit der Rücknahme, wenn diese - wovon sich das LSG vorliegend ohne Verfahrensfehler überzeugt hat - tatsächlich erklärt wurde (vgl BSG vom 12.3.1981 - 11 RA 52/80 - SozR 1500 § 102 Nr 4 S 6 f = juris RdNr 20 ff; Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 102 SGG RdNr 17; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 102 RdNr 8).
Es ist auch keine Abweichung von Entscheidungen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG erkennbar. Verfahrensfehler sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das LSG in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden hat. Auf diese Möglichkeit war die Klägerin hingewiesen worden. Sinngemäß gestellte Verlegungsanträge hatte das LSG abgelehnt, ohne dass hiergegen verfahrensrechtliche Einwände zu erheben wären.
Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Die Verwerfung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. |
Meßling |
B. Schmidt |
Söhngen |
Fundstellen
Dokument-Index HI15641147 |