Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die sich ausschließlich auf die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung richtende Beschwerde gegen die bezeichnete Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG), weil dieser Zulassungsgrund nicht schlüssig dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 16.11.1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr 60, juris RdNr 3). Die abstrakte Rechtsfrage ist so zu formulieren, dass an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 geprüft werden können (Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Hdb SGG, 8. Aufl 2022, IX Kap, RdNr 284). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (klärungsbedürftig) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (klärungsfähig) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen oder so gut wie unbestritten ist, wenn sie praktisch außer Zweifel steht, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist oder wenn sich für die Antwort in vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (zusammenfassend BSG vom 2.10.2015 - B 10 LW 2/15 B - RdNr 6 mwN), weshalb sich die Beschwerdebegründung mit diesen Punkten substanziiert auseinandersetzen muss. Aus der Darlegung der Klärungsfähigkeit muss sich ergeben, dass die Beantwortung der formulierten Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits notwendig sein muss. Erforderlich sind daher Ausführungen dazu, dass die in einem anstehenden Revisionsverfahren zur Überprüfung stehende Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen enthält, die zur Entscheidung der Rechtsfrage führen (P. Becker, SGb 2007, 261, 267).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Soweit der Kläger die Frage formuliert: "Hat der Adressat eines fehlerhaften Verwaltungsakts für den Fall, dass die Behörde von der Möglichkeit der Umdeutung nach § 43 SGB X Gebrauch macht, aus § 43 SGB X einen Anspruch gegen die Behörde auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, ob der fehlerhafte Verwaltungsakt aufgehoben oder umgedeutet wird, wenn die Voraussetzungen für eine Umdeutung vorliegen?" ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, dass diese Frage klärungsfähig ist. Insoweit fehlt es sowohl an einer Schilderung des vom LSG festgestellten Sachverhalts als auch an einer auf diese Feststellungen bezogenen Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer Umdeutung, insbesondere zu der Frage, ob die Voraussetzungen für den Erlass des anderen Verwaltungsakts erfüllt waren. Erst dann könnte zu klären sein, welche Anforderungen an das Behördenhandeln durch den Begriff "kann" bei § 43 Abs 1 SGB X aufgestellt werden, worauf der Kläger mit der Frage nach einer ermessensfehlerfreien Entscheidung zielt. Die Ergänzung der Rechtsfrage um den Zusatz "wenn die Voraussetzungen … vorliegen" ersetzt die erforderliche Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht.
Die Klärungsbedürftigkeit der zweiten Frage, die auf den Inhalt einer Anhörung im Rahmen des § 43 SGB X zielt, ist nicht dargetan. Die Frage zielt im Ergebnis darauf, ob (nur) zu den (zusätzlichen) Voraussetzungen des Verwaltungsakts, in den umgedeutet werden soll, oder auch zur Umdeutungsabsicht angehört werden muss. Warum nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 15.6.2000 - B 7 AL 86/99 R - SozR 3-1300 § 24 Nr 16 S 48 f, juris RdNr 14) offen sein soll, ob zur Umdeutungsabsicht anzuhören ist, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.
Bei der Frage nach der Rechtswidrigkeit der Aufhebung eines Bewilligungsbescheids nach § 40 Abs 4 SGB II, wenn mit der Aufhebung kein vorläufiger Bewilligungsbescheid als Ersatz für den Wegfall des aufgehobenen Bescheids erlassen worden sei, gibt die Beschwerdebegründung mittelbar Gesetzgebungsmaterialien wieder. Danach müssen "… die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum nach der Aufhebung eine neue (vorläufige) Bewilligungsentscheidung treffen ... Soweit die dafür erforderlichen Tatsachen noch nicht bekannt sind, sind sie zu ermitteln". Angesichts des ausdrücklichen Hinweises auf eine ggf vorzunehmende Amtsermittlung für die neue Bewilligungsentscheidung und der gesetzlichen Vorgaben für eine vorläufige Bewilligung hätte es näherer Darlegungen dazu bedurft, warum die für die vorläufige Bewilligung geltenden allgemeinen Regelungen im Rahmen des § 40 Abs 4 SGB II nicht greifen sollen. Letztlich verlangt die Beschwerdebegründung, dass bei § 40 Abs 4 SGB II entweder eine Bewilligung nach § 41a SGB II vor Eintritt der (bereits vorgelagerten) Entscheidungsreife für einen vorläufigen Verwaltungsakt ergehen muss oder die Aufhebung des rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakts, mit dem Leistungen nach dem SGB II nicht nur vorläufig bewilligt wurden, hinausgezögert wird. Weil für beide Wege keine Anhaltspunkte im Normtext erkennbar sind und ein entsprechendes Vorgehen wegen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf Bedenken stößt, hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, dass die formulierte Frage einer Klärung durch das BSG zugeführt werden muss.
Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht vorzunehmen.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG. |
S. Knickrehm |
Harich |
Neumann |
Fundstellen
Dokument-Index HI15670359 |