Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 17.05.2018; Aktenzeichen S 1 R 1254/16) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen L 9 BA 2123/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. November 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 45 674,88 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie der Insolvenzgeldumlage iHv 45 674,88 Euro, die nach einer Betriebsprüfung hinsichtlich des Zeitraums 1.1.2011 bis 31.12.2013 von der beklagten Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg festgesetzt worden sind.
Alleingesellschafterin der klagenden GmbH war im streitigen Zeitraum die Ehefrau des Beigeladenen zu 1. Mit ihm schloss sie am 30.8.1998 einen Geschäftsführervertrag. Nach einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliege und forderte Beiträge zur GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie die Insolvenzgeldumlage und Umlagen U1 und U2 nach (Bescheid vom 9.11.2015; Widerspruchsbescheid vom 23.3.2016). Das SG Heilbronn hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.5.2018). Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren die Umlagen U1 und U2 nicht mehr geltend gemacht hatte (Änderungsbescheid vom 16.8.2019), hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin gegen das SG-Urteil zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 16.8.2019 abgewiesen. Als Fremdgeschäftsführer unterliege der Beigeladene zu 1. der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung. Auf Vertrauensschutz im Hinblick auf eine "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" des BSG könne sich die Klägerin nicht berufen (Urteil vom 19.11.2019). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
1. Die Beschwerdebegründung vom 27.1.2020 stützt sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Diesen legt die Klägerin aber nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17, Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Klägerin formuliert unter der Überschrift "1. Rechtsfrage":
"Das Landessozialgericht hat auf Seite 27 2. Absatz unten entschieden, dass eine gefestigte 'Kopf- und -Seele-Rechtsprechung', auf die ein Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG, gestützt werden könnte, nicht bestand (BSG, Urteile vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R u.a.).
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, im Fall einer Rechtssprechungsänderung diesem geschaffenen Vertrauen durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder durch Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung zu tragen.
Das Rechtsstaatsprinzip, so BVerfG 22.3.1983 - 2 BvR 475/78 -, setzt der Rückwirkung bei Rechtsprechungsänderung, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreift, enge Grenzen.
Ob die Klägerin Vertrauensschutz beanspruchen kann, hängt also nach der Entscheidung des LSG von der Rechtsfrage ab, ob es eine gefestigte 'Kopf- und -Seele-Rechtsprechung' des Bundessozialgerichts gab."
Die unter Ziffer 1 dargestellte Rechtsfrage sei bei Zulassung der Revision notwendigerweise vom BSG zu entscheiden. Es habe grundsätzliche Bedeutung, ob die "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" des BSG gefestigte Rechtsprechung des BSG gewesen sei, auf die ein Vertrauensschutz nach Art 20 Abs 3 GG gestützt werden könne. Das LSG habe - die Entscheidung des BSG vom 19.9.2019, B 12 R 25/18 R, zitierend - entschieden, dass es keine gefestigte "Kopf- und -Seele-Rechtsprechung" des BSG gegeben habe.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil die Klägerin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig davon legt die Klägerin auch die Klärungsbedürftigkeit der von ihr formulierten Frage nicht hinreichend dar. Insbesondere unterlässt sie eine Auseinandersetzung mit den Urteilen des Senats vom 19.9.2019 zu dieser Thematik. Sie benennt zwar ausdrücklich eines der an diesem Tag gefällten Urteile (B 12 R 25/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 43 - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), unterlässt aber die gebotene und erforderliche Darlegung, inwieweit sich daraus eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ergeben kann oder Klärungsbedarf nach wie vor besteht oder sich neu ergeben hat.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13909076 |