Beteiligte
Bahnversicherungsanstalt -Bezirksleitung Münster- |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung aus dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. November 1997 durch einstweilige Anordnung auszusetzen, wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Aussetzungsverfahren iS von § 199 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz.
Tatbestand
I
Streitig sind in der Hauptsache im wesentlichen Berechnungselemente für die Höhe des monatlichen Werts der Altersrente des Klägers.
Der im April 1936 geborene Kläger war seit Juli 1963 zunächst als Elektriker, später als Obermeister und Bereichsleiter und seit 1. Januar 1975 als Berufsschullehrer in der Betriebsschule des Reichsbahnamtes B. bei der Deutschen Reichsbahn beschäftigt. Daneben absolvierte er an der Technischen Universität D. ein Zusatzstudium der Berufspädagogik und schloß es im August 1978 erfolgreich ab. Seit dem 1. Mai 1996 bezieht er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (Rentenbescheid vom 8. März 1996).
Im März 1994 beantragte der Kläger ua, ihm einen Versicherungsverlauf zu erteilen. Mit Bescheid vom 21. April 1994 merkte daraufhin die Beklagte nach § 149 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Versicherungsverlauf die Tatbestände rentenrechtlicher Zeiten für die Zeit vom 1. September 1951 bis 31. Dezember 1992 vor; ferner ordnete sie die Zeit vom 16. September 1968 bis 30. Juni 1990 der Leistungsgruppe B 3 der Anlage 1 zu § 22 Fremdrentengesetz (FRG) zu. Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Vormerkungsbescheid, mit dem der Kläger die Einstufung in eine höhere Leistungsgruppe ab August 1978 – spätestens ab April 1981 – begehrt hatte, zurück (Widerspruchsbescheid vom 14. November 1994).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage durch Urteil vom 21. Oktober 1996 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 27. November 1997 entschieden: „Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des SG Berlin vom 21. Oktober 1996 und der Bescheid der Beklagten vom 21. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1994 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, die FRG-Zeit ab 1. September 1983 nach Leistungsgruppe B 2 zu bewerten. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.”
Die Beklagte hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde eingelegt. Darüber hinaus hat sie beantragt,
die Vollstreckung aus dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. November 1997 durch einstweilige Anordnung gemäß § 199 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.
Sie hat zur Begründung hierfür mitgeteilt, andernfalls sei die Altersrente ab 1. Mai 1996 neu zu berechnen; diese Neuberechnung solle vermieden werden.
Entscheidungsgründe
II
Der Aussetzungsantrag ist zulässig (dazu unter A). Er ist aber nicht begründet (dazu unter B).
A) Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Nach Satz 2 aaO kann er die Aussetzung und Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen; die §§ 108, 109, 113 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gelten entsprechend.
Der Aussetzungsantrag ist statthaft. Die Statthaftigkeit des Antrags setzt voraus, daß das eingelegte „Rechtsmittel” (gemeint: der Rechtsbehelf) keine aufschiebende Wirkung hat und ein vollstreckbarer Titel iS des § 199 Abs 1 Nr 1 SGG vorliegt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat keine aufschiebende Wirkung. Keiner der im Gesetz abschließend aufgezählten Fälle (§ 165 iVm § 154 Abs 1, § 97 Abs 1 SGG) ist gegeben. Ferner liegt mit dem (End-)Urteil des LSG eine gerichtliche Entscheidung iS des § 199 Abs 1 Nr 1 SGG vor.
1. Das vom LSG ausgesprochene Grundurteil iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG hat einen vollstreckbaren Inhalt.
Hierfür ist allein die Urteilsformel maßgebend. Im allgemeinen ist sie zwar dann, wenn sie – etwa bei Unklarheiten des Tenors – Anlaß zu Zweifeln über ihren Inhalt gibt, durch Heranziehung des sonstigen Inhalts des Urteils, insbesondere der Entscheidungsgründe (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG), auszulegen (st Rspr des BSG, zB BSGE 4, 121, 123 f = SozR Nr 1 zu § 136 SGG; BSGE 6, 97, 98, jeweils mwN). Unter Beachtung des vollstreckungsrechtlichen Grundsatzes der Titelklarheit (vgl § 199 Abs 4 SGG) hat das LSG aber ein Leistungsurteil in der Form eines Grundurteils iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG erlassen. Insoweit gibt die Urteilsformel des LSG: „… das Urteil des SG … und der Bescheid der Beklagten … in der Gestalt des Widerspruchsbescheides … werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, die FRG-Zeit ab 1. September 1983 nach Leistungsgruppe B 2 zu bewerten”, keinen Anlaß zu Zweifeln. Hiernach hat das LSG – auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (iS von § 54 Abs 4 SGG) – wie in einem sog Höhenstreit entschieden. Unerheblich ist im Blick auf den vollstreckbaren Inhalt, ob dies zu Recht so geschehen ist. Für ein anderes Verständnis läßt die Wortwahl des Urteilsspruchs keinen Raum. Mit diesem Tenor hat das LSG ein Berechnungselement für den Wert eines Rechts auf Rente ausgeurteilt und die Beklagte zur „Bewertung” der im Tenor genannten vorgemerkten Tatbestände rentenrechtlicher Zeiten (für den 1996 eingetretenen Leistungsfall) verurteilt.
Es handelt sich hierbei um ein (Leistungs-)Grundurteil, da die Beklagte lediglich zur bestimmten Bewertung eines Berechnungselements bei der Ermittlung des Rentenwertes verurteilt worden ist, hingegen nicht zur Zahlung der Rente nach Maßgabe eines festgestellten monatlichen Werts. Um ein Verpflichtungsurteil handelt es sich deshalb nicht, weil die Beklagte nicht gerade durch den Ausspruch im Urteil zum Erlaß eines Verwaltungsaktes über die Bewertung der streitigen rentenrechtlichen Zeit (unter Beachtung der Rechtsauffassung des LSG) verpflichtet worden ist. Das LSG ist nach seinem Tenor augenfällig von der für Grundurteile iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG vom Gesetz (anders als bei Grundurteilen iS von § 130 Satz 1 Regelung 2 SGG) vorausgesetzten Lage ausgegangen, die Beklagte werde zur Umsetzung des Grundurteils einen sog Ausführungsbescheid erlassen.
2. Das vom LSG erlassene (Leistungs-)Grundurteil (§ 130 Satz 1 Regelung 1 SGG) ist auch seiner Art nach vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung dieses Urteils durch einen Antrag in sinngemäßer Anwendung des § 201 SGG betreiben.
Nach § 201 Abs 1 Satz 1 SGG kann das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu zweitausend Deutsche Mark durch Beschluß androhen und nach vergeblichem Fristablauf festsetzen, wenn die Behörde in den Fällen des § 131 SGG der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Das Zwangsgeld kann nach § 201 Abs 1 Satz 2 SGG wiederholt festgesetzt werden.
Zwar benennt der Wortlaut dieser Vorschrift nur die in § 131 SGG aufgeführten Urteile, in denen einer Behörde eine Verpflichtung auferlegt wurde. Gleichwohl gilt sie auch bei den auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ergehenden Grundurteilen iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1995, 806, 807 ff; Bayerisches LSG, Amtl Mitt LVA Rheinprovinz 1975, 178 f; Dahm, Die Vollstreckung aus sozialgerichtlichen Urteilen unter besonderer Berücksichtigung von vollstreckungsfähigem Inhalt und Aussetzungsanordnung gemäß § 199 Abs 2 SGG, in: Die Sozialversicherung 1998, S 314, 315; Pawlak in: Hennig, SGG, Stand: September 1996, § 130 RdNr 69; Bley in: Gesamtkommentar, Stand: Oktober 1978, § 130 Anm 4d, Stand: März 1995, § 199 Anm 3a und Stand: Oktober 1987, § 201 Anm 2a; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, Anm zu § 201 S III/117; Bürck, Vollstreckung im Sozialrecht, in: DAngVers 1990, S 445, 447; Niesel, Der Sozialgerichtsprozeß, 3. Aufl 1996, RdNr 656 / offengelassen: BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 24 S 76; BSGE 61, 217, 222 f = SozR 3100 § 19 Nr 18 S 58; BSG SozR 1750 § 307 Nr 2 S 4 f; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, XIII RdNr 25; Behn, Präklusion und Rechtskraftwirkung beim Grundurteil im sozialgerichtlichen Verfahren in: ZfS 1983, S 275, 288 / ablehnend: Hessisches LSG, ABA 1959, 167, 168; Bayerisches LSG, Breithaupt 1959, 870, 871; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl 1998, § 130 RdNr 4a; § 198 RdNr 3a und § 201 RdNr 2; Heilemann, Die Zwangsvollstreckung gegen Behörden aus Grund- und Bescheidungsurteilen, in: SGb 1994, S 636, 637; Tannen, Höchstrichterliche Rechtsprechung in der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Deutsche Rentenversicherung 1978, S 51, 55). Grund hierfür ist, daß auch in diesen „Grundurteilen” rechtlich eine Behörde verpflichtet wird, einen „Ausführungsbescheid” genannten Verwaltungsakt zu erlassen, der an die Stelle eines sonst bei (echten) Grundurteilen erforderlichen Nachverfahrens tritt (wie es hingegen bei Grundurteilen iS von § 130 Satz 1 Regelung 2 SGG geboten ist).
Die Voraussetzungen für eine ausdehnende Bestimmung des sachlichen Geltungsbereichs des § 201 Abs 1 SGG, die auch Grundurteile iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG umfaßt, liegen vor. Es wäre – in gesetzes- und verfassungswidriger Weise – wertungswidersprüchlich, die Vollstreckung aus Endurteilen eines Gerichts, in denen einer Behörde eine durch Erlaß eines Verwaltungsaktes auszuführende Verpflichtung auferlegt wird, für den daraus Berechtigten allein davon abhängig zu machen, ob sie in der äußeren Form eines Verpflichtungs- oder eines Leistungsgrundurteils ergehen. Die vom Wortlaut des § 201 Abs 1 Satz 1 SGG nicht genannte Gruppe von Leistungs- „Grundurteilen”, die Endurteile und inhaltlich „verkappte” Verpflichtungsbescheidungsurteile sind, ist mit den dort angesprochenen „Fällen des § 131 SGG” – abgesehen von der Bezeichnung – im rechtlichen Gehalt identisch; sie ist vollstreckungsrechtlich gleich zu behandeln.
a) Es gibt allerdings keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und auf welche Weise Grundurteile iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG zu vollstrecken sind. Nicht vollstreckbar ist das auf eine reine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ergehende Grundurteil (§ 130 Abs 1 Regelung 2 SGG), das nach § 202 SGG iVm § 304 ZPO ein Zwischenurteil ist und nur hinsichtlich der Rechtsmittel einem Endurteil gleichsteht; denn hier ist ein gerichtliches Nachverfahren notwendig, so daß der Rechtsstreit bei dem Gericht bis zur Beendigung des Nachverfahrens durch Schlußurteil über die Höhe der Leistung anhängig bleibt (BSGE 61, 217, 221 f = SozR 3100 § 19 Nr 18 S 58; BSGE 74, 36, 44 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8 S 24; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1995, 806, 809; Bley in: Gesamtkommentar, Stand: Oktober 1978, § 130 Anm 4c und 4d): In dieser Hinsicht liegt es jedoch bei dem auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ergehenden Grundurteil (§ 130 Satz 1 Regelung 1 SGG) anders. Dieses schließt das gerichtliche Verfahren ab; es ist ein Endurteil mit der Folge, daß das gerichtliche Verfahren mit der rechtskräftigen Entscheidung über den Grund des Anspruches abgeschlossen ist; es bleibt nicht etwa der Rechtsstreit über die Höhe der Leistung anhängig. Deswegen muß die Verwaltung entsprechend dem Konzept des SGG, das dieses „verwaltungsbehördliche Nachverfahren” als „Normalfall” (historisch vorgefunden und) vorausgesetzt hat, zur Ausführung des Grundurteils einen Verwaltungsakt erlassen (BSGE 61, 217, 222 = SozR 3100 § 19 Nr 19 S 57; BSGE 27, 81, 83 = SozR Nr 6 zu § 130 SGG). Auf Erlaß eines solchen „Ausführungsbescheides” (hier: über die Bewertung der streitigen Zeiten bei der Feststellung des Rentenwertes), der seinerseits wiederum selbständig nach Vorverfahren und unter Einhaltung der gesetzlichen Form- und Fristvorschriften mit der Klage angefochten werden kann, ist das Grundurteil nach § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG gerichtet. Das SGG widerspräche sich selbst in der vollstreckungsrechtlichen Bewertung der Frage, ob gerichtliche Vollstreckung gegen einen Verwaltungsträger erlangt werden kann, wenn dieser eine ihm in einem Urteil auferlegte Verpflichtung, einen Ausführungsbescheid zu erlassen, nicht (unverzüglich) erfüllt.
b) Gerade aber dann, wenn die effektive Rechtsdurchsetzung nach einem gerichtlichen Urteil vom Erlaß eines Verwaltungsaktes durch den Verwaltungsträger abhängt, gebietet Art 19 Abs 4 Satz 1 GG, die im Urteil der Behörde auferlegte Verpflichtung (so § 201 Abs 1 Satz 1 SGG) für den Berechtigten gegen jene vollstreckbar zu machen. Denn nur insoweit wird der verfassungsrechtlich garantierte effektive Rechtsschutz gewährt. Art 19 Abs 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (st Rspr des BVerfG, zB BVerfGE 96, 27, 39; 67, 43, 58; 51, 268, 284). Das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 Satz 1 GG erschöpft sich nicht darin, demjenigen den Rechtsweg zu eröffnen, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein; es garantiert auch effektiven (wirksamen) Rechtsschutz iS einer tatsächlich wirksamen gerichtlichen Kontrolle (st Rspr des BVerfG, zB BVerfGE 84, 34, 49; 61, 82, 111; 51, 268, 284; 40, 272, 275; 35, 382, 401). Dazu gehört vor allem, daß die Gerichte – bezogen auf das als verletzt behauptete Recht – über eine zureichende Entscheidungsmacht verfügen, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung (auch faktisch) wirksam abhelfen zu können (BVerfGE 61, 82, 111). Hierbei müssen die Ausgestaltung des Rechtsweges und die Intensität der gerichtlichen Kontrolle der Durchsetzung des materiellen Rechts wirkungsvoll dienen, für diesen Zweck also geeignet und angemessen sein (BVerfGE 84, 34, 49; 60, 253, 269). Damit das materielle Recht umfassend und in angemessener Zeit auch tatsächlich verwirklicht (durchgesetzt) werden kann, gehört hierzu der (möglichst zügige) Verfahrensabschluß durch eine richterliche Entscheidung, die nicht nur der Rechtskraft fähig, sondern (gleich bedeutsam) auch vollstreckbar ist (so auch Krüger, in: Sachs, Grundgesetz, 1996, Art 19 RdNr 144; Papier, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd 6, 1989, § 153 RdNrn 17, 22 und § 154 RdNrn 12, 75; Wassermann, in: Alternativkommentar zum GG für die Bundesrepublik Deutschland, 1989, Art 19 Abs 4 RdNr 60; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Bd 1, 1996 Art 19 Abs 4 RdNr 104; Bauer, Gerichtsschutz als Verfassungsgarantie, 1973, S 102; Fechner, Kostenrisiko und Rechtsweggarantie – Steht der Rechtsweg offen? in: JZ 1969, S 349, 350). Insoweit läge im Vollstreckungsrecht des SGG hinsichtlich der Vollstreckbarkeit von „Grundurteilen” iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG überdies ein verfassungswidriger Wertungswiderspruch vor, falls der Geltungsbereich der durch § 201 Abs 1 Satz 1 SGG verlautbarten Rechtsregel eng und als Ausschluß des in § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG erfaßten Falles eines „verkappten” Verpflichtungsbescheidungsurteils ausgelegt würde; denn für diese Urteilsform wäre (als Ergebnis einer solchen schon „einfachgesetzlich” – weil wertungswidersprüchlich – nicht angemessenen Interpretation) die durch Art 19 Abs 4 Satz 1 GG verbürgte Effektivität (Wirksamkeit) des Rechtsschutzes, zu der als rechtsstaatlicher Schlußpunkt die Durchsetzbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung in angemessener Zeit gehört, nicht gewährleistet.
Urteile der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die einem Verwaltungsträger Verhaltenspflichten aufgeben, müssen für den vor Gericht Obsiegenden durchsetzbar (vollstreckbar) sein. Dies ergibt sich schon daraus, daß auch diese Gerichtsurteile vom Unterlegenen befolgt und eingehalten werden müssen. Diesem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz liefe es zuwider, wenn die gerichtliche Entscheidung, sofern sie nicht schon – wie etwa Gestaltungsurteile nach der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) – ihre Wirkung mit der Rechtskraft aus sich selbst entfalten, nicht erzwingbar wären. Ohne eine Vollstreckungsmöglichkeit wäre die Rechtsschutzgarantie unvollständig (lückenhaft), weil ansonsten die richterliche Entscheidung bloße Feststellung, dh folgenlos bleiben, oder ihre Umsetzung für den Berechtigten mit iS von Art 19 Abs 4 Satz 1 GG unzumutbarem Aufwand verbunden sein könnte. Den Berechtigten für den Fall, daß die Verwaltung der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung (so § 201 Abs 1 Satz 1 SGG) nicht nachkommt, anders als in den in § 131 SGG aufgeführten Fällen erneut auf den Klageweg zu verweisen (so Meyer-Ladewig, aaO; § 201 RdNr 2; Heilemann, aaO, S 637) oder ihm gar nur den ausschließlich dem Bereich vollziehender Gewalt zuzuordnenden Rechtsbehelf der Dienstaufsichtsbeschwerde zu ermöglichen, widerspricht der grundrechtlich garantierten Effektivität des Rechtsschutzes durch Gerichte (ähnlich bereits LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1995, 806, 808; Bayerisches LSG, Amtl Mitt LVA Rheinprovinz 1975, 178, 179; in diesem Sinne auch Dahm, aaO, S 315). Eine derart verfassungswidrige Gesetzeshandhabung setzt sich – über die oben genannte Wertungswidersprüchlichkeit hinaus – auch noch in Gegensatz zu der von § 130 SGG bezweckten Verfahrensbeschleunigung und Entlassung der Gerichte, die durch die Beschränkung auf ein Grundurteil zum Zwecke einer schnelleren Entscheidung von den – oftmals – komplizierten – für die Behörde zumeist einfacheren – Ermittlungen zur Anspruchshöhe befreit werden sollen (s hierzu: BSGE 13, 178, 181; Meyer-Ladewig, aaO, § 130 RdNr 1; Bley in: Gesamtkommentar, Stand: Dezember 1994, § 130 RdNr 1b; Pawlak in: Hennig, SGG, Stand: Juni 1996, § 130 RdNr 7); gerade auch ein Verweis auf sog Untätigkeitsklagen iS von § 88 Abs 1 SGG nach bereits erstrittenem „Grundurteil” ist damit nicht vereinbar (ebenso bereits LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1995, 806, 808).
c) „Grundurteile” nach § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG, die auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (iS von § 54 Abs 4 SGG) ergehen, unterfallen sinngemäß dem Geltungsbereich des § 201 Abs 1 SGG. Sie sind mit den vom Wortlaut des § 201 SGG direkt benannten Arten von Verpflichtungsurteilen als „verkappte” Verpflichtungsbescheidungsurteile in ihrem vollstreckungsrechtlich bedeutsamen Inhalt rechtlich identisch, lediglich anders benannt. Auch sie legen – wenn auch nicht notwendig ausdrücklich – dem verurteilten Leistungsträger die Verpflichtung auf, zu ihrer „Ausführung” einen Verwaltungsakt zu erlassen, mit dem die Leistung der Höhe nach festgestellt wird (so bereits LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1995, 806, 809; Bayerisches LSG Amtl Mitt LVA Rheinprovinz 1975, 178, 179; Heilemann, aaO, S 637; Bley in: Gesamtkommentar, Stand: März 1995, § 199 Anm 3a; Stand: Oktober 1978, § 130 Anm 4d und Stand: März 1995, § 201 Anm 2a; Bürck, aaO, S 447). Gründe, die es sachlich rechtfertigen könnten, die Vollstreckbarkeit eines solchen „Grundurteils” iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG anders als die eines von § 201 SGG erfaßten Verpflichtungsurteils zu behandeln, gibt es nicht. Aus der Befugnis des Gerichts, dieses „Grundurteil” gemäß § 130 Satz 2 und 3 SGG mit einer unanfechtbaren und nach § 199 Abs 1 Nr 1 SGG vollstreckbaren Anordnung vorläufiger Leistungen zu verbinden, folgt jedenfalls in den Fällen nichts anderes, in denen – wie hier – eine solche Anordnung nicht erlassen worden ist; es kann deshalb offen bleiben, ob andernfalls das von § 201 Abs 1 Satz 1 SGG vorausgesetzte Antragsinteresse für eine Vollstreckung aus dem Grundurteil vorliegen könnte.
d) Verfassungsrecht steht der sinngemäßen Erstreckung des Geltungsbereichs des § 201 SGG auf das in § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG geregelte „verkappte” Bescheidungsurteil durch richterliche ausdehnende Auslegung nicht entgegen. Das Analogieverbot bei der Auslegung von Eingriffsermächtigungen (stellvertr. BVerfG NJW 1996, 3146; BSGE 69, 255, 259 mwN), das sich zum Schutz der Bürger vor allem aus dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes und aus den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten zugunsten des Parlaments ergibt und eine „Selbstermächtigung” der zweiten oder dritten Gewalt zu Eingriffen in die Rechte der Bürger verbietet, greift hier schon deshalb nicht ein, weil es um Vollstreckung gegen gerichtlich verurteilte Träger der vollziehenden Gewalt des Staates geht. Ferner ist die Androhung oder Festsetzung von Zwangsgeld gegen „Behörden” nach § 201 SGG ein in die Zukunft gerichtetes Willensbeugungsmittel und setzt kein Verschulden „der Behörde” oder des für die Ausführung des Urteils zuständigen Sachbearbeiters (Meyer-Ladewig, aaO, § 201 RdNr 4; Heilemann, aaO, S 637) voraus; deshalb ist das Zwangsgeld auch keine repressive Unrechtsfolge, keine „Strafe” iS des Art 103 Abs 2 GG (vgl Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Dezember 1992, Art 103 RdNr 195; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl 1995, Art 103 RdNr 41; Peters/Sautter/Wolff, aaO, Anm zu § 201 S III/118; Heilemann, aaO, S 637; Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: September 1998, § 172 RdNr 2; aA aber Tannen, aaO, S 55).
3. Der danach statthafte Aussetzungsantrag ist auch (ansonsten) zulässig. Die Beklagte ist (als Vollstreckungsschuldnerin) antragsbefugt, da nicht auszuschließen ist, daß der Kläger (als Vollstreckungsgläubiger) die Vollstreckung des LSG-Urteils durch einen Antrag nach § 201 SGG betreibt und die Beklagte ein derartiges Leistungsurteil in der Form eines Grundurteils iS von § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG – wie ihr Antrag auf Vollstrekkungsschutz nach § 199 Abs 2 SGG zeigt – auch als ausführ- und vollstreckbar betrachtet. Ebenso ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis gegeben, da die Beklagte das mit dem Antrag nach § 199 Abs 2 SGG erstrebte Ziel nach Vollstreckungsschutz nicht auf andere (einfachere) Weise erreichen kann.
B) Der zulässige Aussetzungsantrag ist aber nicht begründet. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, noch ist ersichtlich, daß ihr die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Klägers besteht.
1. Die Entscheidung über eine beantragte Aussetzung der Vollstreckung oder deren Ablehnung liegt nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, der sie selbst treffen muß, sondern ergeht gebunden.
a) Es wird vertreten (siehe Beschlüsse des 1. Senats des BSG vom 26. November 1991 - 1 RR 10/91 - USK 91155 und vom 18. September 1987 - 1 RR 2/87 - USK 87159; in der Literatur Bley, in: Gesamtkommentar, Stand März 1995, § 199 Anm 6c; Meyer-Ladewig, aaO, § 199 RdNr 8; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 199 Anm 3 S III/110 -93; Zeihe, Zum Ermessen des Vorsitzenden nach § 199 Abs 2 SGG, in: SGb 1994, S 505 ff; ders in Zeihe, SGG, Stand: Mai 1997, § 199 RdNr 9; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Stand: Juli 1998, § 199 RdNr 16a und 17), bei der Aussetzung habe der Vorsitzende nach (pflichtgemäßem oder freiem) Ermessen zu entscheiden. Dies wird – zumeist ohne nähere Begründung – auf die Formulierung des § 199 Abs 2 Satz 1 SGG gestützt, wonach der Vorsitzende die Vollstreckung aussetzen „kann”. Indes muß in einem Gesetz die Formulierung „kann” nicht zwangsläufig zum Ausdruck bringen, daß die Entscheidung nach Ermessen zu treffen ist. Statt eines „Ermessens-Kann” kann auch ein sog „Kompetenz-Kann” vorliegen, durch das (gerade) dem Adressaten (nur) die Rechtsmacht (Kompetenz) eingeräumt wird, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine im Gesetz selbst abschließend bestimmte Rechtsfolge (durch einseitige Anordnung) zu setzen oder dies abzulehnen, falls der Tatbestand nicht erfüllt ist (s hierzu bereits Urteil des Senats vom 26. September 1991 - 4/1 RA 33/90 - BSGE 69, 238, 240 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 2 S 22 f; stellv. allgemein zum „Kompetenz-Kann”: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl 1997, § 7 RdNr 9 mit Hinweis auf BVerwGE 23, 25, 29; 44, 339, 342).
§ 199 Abs 2 Satz 1 SGG verlautbart ein „Kompetenz-Kann”, kein „Ermessens-Kann”. Die Vorschrift selbst legt fest, welche Rechtsfolge der Vorsitzende aussprechen darf, nämlich die Aussetzung oder deren Ablehnung. Ermessen wird den Organen der (zweiten oder) dritten Gewalt aber nur dann eingeräumt, wenn diesen die Aufgabe übertragen wird, zur bestmöglichen Förderung des jeweiligen Gesetzeszwecks eine von mehreren zulässigen Rechtsfolgen selbst auszuwählen (näher dazu BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 4, 7 ff mwN). § 199 Abs 2 SGG enthält insbesondere kein „freies Ermessen”, gibt also dem Vorsitzenden nicht die Rechtsmacht, bereits „auf der Tatbestandsseite” im Gesetz selbst nach eigener Willkür festzulegen, ob ein Fall vorliegt, in dem er aussetzen will oder nicht. Vielmehr muß und darf nur ausgesetzt werden, wenn der gesetzliche Tatbestand hierfür erfüllt ist (dazu unten B 2.).
Ebensowenig kommt es für die Aussetzung nach § 199 Abs 2 SGG in der Revisionsinstanz auf die „Erfolgsaussichten des Rechtsmittels” an (aA Beschlüsse des 1. Senats vom 26. November 1991 aaO und vom 18. September 1987 aaO; Beschluß des 11. Senats vom 6. Mai 1960 - 11 RV 92/60 - BSGE 12, 138 = SozR Nr 4 zu § 154 SGG; Bley in: Gesamtkommentar, Stand: März 1995, § 199 Anm 6c; Meyer-Ladewig, aaO, § 199 RdNr 8). Hierfür bietet der Gesetzestext keine Grundlage; er stellt auf andere Voraussetzungen ab (unten B 2.). Im übrigen kann auch in der Berufungsinstanz der Vorsitzende häufig nur spekulativ über die – grundsätzlich dem Senat vorbehaltende – Beurteilung der „Erfolgsaussichten des Rechtsmittels” befinden; insoweit kommt es im übrigen auf „Erfolgsaussicht” nur in dem Sinn an, ob überhaupt die Gefahr einer unrechtmäßigen Zwangsvollstreckung besteht.
b) Die Entscheidung mußte der Vorsitzende selbst treffen; er ist nicht befugt, sie dem Senat zu übertragen. Sofern die Ansicht vertreten wird, der Vorsitzende dürfe seine vom Gesetz vorgeschriebene Alleinentscheidungsbefugnis jedenfalls bei bedeutsamen Sachen oder bei unklarer „Erfolgsaussicht” aufheben, den Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern (ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter) zum gesetzlichen Richter ernennen und dessen Beschluß herbeiführen (vgl Beschluß des 1. Senats vom 26. November 1991 aaO; BSGE 27, 31, 32 = SozR Nr 3 zu § 199 SGG; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1962, 943, 945; Rohwer-Kahlmann, aaO, § 199 RdNr 15-15c), ist nicht ersichtlich, daß dieses Ergebnis mit § 199 Abs 2 Satz 1 SGG und mit Art 101 Abs 1 Satz 2 GG im Einklang steht (ebenso Meyer-Ladewig, aaO, § 199 RdNr 7a; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 199 Anm 3 S III/110-93; kritisch zur Rechtsprechung des BSG ebenfalls Bley in: Gesamtkommentar, Stand: März 1995, § 199 Anm 6b). § 199 Abs 2 SGG bestellt als gesetzlichen Richter für die Aussetzungsentscheidung ausdrücklich nur „den Vorsitzenden” (vgl bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1966, 184 f; Bayerisches LSG, Breithaupt 1959, 870, 871). Eine Befugnis des Vorsitzenden, die Sache – etwa in Sachen grundsätzlicher Bedeutung oder bei „unklaren Erfolgsaussichten” – dem Senat zur Beschlußfassung vorzulegen, läßt sich dem Text des § 199 Abs 2 SGG nicht einmal andeutungsweise entnehmen und ist schon deshalb keine mit Art 101 Abs 1 Satz 2 GG vereinbare Gesetzeshandhabung (ebenso Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 199 Anm 3 S III/110 - 93; aA Rohwer-Kahlmann, aaO, § 199 RdNr 15c). Das formelle grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter, das auch Verwaltungsträgern mit der Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde zusteht, verbietet jede vermeidbare Ungewißheit bei der Bestimmung des gesetzlichen Spruchkörpers und seiner Besetzung im konkreten Fall. Eine – vom Gesetzestext nicht gestützte – Handhabung des § 199 Abs 2 SGG, nach welcher der Vorsitzende von Fall zu Fall, je nach dem, wie er die Sach- und Rechtslage einschätzt und welche Bedeutung er der Sache beilegt, sich selbst oder den Senat zum gesetzlichen Richter bestimmen kann, ist damit unvereinbar. Denn es soll in jedem Einzelfall kein anderer als der Richter tätig werden und entscheiden, der in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte dafür vorgesehen ist (so BVerfGE 21, 139, 145; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30 S 35; vgl auch BVerfGE 95, 322, 327 ff; 330); bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters müssen subjektive Wertungen soweit wie möglich ausgeschlossen sein. Es gibt also keine Befugnis oder gar Pflicht des Vorsitzenden, die Entscheidung auf den Senat zu übertragen.
c) Trotz der hiermit vorliegenden Abweichungen (Ermessen, Erfolgsaussichten, Alleinentscheidungspflicht des Vorsitzenden) von den Entscheidungen des 1. Senats vom 26. November 1991 (aaO) und 18. September 1987 (aaO) und denen des 11. Senats vom 6. Mai 1960 (BSGE 12, 138 = SozR Nr 4 zu § 154 SGG - 11 RV 62/60) und des 12. Senats vom 23. Juni 1967 (BSGE 27, 31 = SozR Nr 3 zu § 199 SGG - 12 RJ 3408/66) bedarf es ua deswegen keiner Anfragen iS von § 41 Abs 3 SGG, weil sogar unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der anderen Senate die Entscheidung des Vorsitzenden im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen könnte (und dürfte). Da der Vorsitzende nach den vorgenannten Entscheidungen des BSG allein entscheiden dürfte und nach „pflichtgemäßem oder freiem Ermessen” zu handeln hätte, wäre er demzufolge auch nicht daran gehindert, sondern geradezu verpflichtet, das „Ermessen” nur mit dem – nach dem Tatbestand des Gesetzes allein zugelassenen – (rechtmäßigen) Ergebnis auszuüben.
2. Der Tatbestand, bei dessen Vorliegen der Vorsitzende die Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs 2 SGG anordnen muß, ergibt sich gemäß § 198 Abs 1 SGG für das Revisionsgericht aus § 719 Abs 2 ZPO (für das Berufungsgericht aus § 719 Abs 1 iVm § 707 ZPO analog).
Gemäß § 198 Abs 1 SGG gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus diesem Gesetz (SGG) nichts anderes ergibt. Da § 199 Abs 2 SGG keinen eigenen Tatbestand darüber regelt, unter welchen Voraussetzungen die Aussetzung der Zwangsvollstreckung bei Rechtsmitteln zu erfolgen hat, ergibt sich dieser Tatbestand zwingend aus der durch § 198 Abs 1 SGG gebotenen entsprechenden Anwendung der im Achten Buch der ZPO für die Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Rechtsmitteln getroffenen Spezialregelung des § 719 ZPO. Nach § 719 Abs 2 ZPO ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, daß die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Der Vorsitzende muß in der Revisionsinstanz bei seiner Entscheidung über einen Antrag nach § 199 Abs 2 Satz 1 SGG den Tatbestand des § 719 Abs 2 ZPO zugrunde legen, weil das SGG keine etwas anderes bestimmende Regelung der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung bei Revision enthält. Er muß also feststellen, ob dem potentiellen Vollstreckungsschuldner (dem Verwaltungsträger) durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde, ggf, ob gleichwohl ein überwiegendes Interesse des Gläubigers der Aussetzung entgegensteht; die Beteiligten haben die für ihre Interessen bedeutsamen Tatsachen, soweit nicht den Revisionsakten entnehmbar, mitzuteilen und ggf glaubhaft zu machen.
Ein nicht zu ersetzender Nachteil liegt nur vor, wenn der durch die Vollstreckung eintretende Schaden nachträglich nicht mehr rückgängig gemacht oder nicht ausgeglichen werden kann (vgl hierzu Zöller, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl 1999, § 707 RdNr 13; Krüger in: Lüke/Wachshöfer, Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 1992, § 707 RdNr 17; Münzberg in: Stein/Jonas, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl 1995, § 707 RdNr 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 57. Aufl 1999, § 707 RdNrn 10, 11). Maßgeblich dafür sind immer die konkreten Umstände des Einzelfalls, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind. Indes hat die Beklagte weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, warum ihr durch die Vollstreckung ein – das Interesse des Klägers an der Vollstreckung überwiegender – nicht zu ersetzender Nachteil drohen könnte. Lediglich ihr Hinweis, daß die Aussetzung der Vollstreckung des – von ihr rechtlich für unzutreffend angesehenen – Urteils des LSG zur Vermeidung einer Neuberechnung der dem Kläger seit 1. Mai 1996 zu gewährenden Altersrente erfolgen solle, ist insofern nicht ausreichend. Sonstige Gründe für die Aussetzung der Vollstreckung des angefochtenen Urteils des LSG sind von der Beklagten nicht geltend gemacht worden; solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.
Nach alledem konnte der Antrag der Beklagten auf Vollstreckungsschutz nach § 199 Abs 2 SGG keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Da es sich bei dem Verfahren nach § 199 Abs 2 SGG im Verhältnis zu dem noch anhängigen Beschwerdeverfahren um ein selbständiges Verfahren handelt, auf das grundsätzlich alle Vorschriften und Rechtsgrundsätze Anwendung finden, die für selbständige Verfahren gelten, war über die Kosten dieses Verfahrens gesondert zu entscheiden (vgl Beschluß des 1. Senats des BSG vom 26. November 1991 aaO; Meyer-Ladewig, aaO, § 199 RdNr 7c; Bayerisches LSG, NZS 1997, 96).
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Fundstellen