Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob im Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz die ladungsfähige Anschrift des Berufungsbeklagten in der Rechtsmittelschrift oder in anderen dem Berufungsgericht bis zum Ablauf der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen bezeichnet sein muß, ist eindeutig zu verneinen und damit nicht klärungsbedürftig.
Normenkette
SGG § 160 Fassung: 1974-07-30, § 160a Fassung: 1974-07-30, § 151 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 26.05.1983; Aktenzeichen L 16 Kr 17/82) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.12.1981; Aktenzeichen S 10 J 135/80) |
Gründe
Die Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.
Die Klägerin macht allein den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) geltend und formuliert hierzu die Rechtsfrage, "ob die Verfahrensbeteiligten in der Berufungsschrift oder aber zumindest bis zum Ablauf der Berufungsfrist eindeutig bestimmbar bezeichnet sein müssen". Es kann dahinstehen, ob die Formulierung der Rechtsfrage, die weder zwischen Rechtsmittelkläger und Rechtsmittelbeklagtem noch zwischen der Angabe der Beteiligtenrolle und der Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift unterscheidet, durch das weitere Beschwerdevorbringen hinreichend präzisiert wird. Der Senat hat bereits entschieden, daß aus der Revisionsschrift hervorgehen oder aus den dem Revisionsgericht innerhalb der Revisionsfrist eingereichten Unterlagen eindeutig ersichtlich sein muß, wer Revisionskläger ist (SozR 1500 § 164 Nr 16). Das gilt entsprechend für die Berufung. Damit ist die aufgeworfene Rechtsfrage, soweit sie sich auf den Rechtsmittelkläger bezieht, nicht klärungsbedürftig; sie wäre insoweit auch nicht entscheidungserheblich, da in der Berufungsschrift die Beklagte als Berufungsklägerin ausreichend bezeichnet wird. Die Frage ist jedoch auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie einschränkend dahin ausgelegt wird, ob im sozialgerichtlichen Verfahren eine Berufung unwirksam ist, wenn die Berufungsschrift weder die ladungsfähige Anschrift des Berufungsbeklagten noch die seines Prozeßbevollmächtigten enthält. Diese Frage wird zwar für den Zivilprozeß vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom Bundesgerichtshof (BGH) und für das Verfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz vom Bundesarbeitsgericht (BAG) unterschiedlich beantwortet. Der BGH hat die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nicht als erforderlich angesehen (BGHZ 65, 114). Demgegenüber hat das BAG in ständiger Rechtsprechung gefordert, daß die zur Zustellung an dem Rechtsmittelbeklagten erforderliche ladungsfähige Anschrift der Rechtsmittelschrift entnommen werden kann oder innerhalb der Rechtsmittelfrist dem Rechtsmittelgericht auf andere Weise bekannt wird (BAG AP Nr 33, 43, 44, 47 zu § 518 ZPO). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat hierzu entschieden, daß die von BGH und BAG gemeinsam vertretene Auffassung, die Rechtsfrage könne für den Zivilprozeß und das Arbeitsgerichtsverfahren ohne Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes unterschiedlich beantwortet werden und die Formenstrenge des BAG nicht gegen die Verfassung verstoße (BVerfG AP Nr 36 zu § 518 ZPO). Die gegen die Rechtsprechung des BAG erhobenen Bedenken (vgl Grunsky, Anmerkung zu AP Nr 33 zu § 518 ZPO und Vollkommer in Anmerkung Nr 43 aaO) können hier jedoch dahinstehen. Denn für das Sozialgerichtsverfahren ist die Bezeichnung der Anschrift des Rechtsmittelbeklagten jedenfalls nicht erforderlich, da § 151 SGG an die Formalien der Berufungsschrift ersichtlich vergleichsweise geringere Anforderungen stellt. Die Bezeichnung des angefochtenen Urteils "muß" in der Berufungsschrift nach § 518 Abs 2 Nr 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) enthalten sein, während die Berufungsschrift nach § 151 Abs 3 SGG das angefochtene Urteil lediglich bezeichnen "soll". Im Sozialgerichtsverfahren ist damit die Angabe der Anschrift des Rechtsmittelgegners nicht notwendig (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit § 151 Anm 6, b, cc am Ende; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl § 151 Anm 11). Soweit Meyer-Ladewig (aaO) ein "streitig" hinzufügt, bezieht sich dies auf die kontroverse Rechtsprechung von BGH und BAG, wie die nachfolgenden Zitate zeigen. Für den Sozialgerichtsprozeß ist die Frage - mit dem LSG - eindeutig zu verneinen und damit nicht klärungsbedürftig.
Die Nichtzulassungsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung zurückzuweisen.
Fundstellen