Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidung in einem Wiederaufnahmeverfahren ist das gemeinsame nächsthöhere Gericht nicht schon dann berufen, wenn ein Leistungsanspruch sowohl gegen einen Versicherungsträger (hier: Träger der gesetzlichen UV) als auch gegen den Träger der KOV von verschiedenen Gerichten rechtskräftig abgewiesen worden ist.
Normenkette
SGG § 180 Fassung: 1953-09-03, § 181 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Entscheidung vom 12.09.1977; Aktenzeichen S 19 V 48/76) |
Tenor
Der Abgabebeschluß des Sozialgerichts für das Saarland vom 12. September 1977 wird aufgehoben.
Gründe
Das Sozialgericht (SG) hat mit dem aufgehobenen Beschluß die Sache zur Entscheidung an das Bundessozialgericht (BSG) abgegeben. Dabei ist es irrtümlicherweise von der Ansicht ausgegangen, es läge eine Wiederaufnahme des Verfahrens iS des § 180 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor; die Voraussetzungen für ein derartiges Wiederaufnahmeverfahren sind jedoch nicht gegeben.
§ 180 Abs 1 Nr 1 SGG kann hier nicht angewendet werden, weil nicht mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden sind.
Aber auch die Vorschrift des § 180 Abs 1 Nr 2 SGG, von der das SG ausgegangen ist, ist hier nicht einschlägig. Hiernach ist die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn ein oder mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig abgelehnt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig von der Leistungspflicht befreit worden sind, weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig sei, der seine Leistung bereits endgültig abgelehnt hat oder von ihr rechtskräftig befreit worden ist. Diese Vorschrift gilt auch im Verhältnis zwischen Versicherungsträgern und einem Land, wenn streitig ist, ob eine Leistung aus der Sozialversicherung oder Kriegsopferversorgung zu gewähren ist (§ 180 Abs 2 SGG).
Zwar ist der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente sowohl von der Versorgungsverwaltung als auch von der Unfallversicherung abgelehnt worden und diese Ablehnungen sind durch gerichtliche Urteile des Landessozialgerichtes (LSG) und des SG bestätigt worden. Diese Ablehnungen stehen jedoch nicht in dem besonderen Begründungsverhältnis, das nach § 180 Abs 1 Nr 2 SGG gemeint ist. Weder das rechtskräftige Urteil des SG für das Saarland vom 9. März 1971 noch das rechtskräftige Urteil des LSG für das Saarland vom 18. Februar 1976 (Az L 2 KnU 24/75) haben den Anspruch abgewiesen, "weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig" sei. Das SG hat lediglich angenommen, daß der Tod des Ehemannes der Klägerin durch schädigungsunabhängige Erkrankungen eingetreten sei, und das LSG hat ausgeführt, daß der Tod nur auf anlagebedingte Faktoren, also weder auf die Wehrdienstbeschädigung noch auf eine Berufskrankheit zurückzuführen sei.
Auf die Annahme, die der Versorgungssenat des LSG für das Saarland möglicherweise während der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 1972 eingenommen hatte, kommt es schon deshalb nicht an, weil damals der Unfallversicherungsträger seine Leistung weder endgültig abgelehnt hatte noch von ihr rechtskräftig befreit worden war.
Das BSG ist bei dieser Sachlage nicht berechtigt, selbst eine Entscheidung in der Sache zu treffen. § 180 Abs 4 SGG gestattet nur dem "berufenen Gericht" die Bestimmung des Leistungspflichtigen. Das bedeutet die Bestimmung desjenigen, der einen unzweifelhaft bestehenden Anspruch als Passivlegitimierter zu erfüllen hat. Hier ist jedoch zweifelhaft und streitig, ob ein Anspruch der Klägerin auf Witwenrente überhaupt besteht. Der Senat ist auch nicht berechtigt, die Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig zu verwerfen, da er nicht das berufene Gericht nach § 180 Abs 4 SGG ist, denn die Voraussetzungen des § 180 SGG liegen nicht vor (anderer Ansicht offenbar LSG NW in Breithaupt 1968 S. 630). Im übrigen vermöchte der Senat aufgrund der Vorlage durch das SG allenfalls über die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 180 SGG zu entscheiden. Inwieweit jedoch Wiederaufnahmegründe nach § 179 SGG in Verbindung mit den Vorschriften des 4. Buches der Zivilprozeßordnung die Wiederaufnahme zulässig erscheinen ließen, entzöge sich jedenfalls vorerst der Entscheidungskompetenz des BSG. Ob das Verfahren darüber beim SG anhängig ist, wird zu erwägen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 1664435 |
Breith. 1980, 250 |