Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Gerichts. Ausschluss der Zuständigkeitsbestimmung in unterschiedlichen Verfahren
Orientierungssatz
Eine Zuständigkeitsbestimmung in unterschiedlichen Verfahren mit ggf unterschiedlichen Ergebnissen (vgl BGH vom 9.3.1994 - XII ARZ 2/94) ist ausgeschlossen, wenn mit der Erhebung der Klage das zuständige Gericht der Hauptsache und damit notwendig gleichzeitig auch das zuständige Gericht für das Nebenverfahren über die Bewilligung von PKH (§ 73a Abs 1 S 1 SGG, § 117 Abs 1 S 1 ZPO) bestimmbar sind (vgl BGH vom 8.7.1992 - XII ARZ 14/92).
Normenkette
SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4, § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 117 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG Dortmund (Beschluss vom 18.06.2009; Aktenzeichen S 39 P 272/08) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Änderung der Einstufung in eine Pflegestufe der Sozialen Pflegeversicherung von bisher Pflegestufe II in die Pflegestufe I. Die in H. wohnende Klägerin hat am 3.12.2008 beim örtlich zuständigen Sozialgericht (SG) Dortmund Klage gegen den Abänderungsbescheid der beklagten Pflegekasse in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2008 erhoben und zugleich Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Den Antrag auf PKH hat das SG mit Beschluss vom 8.4.2009 abgelehnt, da die Klägerin ihrer sich aus § 73a des SGG iVm § 117 Abs 1 Satz 2 der ZPO ergebenden Verpflichtung zur Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel trotz wiederholter Bitte nicht nachgekommen sei. Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 18.5.2009 den Beschluss des SG vom 8.4.2009 aufgehoben und den Antrag auf Bewilligung von PKH in analoger Anwendung von § 159 Abs 1 SGG zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Das SG habe es unterlassen, den Sachverhalt im PKH-Verfahren von Amts wegen aufzuklären. Zudem habe es der Klägerin das rechtliche Gehör abgeschnitten und den Grundsatz des fairen Verfahrens missachtet, indem es den Klägerbevollmächtigten nur einmal zur Klagebegründung aufgefordert, ihn nicht erinnert, von einem Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung über PKH abgesehen und auch keine richterliche Frist gemäß § 118 Abs 2 Satz 4 ZPO gesetzt habe. Da weder zur Erfolgsaussicht noch zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Feststellungen getroffen worden seien, halte der Senat die Zurückverweisung für geboten.
Nach Rücklauf der Akten am 28.5.2009 hat das SG mit Beschluss vom 18.6.2009 gemäß § 58 Abs 1 Nr 4 SGG das Bundessozialgericht (BSG) zur Bestimmung des für die Entscheidung über PKH zuständigen Gerichts angerufen. Für die Zurückverweisung an das SG mit dem Beschluss des LSG vom 18.5.2009 fehle es an einer Rechtsgrundlage. Zudem werde durch den genannten Beschluss der "Beschleunigungscharakter" des PKH-Verfahrens konterkariert, sodass die Anrufung des BSG geboten sei.
Entscheidungsgründe
Der an das BSG gerichtete Antrag, das zuständige Gericht zu bestimmen, ist unstatthaft und schon deshalb unzulässig.
§ 58 Abs 1 Nr 4 SGG, auf den sich das SG bezieht, eröffnet nicht die Möglichkeit der isolierten Bestimmung der Zuständigkeit für ein Verfahren über die Bewilligung der PKH, wenn - wie hier - bereits Klage erhoben ist. Die Durchführung eines eigenständigen Bestimmungsverfahrens mag zwar - mit allein hierauf begrenzter Wirkung - auch im sozialgerichtlichen Verfahren für isolierte Gesuche um PKH in Betracht kommen (vgl in diesem Sinne Bundesgerichtshof ≪BGH≫ vom 18.4.1991, I ARZ 748/90, LM Nr 25 zu § 281 ZPO 1976 = AP Nr 4 zu § 281 ZPO 1977 und vom 9.3.1994, XII ARZ 8/94, NJW-RR 1994, 706 = EzFamR ZPO § 281 Nr 14 sowie Bundesarbeitsgericht vom 27.10.1992, 5 AS 5/92, AP Nr 5 zu § 281 ZPO 1977 = NJW 1993, 751 f). Dagegen ist eine Zuständigkeitsbestimmung in unterschiedlichen Verfahren mit ggf unterschiedlichen Ergebnissen (vgl BGH vom 9.3.1994, XII ARZ 2/94, NJW-RR 1994, 706 = EzFamR BGB § 11 Nr 11) ausgeschlossen, wenn mit der Erhebung der Klage das zuständige Gericht der Hauptsache und damit notwendig gleichzeitig auch das zuständige Gericht für das Nebenverfahren über die Bewilligung von PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG, § 117 Abs 1 Satz 1 ZPO)bestimmbar sind (vgl BGH vom 8.7.1992, XII ARZ 14/92, FamRZ 1993, 48 = EzFamR BGB § 11 Nr 4).
Der Anwendungsbereich des Verfahrens über die Bestimmung der Zuständigkeit nach dem vorliegend allenfalls in Betracht zu ziehenden § 58 Abs 1 Nr 4 SGG ist darüber hinaus von vorneherein nicht eröffnet, wo es nicht um die Bestimmung des im Einzelfall zuständigen Gerichts in örtlich, sachlicher, funktioneller und instanzieller Hinsicht oder um die Klärung eines negativen Rechtsweg übergreifenden Kompetenzkonflikts geht. Zwar erfasst die genannte Norm ebenso wie die entsprechende Vorschrift des § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO auch den Streit über das Rechtsmittelverfahren (vgl BGH vom 18.10.1978, IV ARZ 92/78, MDR 1979, 212 = NJW 1979, 719 und vom 4.5.1994, XII ARZ 36/93, EBE/BGH 1994, 227 ff = EzFamR aktuell 1994, 300 ff) . Um einen derartigen Streit geht es indes nicht, wenn sich - wie vorliegend - die beteiligten Gerichte über die Zuständigkeit des LSG für die Entscheidung über ein bestimmtes Rechtsmittel einig sind, es damit am Zuständigkeitsstreit unter mehreren in Betracht kommenden Gerichten fehlt und ihre Meinungsverschiedenheiten lediglich den Verfahrensgang betreffen. Insbesondere fehlt es an einem Streit über die Zuständigkeit, auf den allein § 58 Abs 1 Nr 4 SGG angewandt werden kann, wenn das Gericht der Vorinstanz nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache deren weitere Bearbeitung mit der Begründung verweigert, die Entscheidung des zuständigen Rechtsmittelgerichts leide an schwerwiegenden Verfahrensverstößen, entfalte daher keine Bindungswirkung und die Sache sei deshalb noch bei dem Rechtsmittelgericht anhängig (so zu § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO ausdrücklich BGH vom 4.5.1994, aaO). Anders als insbesondere bei Verweisungsbeschlüssen nach § 98 Satz 1 SGG liegt mit dem Beschluss über die Aufhebung und Zurückverweisung nämlich bereits eine grundsätzlich und in aller Regel bindende Entscheidung des zuständigen Rechtsmittelgerichts vor, durch die das Gericht der Vorinstanz umfassend gebunden wird. An Anhaltspunkten für die Nichtigkeit des Beschlusses des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.5.2009 fehlt es offensichtlich. Würde das Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG dennoch auch in derartigen Fällen eröffnet, könnte auf diese Weise die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts unabhängig von der Statthaftigkeit eines weiteren Rechtsmittels und von dessen Einlegung durch die Beteiligten im Ergebnis jedenfalls teilweise in einem Streit zwischen den beteiligten Gerichten einer rechtsmittelartigen Überprüfung zugeführt werden. Dies wäre mit den Regelungsanlässen und -möglichkeiten des Verfahrens nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG so wenig in Einklang zu bringen, wie dies bei § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO der Fall ist (vgl auch insofern BGH vom 4.5.1994, aaO).
Fundstellen