Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte nach Einholung eines Befundberichtes und eines medizinischen Gutachtens die Leistungsgewährung ab. Das SG hat nach weiteren Ermittlungen, insbesondere der Anhörung zweier weiterer Sachverständiger, die Klage mit Urteil vom 28.2.2019 abgewiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren ist nach § 109 SGG ein weiteres Gutachten eingeholt und die Berufung sodann mit Beschluss vom 12.5.2021 zurückgewiesen worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er Verfahrensfehler des LSG geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Die Rüge der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) erfordert, dass in der Beschwerdebegründung ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener oder in der angefochtenen Entscheidung wiedergegebener Beweisantrag bezeichnet wird, dem das LSG nicht gefolgt ist, dass die Rechtsauffassung des LSG wiedergegeben wird, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, dass die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufgezeigt werden, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, dass das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angegeben und dass erläutert wird, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 1 KR 89/19 B - juris RdNr 5 mwN). Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG Beschluss vom 26.9.2019 - B 5 R 268/18 B - juris RdNr 13 mwN).
Der Kläger rügt, das LSG sei ohne hinreichend Begründung seinem Antrag nicht gefolgt,
zum Beweis des Vorliegens einer hinreichenden Erwerbsminderung, vor allem durch eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die ihn wegen der Schmerzwahrnehmung nachhaltig selbst an der Durchführung leichter Tätigkeiten unter erwerbstypischen Arbeitsbedingungen hindert, durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie mit dem Schwerpunkt Schmerzwahrnehmung gutachterlich untersuchen zu lassen.
Es kann offenbleiben, ob der Kläger damit die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beweisantrag in einem Rentenverfahren erfüllt hat (vgl hierzu BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6 mwN). Jedenfalls legt er nicht in der gebotenen Weise dar, dass das LSG sich zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Im Ergebnis greift er letztlich die Beweiswürdigung des LSG an, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Er trägt vor, der vom LSG gehörte Sachverständige E trage zwar die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" und möge in der Behandlung von Schmerzen erfahren sein, als Orthopäde sei er aber für die Frage der Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung "ein denkbar ungeeigneter Facharzt". Die Schwierigkeit der Einschätzung liege gerade in der Loslösung von den rein körperlichen Schmerzen und müsse durch "psychiatrische Kenntnisse aufgeklärt" werden. Das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sei mangelhaft. Insbesondere sei die Frage der Chronifizierung und der Schmerzstörung mangelhaft vertieft worden. Mit der Hauptfrage der Schmerzwahrnehmung habe sich die Gutachterin nicht beschäftigt. Bei einer Chronifizierung der Schmerzsymptomatik sei das Restleistungsvermögen über das festgestellte Maß hinaus beeinträchtigt. Hierzu hätte das LSG weiter ermitteln müssen.
Diese Darlegungen sind nicht geeignet, eine Verpflichtung des LSG zu weiteren Ermittlungen aufzuzeigen. Es fehlt insoweit bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Ausführungen des LSG im angefochtenen Beschluss. Woraus sich ergibt, dass der Orthopäde E nicht zuletzt angesichts der von ihm geführten Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" zur Beurteilung von Schmerzzuständen "denkbar ungeeignet" sein soll, erschließt sich aus der Beschwerdebegründung nicht. In den vom Sachverständigen aufgeführten Diagnosen wird im Übrigen ua ein "Bandscheibenschaden mit Restsymptomatik mit Schmerzhaftigkeit" und eine "Schmerzchronifizierung II/8 bei LWS-Syndrom" genannt. Der Vortrag des Klägers, die Schmerzwahrnehmung sei nicht abhängig von objektivierbaren Befunden, das LSG habe sich deshalb nicht darauf stützen dürfen, dass der Sachverständige seine Schmerzwahrnehmung zwar für nachvollziehbar, aber nach den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren für nicht ganz belegbar gehalten habe, bezeichnet keinen Umstand, der die Aussagen des Gutachtens in Frage stellen könnte. Soweit der Kläger die psychische Komponente seiner Schmerzwahrnehmung betont, deren Auswirkungen weiter hätten ermittelt werden müssen, geht er nicht darauf ein, dass weder der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte neurologisch-psychiatrische Sachverständige noch die nach § 109 SGG vom LSG gehörte Sachverständige die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung gestellt haben. Die Mangelhaftigkeit des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens begründet der Kläger damit, dass die Sachverständige Ausführungen von Vorgutachten übernommen habe und in der Krankengeschichte einen Leistenbruch und einen HWS-Bandscheibenvorfall vergessen habe. Inwieweit dies die Bewertung seines Leistungsvermögens durch die Sachverständige in Frage stellen kann, erläutert die Beschwerdebegründung nicht. Unklar bleibt auch, woraus sich die Mangelhaftigkeit des Gutachtens hinsichtlich der Untersuchung einer möglichen Schmerzstörung ergeben soll. Der Hinweis auf Vortrag im Berufungsverfahren ist im Übrigen für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde unzureichend. Verweise auf bisheriges Vorbringen ersetzen substantiiertes Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht (vgl BSG Beschluss vom 16.6.2021 - B 5 R 81/21 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 20.4.2021 - B 13 R 229/20 B - juris RdNr 13 mwN).
Das Vorbringen des Klägers lässt keinen Umstand erkennen, nach dem sich die beantragte weitere Beweiserhebung aufgedrängt hätte. Der Kläger ist vielmehr der Auffassung, dass seine Schmerzwahrnehmung eine stärkere Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit bedingt als die Sachverständigen dies angenommen haben. Damit stellt er lediglich seine eigene Auffassung derjenigen der Sachverständigen und des LSG entgegen. Der bloße Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG kann jedoch nach der ausdrücklichen Anordnung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen, auch wenn er in die Gestalt einer Sachaufklärungsrüge gekleidet ist (vgl BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 1 KR 89/19 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 12). Zu weiteren Beweiserhebungen ist das Tatsachengericht nur dann verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG Beschluss vom 22.6.2021 - B 13 R 20/21 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 9). Das wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargetan.
2. Einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG bezeichnet der Kläger ebenfalls nicht hinreichend. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorher zu hören. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 27). Eine grobe Fehleinschätzung liegt vor, wenn bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist (BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 10 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 39). Nicht erforderlich ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nur dann, wenn der Sachverhalt umfassend ermittelt worden ist, sodass Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung nicht mehr geklärt werden müssen, oder wenn etwa im Berufungsverfahren lediglich der erstinstanzliche Vortrag wiederholt wird. Bei seiner Entscheidung, ob es im vereinfachten Verfahren gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden will, muss das Berufungsgericht auch die Funktion und Bedeutung der mündlichen Verhandlung als "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens berücksichtigen. Demgemäß sind für diese Ermessensentscheidung die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung der Tatsachenfragen relevant (BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 134/14 B - juris RdNr 8; BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38 f, jeweils mwN).
Der Kläger meint, das LSG habe hier deshalb nicht nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG entscheiden dürfen, weil es sich in einer mündlichen Verhandlung einen eigenen Eindruck von seinen schmerzbedingten Beeinträchtigungen hätte verschaffen müssen. Schmerzen seien "medizintechnisch nicht messbar", sodass es auf die persönliche Schilderung ankomme. Dieser Vortrag ist bereits deshalb nicht geeignet, einen Ermessensfehler des LSG aufzuzeigen, weil das Gericht zur Beurteilung der Auswirkungen von physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen medizinischer Sachkunde bedarf. Da es ihm in aller Regel an eigener Sachkunde fehlt, werden medizinische Sachverständige hinzugezogen. Inwiefern hier der persönliche Eindruck die übereinstimmende Einschätzung sämtlicher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen hätte in Frage stellen können, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Sofern der Kläger vortragen will, dass sich seine Beeinträchtigungen von vornherein einer medizinischen Beurteilung entziehen und nur nach seinem subjektiven Vortrag einzuordnen seien, verkennt er die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, die das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit "wegen Krankheit oder Behinderung" abdeckt (vgl bereits BSG Großer Senat Beschluss vom 19.12.1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24, 37 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 30).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14813505 |