Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.07.2021; Aktenzeichen L 3 AS 2812/19)

SG Heilbronn (Entscheidung vom 12.07.2019; Aktenzeichen S 8 AS 1096/17)

 

Tenor

Die Verfahren B 4 AS 268/21 B und B 4 AS 269/21 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 4 AS 268/21 B.

Die Beschwerden des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 2021 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gemäß § 113 Abs 1 SGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil der Kläger die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung und einer Divergenz nicht in der gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Beschwerdebegründungen des Klägers werden diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht. Er begehrt in der Sache höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für Bedarfe für Unterkunft und Heizung, weil er das vom Beklagten und vom LSG zugrunde gelegte Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten für unrichtig hält. Die vier aufgeworfenen Rechtsfragen betreffen die für die Ermittlung der Angemessenheitswerte herangezogenen Datenbanken und die Überprüfung dieser Daten. Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei diesen Fragen überhaupt um abstrakt-generelle, aus sich heraus verständliche Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht handelt (vgl zu diesen Anforderungen Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160a RdNr 94 ff mwN). Alle Fragen beziehen sich eher auf tatsächliche Umstände des vorliegenden Einzelfalles, nämlich auf die Würdigung konkret herangezogener Daten in einem erstellten Konzept zur Angemessenheit von Unterkunftskosten. Die Beschwerden nennen als einschlägige Rechtsnorm zwar § 22 SGB II, machen aber nicht deutlich, warum sich die Fragen auf die Auslegung eines Tatbestandmerkmals dieser Norm und nicht auf die Subsumtion beziehen.

Dies kann dahinstehen, denn jedenfalls fehlt es an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit der Fragen. Es besteht umfangreiche Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft, auch dazu, welche Daten Grundlage eines schlüssigen Konzepts sein müssen, welche Anforderungen an diese Daten zu stellen sind und in welcher Weise ein Konzept möglicherweise nachgebessert werden kann (vgl - die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend - BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 10/18 R, B 14 AS 41/18 R, B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr 101; zuletzt Senatsurteil vom 5.8.2021 - B 4 AS 82/20 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Beschwerden gehen auf diese Rechtsprechung nur am Rande ein und zeigen insbesondere nicht auf, warum sich die aufgeworfenen Fragen anhand dieser Rechtsprechung nicht beantworten lassen. Das Vorbringen, dass das BSG "bisher keine entsprechende Entscheidung zu § 22 SGB II getroffen" habe, wird den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.

2. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.2.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119).

Auch diesen Darlegungsanforderungen werden die Beschwerdebegründungen nicht gerecht. Bei den zitierten Aussagen des LSG, die als divergierende Rechtssätze benannt werden, handelt es sich schon nicht um abstrakte Rechtssätze, sondern um die Würdigung konkreter tatsächlicher Umstände im Einzelfall. Damit dass sich das LSG in seinen Obersätzen demgegenüber stets auf Entscheidungen des BSG gestützt, also ausdrücklich gerade keine anderen rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, setzen sich die Beschwerden nicht auseinander. Soweit die Beschwerden meinen, dass das Urteil des LSG anders ausgefallen wäre, wenn es sich an die Rechtsprechung des BSG gehalten hätte, wird daraus deutlich, dass sie sich tatsächlich nicht auf fehlende Übereinstimmungen im Grundsätzlichen, sondern auf eine behauptete Unrichtigkeit im vorliegenden Einzelfall eines konkreten Konzepts stützen und damit gegen die Rechtsanwendung des LSG wenden. Indessen können mögliche Fehler der Rechtsanwendung im Einzelfall die Zulassung einer Revision nicht rechtfertigen (vgl Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160a RdNr 73 ff; so - ebenfalls im Zusammenhang mit der Würdigung eines schlüssigen Konzepts - bereits Senatsbeschluss vom 11.5.2020 - B 4 AS 2/20 B - juris RdNr 11).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meßling                                B. Schmidt                                    Burkiczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15129242

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge