Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.09.1991; Aktenzeichen L 6 Kg 5/91)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 1991 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hat in einem eigenen Rechtsstreit gegen die Beklagte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des E. A. M. (eav) mit einem am 18. November 1991 (Montag) beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 12. November 1991 die zugelassene Revision gegen das ihm am 17. Oktober 1991 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 1991 eingelegt. Gleichzeitig hat er eine von ihm in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des eav unter dem 10. November 1991 unterschriebene Vollmacht vorgelegt, wonach ihm für das Revisionsverfahren (einschließlich der Befugnis zur Weiterübertragung) „vollumfänglich” Vertretungsmacht erteilt wird.

Die Revision des Klägers ist unzulässig. Sie ist nicht formgerecht eingelegt worden. Der Kläger war bei Einlegung der Revision nicht prozeßordnungsgemäß vertreten.

Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen (§ 166 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das gilt schon für die Einlegung der Revision. Bereits die Revisionsschrift muß von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein (BSG SozR Nr. 1 zu § 164 SGG und Nr. 5 zu § 166 SGG; BSGE 1, 106, 108 ff; BSG SozR 1500 § 166 Nr. 12). Als Prozeßbevollmächtigte sind – neben allen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten – ua die Mitglieder und Angestellten von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind (§ 166 Abs. 2 SGG).

Der eav kann nicht als selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung iS des § 166 Abs. 2 SGG angesehen werden. Dahinstehen kann, ob es sich bei dem eav – dessen Zweck ua durch Verbreitung nützlicher Schriften, lehrreiche Vorträge sowie Pflege des Gesangs erreicht werden soll (§ 2 der Satzung) – um eine „reine” Arbeitnehmervereinigung mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung handelt (vgl. dazu BSG SozR Nr. 33 zu § 166 SGG). Jedenfalls bietet er nicht die Gewähr dafür, daß er seinen Mitgliedern geeignete Prozeßbevollmächtigte zur Verfügung stellen kann. Dazu aber muß eine Arbeitnehmer Vereinigung mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung iS des § 166 Abs. 2 SGG in der Lage sein. Denn der Vertretungszwang vor dem BSG soll gerade eine sachkundige Prozeßvertretung sicherstellen. Diese ist indes nur gewährleistet, wenn der Prozeßbevollmächtigte auf dem komplizierten Gebiet des Sozialrechts über genügend Erfahrung verfügt. Eine solche Erfahrung kann bei einem mit der Prozeßführung beauftragen Verbandsvertreter nur erwartet werden, wenn wegen der Mitglieder zahl des Verbandes oder der Zahl der bei den Mitgliedern beschäftigten Arbeitnehmer in größerem Umfang Fragen des Sozialrechts zu bearbeiten sind und auch die (finanziellen) Mittel zur Verfügung stehen, hierfür ausreichend qualifiziertes Personal einzusetzen (BSG SozR Nrn 39, 40 und 42 zu § 166 SGG; SozR 1500 § 166 Nr. 13). Diese nach der Rechtsprechung des BSG an eine Vereinigung mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung iS des § 166 Abs. 2 SGG zu stellenden Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG SozR 1500 § 166 Nr. 14).

Dem eav fehlt es an der für eine sachkundige Prozeßvertretung erforderlichen finanziellen Ausstattung. Er verfügte nach dem Vorbringen des Klägers zwar am 31. Dezember 1991 über 1.047 Mitglieder. Er weist damit wohl die nach der Rechtsprechung des BSG notwendige Mitgliederzahl auf (BSG SozR Nr. 39 zu § 166 SGG). Doch beträgt der monatliche Mindestbeitrag eines jeden Mitglieds nur 0,10 DM (§ 3 der Satzung). Demgemäß beläuft sich die jährliche Mindesteinnahme des eav auf lediglich 1.256,40 DM (1.047 × 1,20 DM). Das ist ein bei weitem zu geringer Betrag, um Prozeßbevollmächtigte mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet des Sozialrechts bereitstellen zu können. Dieser Mangel ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zuletzt aufgrund der bisherigen Prozeßführung offen zutage getreten.

Bietet der eav wegen unzureichender Finanzmittel sonach nicht die Gewähr dafür, daß er geeignete Prozeßbevollmächtigte für eine Prozeßvertretung vor dem BSG bereitstellen kann, muß die Revision des Klägers mangels ordnungsgemäßer Vertretung vor dem BSG gemäß § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Über den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ist hier nicht zu entscheiden; denn selbst wenn Wiedereinsetzung gewährt werden könnte, änderte dies nichts an der Unzulässigkeit der derzeit eingelegten Revision.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921565

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