Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6533,55 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Mit Urteil vom 15.7.2020 hat das Bayerische LSG einen Bescheid teilweise aufgehoben, mit dem die Beklagte vom Kläger die Erstattung zu Unrecht gezahlter Rentenleistungen an seinen letztlich für tot erklärten Vater iH von 183 324,91 Euro verlangt. Nach Überzeugung des LSG ist der Kläger unter Berücksichtigung einer bereits geleisteten Teilzahlung iH von 131 091,44 Euro nur noch zur Erstattung von 6533,55 Euro verpflichtet. Eine vollständige Aufhebung des Bescheids hat das LSG abgelehnt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 20.8.2020 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin weder den ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch die sinngemäß geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.
a) Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nicht-Übereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein entscheidungstragender Rechtssatz oder mehrere derartige Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15 ff mwN). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6). Diesen Darlegungsanforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger macht darin eine Abweichung von den Entscheidungen des BSG vom 10.7.2012 (B 13 R 105/11 R) und vom 14.12.2016 (B 13 R 9/16 R) geltend. Er trägt vor, nach Überzeugung des LSG sei er als Verfügender iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI zur (teilweisen) Erstattung der überzahlten Rente verpflichtet. Dabei habe das LSG befunden, im Rahmen des § 118 Abs 4 SGB VI könne dahingestellt bleiben, ob eine vom Vollmachtgeber zu Lebzeiten erteilte rechtsgeschäftliche Vollmacht durch dessen Tod erloschen sei. Das LSG habe dies damit begründet, dass die Erstattungspflicht des Verfügenden unabhängig von dessen materiell-rechtlicher Verfügungsberechtigung iS von §§ 164 ff BGB bestehe. Es genüge, wenn die dem Geldinstitut bekannten Umstände auf eine Kontoführungsbefugnis des Verfügenden schließen lassen würden, mithin eine Verfügungsbefugnis nur ihrem äußeren Anschein nach bestehe. Der Vorbehalt, unter dem nach dem Tod des Rentenberechtigten erbrachte Geldleistungen stehen würden, gelte auch und gerade gegenüber dem Verfügenden iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI, der durch bankübliche Geschäfte Zugriff auf die Rentenleistung habe. Dem stellt der Kläger eine Passage aus den Entscheidungen des BSG vom 14.12.2016 und vom 10.7.2012 gegenüber, wonach die Erstattungspflicht von Verfügenden iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI mehr als nur die Verfügungsberechtigung über das Konto voraussetze. Hierin heißt es, der Verfügende müsse dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des Kontos verfügt haben. In Betracht komme insofern jeder berechtigte Dritte, jedoch auch der Rentner vor seinem Ableben und der Kontoinhaber, der den Kontostand unter einen der überzahlten Rentenleistung entsprechenden Betrag gesenkt habe. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger keine entscheidungstragenden, sich widersprechenden Rechtssätze der von ihm zitierten Entscheidungen des BSG und des angegriffenen Berufungsurteils herausgearbeitet. Ausgehend von seinen Ausführungen hat das LSG darin den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, Verfügender iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI könne auch sein, wer lediglich über eine Kontovollmacht verfüge, die bei Vornahme des betroffenen Bankgeschäfts bereits erloschen gewesen sei, wenn aus der objektivierten Sicht des Geldinstituts weiterhin der Anschein einer Bevollmächtigung bestanden habe. Die vom Kläger angeführte - inhaltsgleiche - Passage aus den BSG-Entscheidungen vom 14.12.2016 und 10.7.2012 betrifft hingegen nicht die Erstattungspflicht von Personen, die im Zeitpunkt der Verfügung lediglich über eine Anscheinsvollmacht verfügt haben. Aus ihr ergibt sich vielmehr, dass als Verfügender iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI nur gilt, wer gegenüber dem Geldinstitut ein Rechtsgeschäft wirksam vorgenommen hat, das unmittelbar darauf gerichtet gewesen ist, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben. Damit hat das BSG insbesondere herausgestellt, dass allein die im Wege der Rechtsnachfolge erlangte Stellung als Kontoinhaber (ererbte Kontoinhaberschaft) keine Erstattungspflicht nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI begründet (vgl BSG Urteil vom 10.7.2012 - B 13 R 105/11 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 11 RdNr 29). Ein Abweichen des LSG hiervon wird vom Kläger ebenso wenig geltend gemacht wie von einem entscheidungstragenden Rechtssatz in einer anderen Entscheidung des BSG oder einer Entscheidung des GmSOGB oder des BVerfG.
Mit seinem ausführlichen Vorbringen zu der ihm erteilten Vollmacht und den von ihm getätigten Überweisungen - die nach seinem Dafürhalten allein für und gegen seinen Vater bzw die Erbengemeinschaft gelten würden - wendet sich der Kläger im Kern gegen die Richtigkeit der LSG-Entscheidung. Derartiges Vorbringen reicht wie erwähnt zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz nicht aus. Der Kläger legt auch keine Divergenz dar, indem er sich in diesem Zusammenhang auf die Kommentierung von Westphal in Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl 2021, § 118 SGB VI RdNr 79 bezieht, wonach Verfügungen durch den Nachlasspfleger den Erben zuzurechnen sind, und auf die Regelungen zur Vertretungsmacht in § 164 Abs 1 Satz 2 BGB sowie den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kann eine Divergenz im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich auf die Abweichung von einer Entscheidung der in dieser Vorschrift abschließend genannten Gerichte gestützt werden (BSG Beschluss vom 22.4.2013 - B 13 R 21/13 B - juris RdNr 10). Insoweit kommt allenfalls der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in Betracht (vgl etwa Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 11 mwN).
b) Aber auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wird in der Beschwerdebegründung nicht anforderungsgerecht dargelegt. Hierfür muss ein Beschwerdeführer ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 6; exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 - juris RdNr 6 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫; Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN). An diesen Anforderungen richtet der Kläger sein Vorbringen nicht aus.
Die Beschwerdebegründung verfehlt die Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge schon deshalb, weil darin keine hinreichend bestimmte und aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer anderen konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 12 R 24/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN; vgl auch Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).
Den Darlegungsanforderungen wird selbst dann nicht genügt, wenn man dem Gesamtvorbringen des Klägers die Fragen entnehmen wollte, ob auch Personen als Verfügende iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI in Betracht kommen, die im Rahmen der ihnen zustehenden rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten eines Kontos, auf das Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigen zu Unrecht erbracht worden sind, vorgenommen oder zugelassen haben. Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit dieser - unterstellten - Rechtsfrage nicht dar. Ihm hätte es oblegen, die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu untersuchen und vorzubringen, warum sich seiner Meinung nach die unterstellte Rechtsfrage damit nicht genügend beantworten lässt. Denn als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 450/14 B - juris RdNr 9). Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Erstattungspflicht von Verfügenden iS von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI eingehen müssen (vgl dazu vor Eingang der Beschwerdebegründung zuletzt etwa BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 4/18 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 18). Daran fehlt es. Seine Bezugnahme auf die BSG-Entscheidungen vom 14.12.2016 und vom 10.7.2012 im Zusammenhang mit der geltend gemachten Divergenz reicht insoweit nicht aus, weil der Kläger dabei nicht einmal andeutet, hinsichtlich der unterstellten Rechtsfrage bestehe (weiterhin) Klärungsbedarf.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14685276 |