Orientierungssatz

1. Im zweiten Rechtsgang desselben Rechtsstreits ist auch das Revisionsgericht selbst an seine in einem zurückverweisenden ersten Urteil geäußerte Rechtsauffassung gebunden.

2. Zwar gilt dieser Grundsatz der Selbstbindung des Revisionsgerichts nicht ausnahmslos; im selben Verfahren seine in der ersten aufhebenden Entscheidung vertretene Rechtsauffassung anläßlich der erneuten Befassung mit der Sache zu ändern, soll dem Revisionsgericht jedoch verwehrt sein.

 

Normenkette

SGG § 170 Abs 2 S 2; SGG § 170 Abs 5

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 22.09.1988; Aktenzeichen L 10 Ar 208/88)

 

Gründe

Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten ist abzulehnen, weil es der Rechtsverfolgung an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg fehlt, die für die Prozeßkostenhilfe erforderlich ist (§ 73a Sozialgerichtsgesetz -SGG-, § 114 Zivilprozeßordnung). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nämlich unzulässig. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

Die Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Revision zum einen deswegen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zumißt (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Sie hat jedoch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt, wie dies nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlich ist. Grundsätzliche Bedeutung kann eine Rechtssache nur dann haben, wenn in ihr mindestens eine Rechtsfrage enthalten ist, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat. Die Rechtsfrage muß also klärungsbedürftig, allgemein klärungsfähig und im Einzelfalle entscheidungserheblich sein. Daß und warum dies der Fall ist, muß in der Beschwerdebegründung substantiiert aufgezeigt werden. Aufzuzeigen ist hiernach auch, weshalb die Rechtsfrage, deren Klärung für grundsätzlich gehalten wird, im Einzelfalle entscheidungserheblich ist. Hieran fehlt es.

Die Beschwerdeführerin meint, die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich daraus, daß zur Entscheidung anstehe, inwieweit das Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1988 - 7 RAr 64/87 -, durch das unter Aufhebung eines entgegenstehenden Urteils des Landessozialgerichts (LSG) der Rechtsstreit zwischen den Beteiligten zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen worden ist, und das hierauf ergangene, nunmehr angefochtene Urteil des LSG vom 22. September 1988 die Notwendigkeit der Neuregelung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft außer Betracht lasse. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin damit hinreichend eine Rechtsfrage bezeichnet hat. Die Beschwerdeführerin hat übersehen, daß der Senat über die damit angesprochene Frage, ob die Regelung des § 138 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) über die Berücksichtigung des Einkommens des von dem Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe auch vor Inkrafttreten des § 137 Abs 2a AFG auf Partner eheähnlicher Gemeinschaften anzuwenden ist, in ihrer Sache erneut nur entscheiden könnte, wenn es an das Urteil vom 24. März 1988 - 7 RAr 64/87 - nicht gebunden wäre. Im Falle einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), wie sie durch das Urteil vom 24. März 1988 vorgenommen worden ist, hat aber nicht nur das Tatsachengericht seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen (§ 170 Abs 5 SGG). Vielmehr ist im zweiten Rechtsgang desselben Rechtsstreits auch das Revisionsgericht selbst an seine in einem zurückverweisenden ersten Urteil geäußerte Rechtsauffassung gebunden (vgl BSGE 47, 194, 195 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). Zwar gilt dieser Grundsatz der Selbstbindung des Revisionsgerichts nicht ausnahmslos (vgl BSGE 17, 50 = SozR Nr 6 zu § 170 SGG; BSGE 21, 292, 295; SozR Nr 12 zu § 170 SGG; GmS-OGB BSGE 35, 293 = SozR Nr 15 zu § 170 SGG); im selben Verfahren seine in der ersten aufhebenden Entscheidung vertretene Rechtsauffassung anläßlich der erneuten Befassung mit der Sache zu ändern, soll dem Revisionsgericht jedoch verwehrt sein (so BAGE 36, 1, 7 f; BSG SozR 1500 § 160 Nr 53). Die Beschwerdeführerin hätte daher aufzeigen müssen, weshalb ungeachtet der Selbstbindung im vorliegenden Verfahren der Senat sich erneut mit der im Urteil vom 24. März 1988 entschiedenen Frage befassen könnte. Das ist nicht geschehen.

Die Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Revision zum andern, weil das Urteil des LSG, indem es auf das Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1988 Bezug nehme, von dem in SozR 4100 § 138 Nr 14 veröffentlichten Urteil des BSG abweiche. Auch insoweit ist eine die Revisionszulassung rechtfertigende Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Das ergibt sich schon daraus, daß die Beschwerdeführerin nicht eine Abweichung des LSG zu behaupten vermag, das gemäß § 170 Abs 5 SGG seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Urteils vom 24. März 1988 zugrunde zu legen hatte, sondern eine Abweichung des erkennenden Senats von einer anderen Entscheidung des erkennenden Senats geltend macht. Das kann jedoch die Zulassung der Revision nicht begründen ungeachtet dessen, daß die genannten Urteile des Senats nicht im Widerspruch zueinander stehen.

Eine Abweichung des LSG von dem in SozR 4100 § 138 Nr 14 veröffentlichten Urteil des Senats ergibt sich auch nicht daraus, als die Beschwerdeführerin dem LSG vorwirft, das anzurechnende (wöchentliche) Einkommen des jetzigen Ehemannes der Beschwerdeführerin nicht definitiv festgestellt zu haben. Denn eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil einer Entscheidung des BSG nicht entspricht. Eine Abweichung erfordert vielmehr, daß das LSG einen Rechtssatz entwickelt hat, der mit einem vom BSG entwickelten Rechtssatz nicht übereinstimmt. Daß letzteres hier der Fall ist, ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich einen Verstoß gegen § 103 SGG darin sieht, als das anzurechnende (wöchentliche) Einkommen des jetzigen Ehemannes der Klägerin nicht definitiv festgestellt worden sei, ist schließlich ein zur Revisionszulassung führender Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ebenfalls nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise bezeichnet worden. Die Beschwerdeführerin hat übersehen, daß auf eine Verletzung des § 103 SGG die Zulassung der Revision nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Daß ein solcher Fall gegeben ist, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht.

Entspricht die Beschwerdebegründung somit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665049

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