Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 04.09.2018; Aktenzeichen L 10 SB 72/16) |
SG Braunschweig (Entscheidung vom 19.04.2016; Aktenzeichen S 23 SB 335/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. September 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle von bisher 30. Dieses Begehren hat das LSG verneint (Urteil vom 4.9.2018). Weder die Sprunggelenksverletzung noch die Erkrankung an Morbus Crohn rechtfertigten einen höheren GdB als 30. Die versorgungsrechtliche Beurteilung der Funktionseinschränkung der Sprunggelenksverletzung durch das beklagte Land sei nicht zu beanstanden und werde durch das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. O. … vom 27.10.2016 bestätigt. Anlass zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung durch die Erkrankung an Morbus Crohn habe nicht bestanden. Eine Erhöhung der funktionellen Beeinträchtigung des Klägers durch diese Erkrankung sei nicht ersichtlich und ergebe sich auch nicht aus dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Internisten PD Dr. W. … vom 30.1.2018.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 1.10.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt vor, im vorliegenden Fall existierten unterschiedliche Gutachten, die jeweils zu einem anderen Ergebnis gelangten, indem sie den GdB unterschiedlich hoch bewerteten. Es gehe daher um die "Frage, wie sich das Gericht zu verhalten hat, wenn unterschiedliche Gutachten vorliegen, die jeweils zu anderen Ergebnissen gelangen, die jedoch für den Verfahrensausgang essentiell wichtig sind".
Damit hat er jedoch bereits keine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Vielmehr zielt die Fragestellung auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich eine Frage der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung. Die Zulassung der Revision kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG aber nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verstoßen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG ist die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein Beschwerdeführer kann diese gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - Juris RdNr 5). Der Kläger zeigt nicht auf, dass es hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.
Aber selbst wenn man die von dem Kläger formulierte Frage in eine Rechtsfrage "umdeuten" könnte und wollte, hat er es unterlassen, die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung darzulegen. Er geht nicht darauf ein, inwieweit die Frage bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist. So hat das BSG wiederholt darauf hingewiesen, dass sich das Tatsachengericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen hat. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse gehört - wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse - zur Beweiswürdigung selbst. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Eine Verpflichtung zur Einholung eines Obergutachtens gibt es nicht (vgl Senatsbeschluss vom 24.8.2018 - B 9 SB 30/18 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 3 P 6/17 B - Juris RdNr 13). Des Weiteren entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass das Tatsachengericht bei Vorliegen von mehreren Gutachten nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet ist, wenn die vorhandenen Gutachten ungenügend sind (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO), weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (Senatsbeschluss vom 24.8.2018 - B 9 SB 30/18 B - Juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - Juris RdNr 13).
Der Senat war nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten des Klägers entsprechend seiner Bitte im Schriftsatz vom 1.10.2018 um einen rechtlichen Hinweis, falls "weitere Ausführungen als nötig erachtet" würden, vorab auf die Unzulänglichkeit seines Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 14.3.2018 - B 9 SB 2/18 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
2. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12719948 |