Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Zustellung
Orientierungssatz
Weicht die Ausfertigung des Urteils nicht unwesentlich von dem vom Richter einschließlich der Rechtsmittelbelehrung unterzeichneten Original ab, fehlt es an einer wirksamen Zustellung des Urteils.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 1, §§ 135, 137
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 09.03.1988; Aktenzeichen L 9 Kr 87/87) |
Gründe
Die Beklagte bewilligte der Klägerin Krankengeld für die Zeit ab 20. Dezember 1985. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 24. Februar 1986. Mit der Klage begehrt die Klägerin ein höheres Krankengeld unter Einstufung als Apothekerin. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das seit dem 20. Dezember 1985 gezahlte Krankengeld entsprechend dem tariflichen Entgelt eines angestellten Apothekenleiters zu bemessen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung als unzulässig verworfen.
Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Die Klägerin rügt, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, wie sich der Gegenstand eines Rechtsmittels bestimmt. Mit dieser Rüge kann die Klägerin keinen Erfolg haben, denn der Beschwerdebegründung kann insoweit nichts dafür entnommen werden, daß die Rechtssache über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat. Der Beschwerdebegründung ist allerdings die Rüge eines Verfahrensmangels zu entnehmen. Die Klägerin hält die Berufung für zulässig, weil sie im Klageantrag nur den Beginn der Krankengeldzahlung genannt habe. In dem Rechtsstreit gehe es um ihre Einstufung. Diese wirke sich auf alle späteren Krankengeldzahlungen aus. Indessen liegt der Verfahrensmangel tatsächlich nicht vor.
Die Berufung war nicht zulässig, da sie nur einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen bis zu 13 Wochen (3 Monaten) betraf (§ 144 Abs 1 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin eine andere Bemessung des ab 20. Dezember 1985 gezahlten Krankengelds. Da die Klägerin unstreitig das Krankengeld nur bis zum 24. Februar 1986 bezogen hat, beschränkt sich ihr Leistungsantrag auf die Gewährung eines höheren Krankengeldes für die Zeit vom 20. Dezember 1985 bis zum 24. Februar 1986, also für einen Zeitraum von weniger als 13 Wochen (3 Monaten). Die von der Klägerin behauptete materiell-rechtlich präjudizielle Wirkung der Einstufung für spätere Entscheidungen würde daran nichts ändern. Nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ist maßgebend allein der zeitliche Umfang des Leistungsanspruchs.
Die Klägerin rügt außerdem grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen der Frage, ob eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung als Rechtsmittelzulassung anzusehen sei. Es müsse davon ausgegangen werden, daß das SG den Klageantrag anders beurteilt habe als das LSG und daß deshalb die Rechtsmittelbelehrung dahin, die Berufung sei zulässig, aus der Sicht des SG zutreffend gewesen sei. Diese Fallgestaltung unterscheide sich von derjenigen, in der die Geschäftsstelle bei der Ausfertigung des Urteils irrtümlich ein falsches Rechtsmittelbelehrungs-Formular verwendet habe.
Auch mit dieser Rüge kann die Klägerin keinen Erfolg haben. Sie weist selbst auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hin, nach der die Berufung nicht allein durch die Rechtsmittelbelehrung zugelassen wird. Durch das Vorbringen der Klägerin wird diese geklärte Rechtsfrage nicht ausnahmsweise erneut klärungsbedürftig. Wenn die Ausfertigung des Urteils nicht unwesentlich von dem vom Richter einschließlich der Rechtsmittelbelehrung unterzeichneten Original abweicht, fehlt es an einer wirksamen Zustellung des Urteils. Erneut klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage auch nicht wegen des Vorbringens, es sei zu prüfen, ob es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sei, der vom Richter unterzeichneten Rechtsmittelbelehrung jede Bedeutung abzusprechen. Der Hinweis auf die Bedeutung der Unterschrift des Richters und auf den Vertrauensschutz ist insoweit keine neue Erkenntnis, die eine neue Entscheidung des BSG erforderlich machen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG
Fundstellen