Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Zulassungsentziehungsverfahren wegen Abrechnungsbetrug. Übermittlung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
Orientierungssatz
1. Eine Übermittlung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kann bereits vor Erhebung der öffentlichen Klage rechtmäßig und die Verwendung der übermittelten Daten in dem Zulassungsentziehungsverfahren zulässig sein.
2. Die Pflicht des Vertragsarztes zu peinlich genauer Abrechnung der von ihm erbrachten Leistungen gehört zu den essentiellen Grundlagen von dessen Mitgliedschaft in der KÄV, zumal nach den Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungssystems unberechtigte Leistungsanforderungen des einen Arztes zu Honorarverlusten bei den übrigen Ärzten führen (vgl ua BSG vom 8.2.2006 - B 6 KA 12/05 R = SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 28). In diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis ist es deshalb von besonderer Wichtigkeit, dass erkannten Abrechnungsbetrügereien eines Vertragsarztes auch von Seiten der KÄV und von den Zulassungsgremien unverzüglich nachgegangen werden kann, um fortdauernde oder fortgesetzte Schädigungen der übrigen Vertragsärzte zu vermeiden.
3. Die Auffassung, dass Daten aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nur dann an andere Behörden übermittelt werden dürfen, wenn zugleich die Voraussetzungen der als Verwaltungsvorschrift erlassenen Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) erfüllt sind, trifft nicht zu.
Normenkette
SGB 5 § 95 Abs. 6; GVGEG § 13 Abs. 2 S. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 22 Abs. 3; MiStra Nr. 26 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung.
Der Kläger ist seit November 1995 in Berlin als Arzt für Chirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Zuge polizeilicher Ermittlungen der Gruppe "Medicus" des Landeskriminalamts (LKA) gegen einen anderen Vertragsarzt entstand im Herbst 1999 der Verdacht, dass zwischen diesem, dem Kläger und einem weiteren Arzt Überweisungsscheine ausgetauscht wurden, um dem jeweils anderen Vertragsarzt die Abrechnung von Leistungen für die in den Überweisungen aufgeführten Patienten zu ermöglichen, obwohl eine Behandlung nicht erfolgte (sog "Phantompatienten"). Nach Durchsuchung der Wohn- und Praxisräume des Klägers im Januar 2001, Auswertung der dabei beschlagnahmten Unterlagen aus dem Jahr 1998 und nach umfangreichen Patienten- und Zeugenbefragungen legte das LKA der zuständigen Staatsanwaltschaft unter dem 30.5.2003 den abschließenden Ermittlungsbericht vor. Darin wird dem Kläger zur Last gelegt, im Jahr 1998 Leistungen für 58 Phantompatienten (Schadenssumme ca 1.875 Euro) und darüber hinaus zahlreiche weitere Behandlungsleistungen unberechtigt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) abgerechnet zu haben (Schaden ca 32.000 Euro). Zudem habe er die Versandkostenpauschale nach Nr 7103 der vertraglichen Vereinbarung zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen für veranlasste Gewebeuntersuchungen abgerechnet, obwohl der die histologischen Untersuchungen durchführende Arzt diese Kosten getragen habe. Auf diese Weise habe der Kläger im Jahr 1998 in 727 Fällen ca 1.858 Euro Honorar zu Unrecht erlangt, und es bestehe Grund zu der Annahme, dass er diese Abrechnungen bis 2003 fortgesetzt habe. Die Staatsanwaltschaft schloss nach Konsultationen mit dem Verteidiger des Klägers am 30.3.2004 die Ermittlungen ab, beschränkte gemäß §§ 154, 154a Strafprozessordnung (StPO) die weitere Verfolgung auf den Vorwurf unberechtigter Abrechnungen der Versandkostenpauschale im Jahr 1998 und beantragte hierfür den Erlass eines Strafbefehls. In dem vom Amtsgericht am 11.5.2004 dementsprechend verfügten Strafbefehl wurde der Kläger wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 Euro rechtskräftig verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft hatte den Ermittlungsbericht des LKA bereits am 7.7.2003 an den Zulassungsausschuss übersandt; daraufhin entzog dieser dem Kläger die Zulassung (Beschluss vom 20.1.2004/Bescheid vom 7.5.2004) . Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der Ermittlungsbericht dürfe nicht verwertet werden, weil die Staatsanwaltschaft nicht befugt gewesen sei, diesen bereits im Jahr 2003 an den Zulassungsausschuss zu übermitteln. Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch zurück und ordnete den Sofortvollzug seiner Entscheidung an (Beschluss vom 28.7.2004/Bescheid vom 26.8.2004) .
Das Sozialgericht (SG) hat die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt; die hiergegen vom Beklagten erhobene Beschwerde ist vom Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen worden. In der Hauptsache ist der Rechtsbehelf des Klägers dagegen ohne Erfolg geblieben (Urteile des SG Berlin vom 18.1.2006 und des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.11.2006 - juris) . Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe wiederholt in besonders schwerem Maße gegen die Pflicht zu peinlich genauer Leistungsabrechnung verstoßen und damit seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Schon die vom Kläger eingeräumte unberechtigte Abrechnung der Versandkostenpauschale trage für sich genommen die Zulassungsentziehung. Hinzu komme die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen sowie von Leistungen, die für Phantompatienten angesetzt wurden, was sich anhand der Akten der Staatsanwaltschaft nachvollziehen lasse. Die Verwertung der vom LKA übersandten Unterlagen sei gemäß § 5 Abs 1 SGG sowie gemäß § 13 Abs 2, § 14 Abs 1 Nr 4 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) iVm Nr 26 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) rechtmäßig. Die festgestellten Abrechnungsmanipulationen rechtfertigten keine andere Entscheidung als die Zulassungsentziehung, auch wenn die Pflichtverletzungen in das Jahr 1998 zurückreichten und sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens Anhaltspunkte für neue Pflichtverstöße des Klägers nicht ergeben hätten. Denn dessen Wohlverhalten dürfe nicht losgelöst von dem anhängigen Rechtsstreit betrachtet werden. Im Hinblick auf die besondere Schwere der vom Kläger begangenen Pflichtverletzungen könne den vertragsärztlichen Institutionen dessen Teilnahme an diesem System nicht schon wieder zugemutet werden.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt zudem, das Berufungsgericht sei von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist hinsichtlich der Grundsatzrüge unbegründet, während sich die Divergenzrüge als unzulässig erweist.
1. Soweit der Kläger geltend macht, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Klärung der Rechtsfrage, ob der Beklagte die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft gesammelten Informationen hinsichtlich der Tatkomplexe "Abrechnung für Phantompatienten" und "Abrechnung nicht erbrachter Endoskopien" kennen und zu Lasten des Klägers verwerten durfte, genügen seine Ausführungen den in § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 SGG benannten Anforderungen; seine Beschwerde ist mithin zulässig. Der Rechtsbehelf ist aber unbegründet, denn eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13, mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt, und ebenso dann, wenn zwar noch keine Rechtsprechung zu dieser Konstellation, aber Rechtsprechung bereits zu Teilaspekten vorliegt und sich hieraus ohne Weiteres die Beantwortung der Rechtsfrage ableiten lässt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort siehe zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; Nr 7 S 14; SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3) .
Die vom Kläger benannte Rechtsfrage erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Seine gesamten Ausführungen zur Unverwertbarkeit der in dem polizeilichen Ermittlungsbericht vom 30.5.2003 enthaltenen Informationen in dem Zulassungsentziehungsverfahren gründen auf der Annahme, dass Staatsanwaltschaften gemäß Nr 26 MiStra nicht befugt seien, bereits vor Erhebung einer öffentlichen Klage Informationen, die im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gesammelt wurden, an den Zulassungsausschuss zu übermitteln. Dies trifft jedoch, wie sich ohne Weiteres aus den einschlägigen Rechtsvorschriften ergibt, nicht zu. Eine Übermittlung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kann gemäß § 14 Abs 1 Nr 4 iVm § 13 Abs 2 Satz 1 EGGVG bereits vor Erhebung der öffentlichen Klage rechtmäßig und die Verwendung der übermittelten Daten in dem Zulassungsentziehungsverfahren somit zulässig sein (vgl § 22 Abs 3 Satz 3 EGGVG) .
Das Justizmitteilungsgesetz (JuMiG vom 18.6.1997 - BGBl I 1430) hat in Umsetzung der Anforderungen des sog Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 65, 1) Rechtsgrundlagen für eine Weitergabe persönlicher Daten aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geschaffen. Dazu ist im EGGVG ein neuer zweiter Abschnitt mit der Überschrift "Verfahrensübergreifende Mitteilungen von Amts wegen" neu aufgenommen worden. In ihm sind die Voraussetzungen für eine Übermittlung personenbezogener Daten ua durch Staatsanwaltschaften an öffentliche Stellen des Bundes und der Länder zu anderen Zwecken als dem der Strafverfolgung geregelt, soweit keine vorrangig zu beachtenden bereichsspezifischen Sondervorschriften bestehen (§ 12 Abs 1 Satz 1 und 2 EGGVG) . Letzteres ist im Bereich des Vertragsarztrechts nicht der Fall; eine von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen veranlasste Übermittlung von Daten aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren an die Zulassungsgremien ist mithin an den Vorschriften der §§ 13, 14 EGGVG zu messen. Diese Normen wären allerdings dann nicht einschlägig, wenn die Datenübermittlung auf einem Auskunftsersuchen des Zulassungsausschusses beruhte; in diesem Falle wäre die Zulässigkeit der Datenanforderung und der Datenweitergabe durch die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage der §§ 3, 4 iVm § 67a SGB X sowie von § 474 StPO zu beurteilen. Dies kann hier jedoch auf sich beruhen. Es ist weder aus den im LSG-Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen noch aus den Akten ersichtlich, dass der Zulassungsausschuss die Übersendung des polizeilichen Ermittlungsberichts im Wege der Amtshilfe bei der Staatsanwaltschaft angefordert hätte; dieser hatte sich im Februar 2002 dort lediglich nach dem Sachstand erkundigt (vgl S 33 des Ermittlungsberichts).
Die Regelung in § 14 Abs 1 Nr 4 iVm § 13 Abs 2 EGGVG gestattet die Übermittlung personenbezogener Daten aus einem Strafverfahren an die vertragsärztlichen Zulassungsgremien bereits vor Abschluss der Ermittlungen bzw des Strafverfahrens. Nach der genannten Vorschrift ist die Staatsanwaltschaft befugt, personenbezogene Daten des Beschuldigten eines Strafverfahrens, die dessen Verfahrensgegenstand betreffen, an öffentliche Stellen des Bundes oder eines Landes zu übermitteln. Die Übermittlung setzt voraus, dass aus Sicht der Staatsanwaltschaft die Kenntnis der Daten bei der öffentlichen Stelle erforderlich ist, weil der Betroffene wegen seines Berufsverhältnisses einer Staats- oder Standesaufsicht unterliegt und die Daten auf eine Verletzung der Pflichten schließen lassen, die bei der Ausübung des Berufs zu beachten sind, oder diese geeignet sind, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen. Dies betrifft nach der Gesetzesbegründung insbesondere Angehörige der Heilberufe, bei denen die Überwachung der Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten und die Ahndung von Verstößen sowohl bestimmten Behörden als auch öffentlich-rechtlich verfassten Berufsorganisationen zugewiesen ist (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JuMiG, BT-Drucks 13/4709, S 22 - Zu § 14) . Hierunter fallen auch Vertragsärzte, bei denen die Zulassungsausschüsse gemäß § 27 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte von Amts wegen über eine Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung zu entscheiden haben, sofern die Voraussetzungen des § 95 Abs 6 SGB V - insbesondere eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten - vorliegen.
Der Umfang und Zeitpunkt solch zulässiger Mitteilungen ist dabei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit "nach dem Inhalt des jeweiligen Berufsgesetzes" zu beurteilen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JuMiG, aaO) . Hiernach ist jedenfalls dann, wenn der Verdacht auf Abrechnungsbetrügereien Anlass zu Ermittlungen gegen einen Vertragsarzt gibt, die Benachrichtigung der vertragsärztlichen Behörden zulässig und angezeigt, sobald sich dieser Verdacht aufgrund durchgeführter Beweiserhebungen erhärtet hat. Die Pflicht des Vertragsarztes zu peinlich genauer Abrechnung der von ihm erbrachten Leistungen gehört zu den essentiellen Grundlagen von dessen Mitgliedschaft in der KÄV, zumal nach den Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungssystems unberechtigte Leistungsanforderungen des einen Arztes zu Honorarverlusten bei den übrigen Ärzten führen (vgl BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 28) . In diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis ist es deshalb von besonderer Wichtigkeit, dass erkannten Abrechnungsbetrügereien eines Vertragsarztes auch von Seiten der KÄV und von den Zulassungsgremien unverzüglich nachgegangen werden kann, um fortdauernde oder fortgesetzte Schädigungen der übrigen Vertragsärzte zu vermeiden. Überwiegende schutzwürdige Interessen des Vertragsarztes, gegen den sich aufgrund durchgeführter Beweiserhebungen von Polizei oder Staatsanwaltschaft der Verdacht eines Abrechnungsbetrugs erhärtet hat, gegenüber einer solch frühzeitigen Datenübermittlung bestehen offenkundig nicht (vgl § 13 Abs 2 EGGVG) . Dessen berechtigten Interessen ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass für den Fall neuerer Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden zu seinen Gunsten die unverzügliche ergänzende Information der datenempfangenden Stelle vorgeschrieben ist (§ 20 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 EGGVG) .
Die Auffassung des Klägers, Daten aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren dürften gemäß §§ 13 ff EGGVG nur dann an andere Behörden übermittelt werden, wenn zugleich die Voraussetzungen der als Verwaltungsvorschrift erlassenen MiStra erfüllt seien, trifft nicht zu. Allerdings ist in der Regelung in Nr 26 Abs 1 MiStra (zur Datenweitergabe in Strafsachen gegen Angehörige der Heilberufe) nur die Übermittlung des Erlasses und des Vollzugs eines Haftbefehls, der Anordnung eines vorläufigen Berufsverbots, der Erhebung der öffentlichen Klage und des Ausgangs des Verfahrens vorgesehen; der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls steht dabei der Erhebung einer öffentlichen Klage gleich (§ 407 Abs 1 Satz 4 StPO) . Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass damit auch die Zeitpunkte für Datenübermittlungen auf der Grundlage der §§ 13 ff EGGVG abschließend bestimmt und demnach Datenweitergaben in Fällen ohne Haftbefehl oder vorläufigem Berufsverbot frühestens mit Erhebung der öffentlichen Klage statthaft sind. Das ist nicht der Fall. Vielmehr regeln die Vorschriften der §§ 13 ff EGGVG die Übermittlungsbefugnisse der Staatsanwaltschaften und Gerichte in einer Weise, dass für jeden Bürger klar und erkennbar ist, in welchen Fällen eine Mitteilung rechtmäßig vorgenommen werden kann (vgl Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum JuMiG, aaO, S 18-5) . Sie beschreiben somit die im Sinne des Volkszählungsurteils (BVerfGE 65, 1) erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen dafür, dass eine Datenübermittlung erfolgen darf. Die verwaltungsinternen Bestimmungen der MiStra definieren hingegen für Gerichte und Staatsanwaltschaften im Wege der Ermessensbindung den engeren Kreis der Fälle, in denen zweifelsfrei eine Mitteilung geboten ist, begründen also Mitteilungspflichten (vgl Böttcher in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl 2003, Vor § 12 EGGVG RdNr 6; Schoreit im Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl 2003, § 12 EGGVG RdNr 13; Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 4. Aufl 2005, § 12 EGGVG RdNr 19) . Soweit eine solche Pflicht zur Mitteilung nicht vorgesehen ist, verbleibt es im Bereich der gesetzlich eröffneten Mitteilungsermächtigung hinsichtlich des "ob" und "wann" einer Datenweitergabe bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft im Einzelfall (vgl Gesetzesbegründung zum JuMiG, aaO; s auch die Streichung des ursprünglich im Entwurf des JuMiG vorgesehenen § 14 Abs 4 EGGVG, der die Übermittlung vor Abschluss eines Verfahrens beschränkte - dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 13/7489 S 54) . Dies gilt gemäß § 18 Abs 2 EGGVG auch für die Art und Weise der Datenübermittlung. Dabei ist im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung die Verantwortung aller staatlichen Stellen für das Gemeinwohl sowie für die Widerspruchsfreiheit der gesamten Rechtsordnung zu beachten (vgl Kissel/Mayer, aaO, RdNr 20) .
Anhaltspunkte dafür, dass speziell im Fall des Klägers schutzwürdige Interessen am Unterbleiben der Datenübermittlung überwogen haben (§ 13 Abs 2 EGGVG) oder dass die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, sind nicht ersichtlich. Die Befragungen von Patienten und Arzthelferinnen im Rahmen des Strafverfahrens bestätigten eine Abrechnung unberechtigter Leistungen durch den Kläger in erheblichem Umfang - insbesondere auch für Patienten, die niemals in dessen Behandlung waren. Diese Falschabrechnungen betrafen aufgrund entsprechender Beschränkung des Ermittlungsumfangs durch die Strafverfolgungsbehörden nur das Jahr 1998, doch ging das LKA in seinem Ermittlungsbericht davon aus, dass sie sich teilweise bis in die Gegenwart fortsetzten. Ein Interesse des Klägers daran, dass solche Informationen den vertragsärztlichen Behörden möglichst spät bzw überhaupt nicht bekannt werden, ist zwar nachvollziehbar, überwiegt aber nicht die öffentlichen Interessen, welche gemäß § 14 Abs 1 Nr 4 EGGVG eine unverzügliche Datenweitergabe durch die Staatsanwaltschaft erlauben und regelmäßig auch erfordern (zur entsprechenden Pflicht von KÄVen und Krankenkassen zur unverzüglichen Unterrichtung der Staatsanwaltschaft von einem Anfangsverdacht auf betrügerische Falschabrechnung s nunmehr § 81a Abs 4 bzw § 197a Abs 4 SGB V) .
Mithin ergibt sich die Zulässigkeit der Weitergabe des polizeilichen Ermittlungsberichts noch vor Erhebung der öffentlichen Klage ohne Weiteres und zweifellos aus den §§ 12 ff EGGVG; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es zur Klärung dieser Frage nicht.
2. Die Rüge einer Rechtsprechungsabweichung ist vom Kläger nicht in der erforderlichen Form dargetan und somit unzulässig.
Wer den Zulassungsgrund der Divergenz geltend machen will, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in der Beschwerdebegründung entscheidungstragende Rechtssätze im Berufungsurteil und in einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberstellen und näher darlegen, weshalb sie nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf dieser Abweichung beruht ( vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 ). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die im Einzelfall fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge).
Die Darlegungen des Klägers zeigen keine Divergenz in dem genannten Sinne auf. Er gibt lediglich die Ausführungen des LSG-Urteils im Zusammenhang mit der Prüfung eines möglichen Wohlverhaltens des Klägers im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens in wörtlicher Zitierung wieder und stellt dem seine Behauptung gegenüber, dass diese Darlegungen mit der Senatsentscheidung vom 19.7.2006 (B 6 KA 1/06 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 16 ff) nicht vereinbar seien. Damit ist jedoch kein von dem genannten Urteil des Senats abweichender Rechtssatz dargetan, den das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte. Eine solche Abweichung kann nicht einfach unterstellt werden, zumal das Berufungsgericht in seinem Urteil die Senatsentscheidung vom 19.7.2006 mehrfach erwähnt und seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat. Das Berufungsgericht ist allerdings im Rahmen der vom Senat geforderten Prüfung, ob im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens eine nachhaltige Verhaltensänderung des Vertragsarztes festzustellen ist, welche eine positive Prognose für die Zukunft rechtfertigt, zu dem Ergebnis gelangt, dass dies nach seiner Überzeugung nicht der Fall ist. Diese tatrichterliche Würdigung greift die - keineswegs zwingende - Argumentation des Klägers nicht auf, aus dem Umstand der letzten im Strafbefehl berücksichtigten Tathandlung vom 30.12.1998 sei zu folgern, dass er von da an Wohlverhalten gezeigt habe. Allein damit ist jedoch eine Abweichung des LSG von einem in der Senatsentscheidung vom 19.7.2006 enthaltenen Rechtssatz nicht dargelegt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG (in der ab 1.4.2008 geltenden Fassung) ab.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der Festsetzung durch die Vorinstanzen, gegen die keiner der Beteiligten Einwendungen vorgebracht hat.
Fundstellen