Verfahrensgang
SG Leipzig (Entscheidung vom 12.07.2017; Aktenzeichen S 18 KN 1203/15) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 23.10.2018; Aktenzeichen L 5 KN 585/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Urteil vom 23.10.2018 hat das Sächsische LSG einen solchen Anspruch des Klägers verneint, weil er noch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten könne. Auch liege keine Berufsunfähigkeit vor. Zwar könne der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fensterbauer nicht mehr ausüben. Diese Tätigkeit sei der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen. Der Kläger könne zumutbar auf eine Tätigkeit als Pförtner in Verwaltungsgebäuden verwiesen werden. Das LSG hat deshalb die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Leipzig vom 12.7.2017 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Der Kläger rügt einen Verfahrensmangel nach § 103 SGG und trägt dazu vor, er habe in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2018 "die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens zum Ausschluss der Tätigkeit des 'Pförtners' für den Kläger" beantragt. Das LSG sei dem nicht gefolgt.
Nach dem Vorbringen des Klägers ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger zeigt in seiner Beschwerdebegründung nicht ausreichend auf, im Berufungsverfahren einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt zu haben. Ein solcher Beweisantrag setzt gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 403 ZPO voraus, dass die zu begutachtenden Punkte im Einzelnen benannt werden. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl BSG Beschluss vom 13.3.2019 - B 5 R 22/19 B - RdNr 9 mwN). Mit der vom Kläger vorgetragenen Formulierung "zum Ausschluss der Tätigkeit des Pförtners für den Kläger" hat er schon keine noch zu ermittelnden, bestimmten Tatsachen benannt. Nach dem vom Kläger wörtlich wiedergegebenen Antrag blieb völlig unbestimmt, welche neuen entscheidungserheblichen Tatsachen im Einzelnen noch festgestellt werden sollten (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 7). Der Kläger trägt in seiner Beschwerdebegründung zum einen vor, dass er im Berufungsverfahren auf eine vor dem SG mit Schriftsatz vom 10.11.2016 eingeführte "berufskundliche Zeugenaussage" Bezug genommen habe, wonach die Bezeichnung "Pförtner" nicht mehr gebräuchlich und für eine "Sicherheitskraft im Empfangsdienst" ohne entsprechende Vorkenntnisse eine Einarbeitung von mehr als drei Monaten erforderlich sei. Zum anderen habe er zu einem vom LSG beigezogenen berufskundlichen Sachverständigengutachten aus einem anderen Verfahren vorgetragen, dass ihm keine der dort für eine Verweisungstätigkeit als "gehobener" Pförtner (Pförtner in Verwaltungsgebäuden) als notwendig angesehenen Vorkenntnisse aus dem kaufmännischen Bereich und EDV-Kenntnisse zur Verfügung stünden und auch dazu die Einholung eines aktuellen berufskundlichen Sachverständigengutachtens beantragt. Aus diesem Vortrag ergibt sich, dass der Kläger eine weitere Sachaufklärung zu verschiedensten Tatsachen anstrebte. Der von ihm in seiner Beschwerdebegründung wiedergegebene Beweisantrag auf Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens "zum Ausschluss der Tätigkeit des Pförtners für den Kläger" lässt eine hinreichende Konkretisierung des Beweisthemas vermissen. Zudem fehlt es an einem ausreichenden Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit eines solchen Gutachtens: Der Kläger setzt sich weder mit der ausführlichen Begründung des LSG zur Eingruppierung von Pförtnern nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auseinander noch damit, dass das LSG ausdrücklich davon ausging, dass eine solche Verweisungstätigkeit ohne besondere Vorkenntnisse ausgeübt werden kann (siehe die Ausführungen in den Entscheidungsgründen auf Seite 5 und 6 des Urteils).
2. Das Vorbringen des Klägers, das LSG habe ihn auf eine Tätigkeit als Pförtner in Verwaltungsgebäuden verwiesen und damit "versucht", ihn "mit einer entsprechend eingeschränkten Behandlung des Beweisantrages zu überraschen", enthält auch keine hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels in Form einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§§ 62, 128 Abs 2 SGG). Danach sind auch sog Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8b mwN). Eine Überraschungsentscheidung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - Juris RdNr 8) wie auch des BSG (SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17) nicht bereits dann anzunehmen, wenn einer der Beteiligten eine andere Entscheidung des Gerichts erwartet hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2, RdNr 24 mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).
Der Kläger selbst trägt in seiner Beschwerdebegründung vor, dass eine Verweisungstätigkeit als Pförtner in Verwaltungsgebäuden im Berufungsverfahren erörtert wurde. Er nimmt Bezug auf ein vom LSG beigezogenes berufskundliches Sachverständigengutachten und gibt an, zu dieser Verweisungstätigkeit vorgetragen zu haben.
Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt und "die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten", kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Alt 1 SGG ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13219858 |