Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.01.2017; Aktenzeichen L 13 VS 22/15)

SG Düsseldorf (Urteil vom 02.12.2014; Aktenzeichen S 6 VS 36/11)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Januar 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt K., K., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger verlangt Ausgleich für eine Wehrdienstbeschädigung.

Der Kläger wurde während der Grundreinigung eines Dienstgebäudes von einem Kameraden mit einem Taschenmesser attackiert. Zuvor hatten sich die Soldaten zum Ende der Reinigungsarbeiten gegenseitig bespritzt. Der Kläger zog sich nur eine leichte Schürfwunde zu, musste aber psychiatrisch behandelt werden. Der Angreifer wurde wegen des Vorfalls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Der für Opferentschädigung zuständige Landschaftsverband Rheinland hat beim Kläger aufgrund des Vorfalls als Schädigungsfolge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) eine rückläufige posttraumatische Belastungsstörung und depressive Anpassungsstörung mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 für die Zeit vom 25.5.2010 bis 30.4.2011 und von 10 ab 1.5.2011 anerkannt.

Dagegen hat die Beklagte den Antrag des Klägers, bei ihm wegen der seelischen Folgen des Angriffs auch eine Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen, abgelehnt. Seine psychische Beeinträchtigung sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung (Bescheid vom 14.6.2011, Widerspruchsbescheid vom 15.7.2011).

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Ausgleich nach § 85 Abs 1 Soldatenversorgungsgesetz auf der Grundlage eines GdS von 40 zu gewähren. Der Gesundheitsschaden des Klägers sei zumindest anteilig wesentlich durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden. Dazu gehörten nach der Rechtsprechung des BSG auch Konflikte und Aggressionsstauungen unter Soldaten aufgrund des erzwungenen Zusammenlebens (Urteil vom 2.12.2014).

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar habe sich der Angriff auf den Kläger während der Dienstzeit auf dem Kasernengelände und anlässlich einer Dienstverrichtung ereignet. Trotzdem sei der Angriff durch den kriminellen Vorsatz des Täters, der in keiner Weise mit dienstlichen Umständen zusammenhänge, soweit von der militärischen Sphäre entfernt, dass er nach den allgemeinen Regeln für die Entschädigung für Verbrechensopfer - nach dem OEG - zu behandeln sei. Dies ergebe sich aus der wertenden Betrachtung des Einzelfalls, wie sie nach der Rechtsprechung des BSG vorzunehmen sei (Urteil vom 9.1.2017).

Mit seiner Beschwerde, für die er zugleich PKH beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Dieses sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen, habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und sei verfahrensfehlerhaft.

II

Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Daran fehlt es hier.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder der behauptete Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (1.), noch eine Divergenz (2.) oder eine grundsätzliche Bedeutung (3.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.

Schon daran fehlt es hier. Die Beschwerde macht zwar geltend, das LSG hätte nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor den Täter anzuhören. Sie legt aber nicht dar, einen entsprechenden Beweisantrag gestellt zu haben, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, der Täter habe angehört werden müssen.

2. Die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen legt der Kläger ebenfalls nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Darzulegen ist, dass das LSG einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).

Die Beschwerde macht geltend, die Ausführungen des LSG ließen sich mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang bringen, ohne diese indes zu zitieren, geschweige denn ihr konkrete Rechtssätze zu entnehmen und diese darzulegen. Ebenso wenig führt die Beschwerde aus, welchen abweichenden Rechtssatz das LSG genau aufgestellt haben soll. Das Berufungsgericht hat sein Urteil ausdrücklich auf eine wertende Betrachtung des Einzelfalls gestützt und sich dabei auf die Rechtsprechung des BSG berufen. Warum und wie es doch trotzdem mit einem eigenen Rechtssatz abgewichen sein sollte, legt die Beschwerde nicht dar. Soweit sie sich im Übrigen gegen die Auslegung des Begriffs der wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse durch das LSG im Einzelfall wendet, rügt sie der Sache nach nur einen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen Rechtsanwendungsfehler (error in iudicando): Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

3. Ebenso wenig dargetan ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Diese kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 50 mwN).

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit sie die nicht leicht verständliche Frage formuliert,

ob lediglich harmlose Auseinandersetzungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Voraussetzung eines entschädigungspflichtigen Wehrdienstunfalls anzusehen sind, oder aber auch wie hier vorliegend mit der Dienstverrichtung zusammenhängende kriminelle vorsätzliche Taten,

benennt die Beschwerde schon kein konkretes gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Zudem geht sie auch nicht ansatzweise auf die vorhandene und von den Vorinstanzen zitierte Rechtsprechung des BSG zum Begriff der wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse ein. Damit fehlt es an der Darlegung, warum sich die Antwort auf die von ihr formulierte Frage nicht bereits dieser Rechtsprechung entnehmen lässt.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10970263

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