Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.03.2018; Aktenzeichen S 14 KR 820/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.2019; Aktenzeichen L 5 KR 1523/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Erstattung von Kosten für die Behandlung in einer Privatklinik in Höhe von 16 831,30 Euro.
Die Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse (KK) in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert und leidet an einer wiederkehrenden depressiven Störung. Am 9.5.2016 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme einer Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik. Die Beklagte teilte der Klägerin zunächst mündlich mit, dass dies nicht in Betracht komme; mit Bescheid vom 14.6.2016 lehnte sie den Antrag ab. Bereits am 23.5.2016 hatte sich die Klägerin zur vollstationären Behandlung in die Privatklinik begeben und verblieb dort bis zum 21.6.2016. Mit ihrem auf Erstattung der Behandlungskosten gerichteten Begehren ist die Klägerin bei der Beklagten und den Instanzgerichten erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, weder nach § 13 Abs 1 SGB V noch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V noch gemäß § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V komme eine Kostenerstattung in Betracht. Die Klägerin sei bereits vor Antragstellung fest dazu entschlossen gewesen, sich unabhängig von der Entscheidung der Beklagten in der Privatklinik behandeln zu lassen. Es fehle daher der Ursachenzusammenhang zwischen Ablehnung und Kostenbelastung. Ungeachtet dessen scheitere der Anspruch an der fehlenden Zulassung der aufgesuchten Klinik (§ 108 SGB V). Eine notstandsähnliche Situation habe nicht vorgelegen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer fiktiven Genehmigung, weil die Klägerin schon vor Ablauf der Fiktionsfristen die Krankenhausbehandlung begonnen habe. Schließlich sei unerheblich, dass die Klägerin von der Beklagten nicht auf die Möglichkeit der Kostenerstattung (§ 13 Abs 2 SGB V) hingewiesen worden sei. Es fehle an der nach § 13 Abs 2 Satz 5 SGB V erforderlichen Zustimmung der KK zur Behandlung in einer Privatklinik. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht erkennbar (Urteil vom 11.12.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
1. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
a) Die Klägerin wirft zunächst die Frage auf:
"Verstoßen die Regelungen zur Kostenerstattung des § 13 SGB V gegen höherrangiges Verfassungsrecht, konkret gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG?"
Die Klägerin legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht dar. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 20.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 6). Wird - wie hier - die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft zwar die Frage nach der Vereinbarkeit der Regelungen des § 13 SGB V mit dem GG auf und führt pauschal aus, aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 Satz 1 GG) in der Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG und Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) ergebe sich die Pflicht des Staates, ein tragfähiges Gesundheits- und Krankenversicherungssystem zu schaffen. Weshalb ein solches durch die Regelungen des § 13 SGB V in Frage stehen soll, legt sie jedoch nicht dar. Insbesondere der Hinweis darauf, dass letztlich nur dann eine Kostenerstattung in Betracht komme, wenn "gesetzliche Leistungen" bei den Leistungserbringern in Anspruch genommen würden, zeigt eine Grundrechtsverletzung nicht auf, sondern beschreibt einen Grundpfeiler der GKV. Mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
Die Verfassung billigt den zuständigen staatlichen Stellen eine weite Gestaltungsfreiheit bei der Erfüllung der aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten zu (vgl BVerfG vom 5.3.1997 - 1 BvR 1071/95 ua - NJW 1997, 3085). Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die GKV dem Versicherten Leistungen nach dem allgemeinen Leistungskatalog nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt und sie zur Sicherstellung einer möglichst sachkundigen Behandlung an formelle Voraussetzungen knüpft (vgl BVerfG vom 17.12.2002 - 1 BvL 28/95 - BVerfGE 106, 275, 277, 303, 308; vgl zB im Hinblick auf die arzneimittelrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen BVerfG vom 5.3.1997 - 1 BvR 1071/95 ua - NJW 1997, 3085). Art 2 Abs 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1, Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) räumt dem Versicherten keinen subjektiven Anspruch auf die Gewährung konkreter Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung ein (vgl BVerfG vom 15.12.1997 - 1 BvR 1953/97 - juris; BVerfG vom 5.3.1997 - 1 BvR 1071/95 - ArztR 1998, 39). Auch ein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, dass ein bestimmter im SGB V nicht vorgesehener Leistungserbringer im Rahmen der GKV tätig werden darf, besteht nicht (vgl BVerfG vom 15.12.1997 - 1 BvR 1953/97 - juris). Mit diesen Maßstäben setzt sich die Klägerin mit Blick auf die Regelungen des § 13 SGB V nicht auseinander.
Soweit sie auf die Rechtsprechung des BVerfG bei Vorliegen einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit (unter Verweis auf BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 - "Nikolausbeschluss") Bezug nimmt, zeigt die Klägerin nicht auf, weshalb die dort entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben für besondere Ausnahmefälle in ihrem Fall maßstabbildend sein sollen. Die für den Senat insoweit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), dass eine lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung nicht vorlag, hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und im Übrigen auch mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.
Soweit die Klägerin aus der Verfassung ableiten will, dass auch bei Behandlung in einem Krankenhaus ohne Zulassung zur GKV (§ 108 SGB V) der "gesetzliche Teil" erstattet werden müsse, setzt sie sich mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Begrenzung des Kostenerstattungsanspruchs auf die im Leistungskatalog der GKV enthaltenen Leistungen nicht auseinander. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass § 13 Abs 3 SGB V nur die beim Versicherten konkret entstandenen Kosten für Leistungen erfasst, auf die er Anspruch hat, nicht aber die Ersparnis der KK durch eine außerhalb des Leistungskatalogs der GKV vorgenommene Behandlung. Denn anderenfalls würde die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung ohne Weiteres durchbrochen (vgl BSG vom 21.2.2006 - B 1 KR 29/04 R - juris; BSG vom 24.9.1996 - 1 RK 33/95 - BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; vgl aus dem Leistungserbringerrecht BSG vom 17.3.2005 - B 3 KR 2/05 R - BSGE 94, 213 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1). Zu dieser Rechtsprechung verhält sich die Klägerin nicht. Ihr Einwand, zwar zahle sie regelmäßig Beiträge, letztlich werde ihr jedoch der Anspruch auf Krankenbehandlung und auch auf Heilung versagt, offenbart ihre rechtspolitische Unzufriedenheit mit der Konzeption der GKV, die jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Soweit sie ihre eigene "Lage" mit vorangegangenen Aufenthalten in einer zugelassenen Klinik ins Spiel bringt, rügt sie letztlich die Unrichtigkeit der Entscheidung in ihrem konkreten Einzelfall. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann aber im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
b) Die Klägerin misst weiter folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:
"Findet auf § 13 Abs. 2 SGB V der sozialrechtliche Herstellungsanspruch Anwendung?"
Es kann offenbleiben, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert hat. Jedenfalls legt sie deren Klärungsfähigkeit nicht dar. Allein der Hinweis darauf, dass es nach Auffassung auch des LSG höchstrichterliche Rechtsprechung zu ihrer Frage noch nicht gebe, zeigt nicht auf, dass diese Frage in ihrem Fall entscheidungserheblich ist. Die Klägerin hätte sich insoweit mit den Ausführungen des LSG auseinandersetzen müssen, derzufolge es auf die Beantwortung der Frage gar nicht ankomme, weil die Beklagte ohnehin die für die Erstattung der Kosten einer Privatklinikbehandlung erforderliche Zustimmung (§ 13 Abs 2 Satz 5 SGB V) nicht erteilt habe. Warum die Beklagte zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet sein soll, legt sie nicht dar. Die Klägerin zeigt auch nicht auf, warum die - hier nach der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden (§ 163 SGG) LSG-Feststellung fehlende - Zustimmung vor der Leistungsbeschaffung als materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch überwunden werden könnte.
Insoweit setzt sie sich nicht mit den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auseinander.
c) Die Klägerin misst schließlich auch der Frage grundsätzliche Bedeutung bei:
"Darf die beantragte Leistung bereits vor Fristablauf, also vor Eintritt der Genehmigungsfiktion, der Drei-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 i.V.m. S. 6 SGB V in Anspruch genommen werden und führt die dann erst stattfindende Genehmigungsfiktion dennoch Anwendung?"
Zu dieser Frage - ihre Qualität als klar formulierte Rechtsfrage unterstellt - legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit nicht dar. Sie setzt sich schon mit dem eindeutigen Wortlaut der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V nicht auseinander. Auch die Rechtsprechung des BSG, die ausnahmslos die Fiktion an den Fristablauf knüpft, nimmt sie nicht in Bezug (vgl insbesondere BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33; BSG vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36; BSG vom 7.11.2017 - B 1 KR 24/17 R - BSGE 124, 251 = SozR 4-2500 § 13 Nr 39; BSG vom 6.11.2018 - B 1 KR 20/17 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 43; BSG vom 26.2.2019 - B 1 KR 24/18 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 46). Ihr Vorbringen, der vom LSG zitierten Entscheidung des BSG "lasse sich das Erfordernis des Fristablaufs nicht explizit entnehmen", genügt insoweit nicht. Soweit die Klägerin darüber hinaus anführt, es müsse die Möglichkeit eröffnet sein, das Risiko zu tragen, sich bereits vor Ablauf der Frist in Behandlung zu begeben und dennoch eine Genehmigungsfiktion zu erhalten, formuliert sie einen rechtspolitischen Wunsch. Eine grundsätzliche Bedeutung zur Auslegung des bestehenden Rechts legt sie damit nicht dar. Auch setzt sie sich mit der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 13 Abs 3 SGB V einerseits sowie § 13 Abs 3a SGB V andererseits nicht auseinander.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13945146 |