Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 13.12.1991) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 1991 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 1991 ist unzulässig, weil der Kläger die Beschwerde nicht substantiiert begründet hat.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Divergenz- oder Verfahrensfehler – zugelassen werden. Der Kläger hat sich auf Divergenz und auf einen Verfahrensmangel gestützt. In der Beschwerdebegründung müssen jedoch die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht und der Verfahrensmangel „bezeichnet” werden. Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung des Klägers.
Der Kläger beantragte 1982 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) oder wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Beklagte gewährte ihm Rente wegen EU auf Zeit. Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos. Der Senat hat die Sache an das LSG zurückverwiesen. Es sei festzustellen, ob der angefochtene Bescheid deshalb rechtmäßig sei, weil die im Zeitpunkt der Bescheiderteilung gestellte Prognose, der Kläger werde wieder hinreichend erwerbsfähig werden, richtig gewesen sei, dh auch, daß sie damals so habe gestellt werden dürfen. Das LSG dürfe sich nicht mit der Feststellung begnügen, der Kläger sei nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes tatsächlich nicht mehr erwerbsunfähig gewesen. Mit seinem neuerlichen Urteil vom 13. Dezember 1991, mit dem die Berufung des Klägers ebenfalls zurückgewiesen wird, führt das LSG ua aus, bei der Bescheiderteilung habe die begründete Aussicht auf Behebung der bei dem Kläger damals eingetretenen EU bestanden.
Der Kläger sieht in dem nunmehr angefochtenen Urteil die gleiche Divergenz wie im ersten Urteil des LSG. Sie ist indessen nicht bezeichnet worden. Der Tatrichter, der – nach Auffassung des Beschwerdeführers – eine unrichtige Subsumtion vorgenommen hat, ist damit noch nicht iS des Rechts der Nichtzulassungsbeschwerde von einer oberstgerichtlichen Entscheidung abgewichen. Abweichen kann der Richter der Tatsacheninstanz von bestimmten Aussagen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, indem er selbst eine andere rechtliche Aussage macht (wie es im ersten Urteil des LSG der Fall gewesen ist) oder indem er stillschweigend von einer anderen rechtlichen Aussage ausgeht. Hinter seiner Rechtsanwendung muß dann aber die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende rechtliche Auffassung erkennbar sein. Der Beschwerdeführer hat deshalb auch darzulegen, welche konkrete rechtliche, von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abweichende Aussage das angefochtene Urteil getroffen hat. Er hat im einzelnen darzutun, daß es sich nicht nur um eine falsche Subsumtion handelt, sondern, daß die angegriffene Rechtsanwendung auf einem vom Tatsachengericht unterstellten Rechtssatz beruht, der den Aussagen höchstrichterlicher Urteile widerspricht. Der Beschwerdeführer hat den vom Tatsachengericht zugrunde gelegten, der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Rechtssatz sichtbar zu machen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Dieses Sichtbarmachen einer Divergenz hat der Kläger nicht geleistet. Das LSG hat die vom BSG geforderte Prüfung vorgenommen. Es hat die Berechtigung der Prognose bejaht und damit auch, da inzwischen der Prognosezeitraum abgelaufen ist, bejaht, daß sich der Gesundheitszustand des Klägers erwartungsgemäß gebessert hat.
Auch der behauptete Verfahrensmangel, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen, ist nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger rügt, das LSG habe die Annahme, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung bezogen auf einen Versicherungsfall im Mai 1991 lägen nicht vor, nicht ausreichend begründet. Er macht damit allein geltend, der Entscheidung fehlten, bezogen auf dieses Tatbestandsmerkmal, Gründe iS von § 136 SGG. Der Senat kann hier offenlassen, unter welchen Voraussetzungen bezogen auf eine einzelne Anspruchsvoraussetzung, die in der Entscheidung zudem ausdrücklich angesprochen wird, überhaupt von einem Fehlen von Entscheidungsgründen gesprochen werden kann. Die im Urteil des 4. Senats vom 15. November 1988 (BSG SozR 1500 § 136 Nr 10) gestellten Anforderungen an die Entscheidungsgründe können nur tatsächlich streitige Sachverhalts- bzw Rechtsfragen betreffen, dh den „Streitpunkt” iS dieser Entscheidung (vgl aaO S 12). Hier hat der Kläger schon nicht dargelegt, daß die Frage, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen könnten, überhaupt eine streitige Frage war, nachdem die Beklagte eine entgegenstehende Auskunft vorgelegt hatte, von der der Kläger vor der Entscheidung des LSG Kenntnis hatte und auf die das LSG Bezug genommen hat. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen wegen unzureichender Ausführungen zu einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung kann aber überhaupt nur dann gegeben sein, wenn das Urteil auf der – zugunsten des Klägers als unrichtig unterstellten – Entscheidung hinsichtlich dieser Anspruchsvoraussetzung beruht. Dies gilt auch, wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, daß das Fehlen von Entscheidungsgründen ein absoluter Revisionsgrund ist (bisher vom BSG stets offengelassen, vgl zuletzt BSG SozR 1500 § 136 Nr 10). Ist ein Urteil wie im vorliegenden Fall überhaupt mit Entscheidungsgründen versehen, so können unvollständige oder nicht nachvollziehbare Ausführungen in den Entscheidungsgründen zu einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung dem Fehlen von Entscheidungsgründen nur gleichgestellt werden, wenn die Entscheidung über diese Anspruchsvoraussetzung entscheidungserheblich ist. Ebenso wie eine von der Rechtsauffassung des BSG abweichende Rechtsauffassung des LSG zu einer Rechtsfrage eine Abweichung von einer Entscheidung des BSG iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nur begründet, wenn die Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, dh die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht, können Entscheidungsgründe nur fehlen, wenn die unvollständigen Ausführungen eine Rechtsfrage betreffen, die entscheidungserheblich ist. Für die Rüge des Verfahrensmangels des „Fehlens von Entscheidungsgründen” in der Nichtzulassungsbeschwerde bedeutet dies, daß der Verfahrensmangel nur dann hinreichend bezeichnet ist, wenn auch dargelegt ist, daß die Entscheidung des LSG auf der – insoweit als unrichtig unterstellten – Entscheidung zu der mangelhaft begründeten Anspruchsvoraussetzung beruht. Bezogen auf das angefochtene Urteil hätte der Kläger deshalb darlegen müssen, inwiefern die Entscheidung des LSG anders ausgefallen wäre, wenn es davon ausgegangen wäre, daß bei einem Versicherungsfall im Mai 1991 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Versichertenrente wegen EU bzw BU gegeben wären. Dabei ist die Beurteilung des LSG im übrigen zugrunde zu legen. Der Kläger hat hier aber dazu lediglich ausgeführt, das LSG hätte auch prüfen müssen, ob im Mai 1991 der Versicherungsfall der BU bzw EU eingetreten ist. Nachdem das LSG für die Zeit vorher BU und EU verneint hatte, hätte hier zumindest dargelegt werden müssen, weshalb das LSG diese Beurteilung für die Zeit über Mai 1991 hinaus nicht weiter zugrunde legen konnte. Es hätte zumindest aufgezeigt werden müssen, aus welchem konkreten Grund Anlaß für das LSG bestanden hätte, erneut Ermittlungen zum Eintritt des Versicherungsfalles anzustellen.
Soweit der Kläger rügt, das LSG habe das Vorliegen von BU überhaupt nicht geprüft, ist auch damit kein Verfahrensmangel bezeichnet. Der Kläger weist selbst darauf hin, daß das LSG auf sein Urteil vom 13. November 1987 Bezug genommen habe. Das ist im vorliegenden Fall zulässig gewesen, denn es handelt sich um ein Urteil, das zwar vom erkennenden Senat aufgehoben, aber im Berufungsrechtszug ergangen ist. Es wäre sinnlose Schreibarbeit, wollte man das LSG verpflichten, die in der ersten Entscheidung getroffenen Feststellungen, soweit sie nunmehr nicht mehr strittig sind – und Gegenteiliges wird vom Kläger nicht behauptet –, in der neuen Entscheidung zu wiederholen.
Die Beschwerde des Klägers ist damit unzulässig und durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 202 SGG iVm § 574 Zivilprozeßordnung und § 169 SGG analog; vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG aaO, Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen