Orientierungssatz
In welcher Weise sind Versicherungszeiten zu berücksichtigen, wenn ein Versicherter solche Zeiten sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in mindestens zwei ausländischen Staaten zurückgelegt hat, die mit der Bundesrepublik Deutschland durch je ein zweiseitiges Sozialversicherungsabkommen verbunden sind,
a. sofern die Versicherungszeit, die für die Begründung eines deutschen Rentenanspruchs mindestens erforderlich ist, nur bei Zusammenrechnung aller zurückgelegten Versicherungszeiten erreicht wird,
b. sofern zwar ein Rentenanspruch auch bereits durch die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland und in einem Abkommensstaat begründet wird, sich aber bei bloßer Berücksichtigung der beiden Zeiten ein anderer deutscher Rentenanspruch ergeben würde als bei Berücksichtigung aller Versicherungszeiten?
Vorlagebeschluß gemäß § 43 SGG.
Normenkette
RVO § 1250 Abs 1; SozSichAbk AUT Art 2 § 3; SozSichAbk YUG Art 2; RVO § 1258 Abs 1
Verfahrensgang
Tatbestand
In der Streitsache - 4 RJ 117/79 - nimmt der Kläger die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) O auf Gewährung von Berufsunfähigkeits- bzw Erwerbsunfähigkeitsrente in Anspruch; streitig ist die Erfüllung der Wartezeit.
Für den im Jahre 1921 geborenen Kläger, der jugoslawischer Staatsangehöriger ist, sind an Versicherungszeiten 17 Kalendermonate in Österreich und 40 Kalendermonate in der Bundesrepublik Deutschland nachgewiesen. Aufgrund einer Beschäftigung vom 21. Februar 1949 bis 31. Oktober 1949 besteht zusätzlich noch eine jugoslawische Versicherungszeit von 8 Monaten und 11 Tagen. Am 9. September 1974 nahm der Kläger in Jugoslawien wieder eine - vollschichtige - Beschäftigung auf.
Den im April 1972 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufsunfähigkeits- bzw Erwerbsunfähigkeitsrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. März 1973 ab mit der Begründung, der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei zwar am 8. Oktober 1971 eingetreten; die erforderliche Wartezeit sei jedoch nicht erfüllt.
Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- München vom 20. Februar 1976, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 6. Dezember 1978). Das SG hat die LVA N beigeladen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art 2 Abs 3 des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens (dt.-österr. Abkommen) und des Art 2 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens (dt-jugoslaw. Abkommen).
Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 1978 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Februar 1976 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 1973 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 8. Oktober 1971 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Die Beigeladene beantragt, die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 1978 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der 4. Senat legt dem Großen Senat eine für die Entscheidung von drei verschiedenen Rechtsstreitigkeiten erhebliche Rechtsfrage vor, die eine Rechtsfortbildung erfordert. Die Frage tritt nicht nur in der Vorlagesache - 4 RJ 117/79 - auf, sondern auch in den beiden Streitsachen - 4 RJ 97/80 - und - 4 RJ 107/80 -; ihre Bedeutung und ihr Umfang werden aber nach Auffassung des 4. Senats erst im Zusammenhang aller drei Sachen deutlich.
In dieser Streitsache - 4 RJ 117/79 - (ebenso wie in der Streitsache 4 RJ 97/80) hängt die Entscheidung über die Revision davon ab, ob die in der Bundesrepublik Deutschland und die in den jeweiligen beiden anderen Abkommensstaaten nachgewiesenen Versicherungszeiten zum Zwecke des Erwerbs eines Rentenanspruchs aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für die Erfüllung der Wartezeit zusammengerechnet werden können.
In der Streitsache - 4 RJ 107/80 - wird zwar die für die Gewährung von Hinterbliebenenrenten erforderliche Mindestversicherungszeit bereits durch Zusammenrechnung der deutschen mit den österreichischen Versicherungszeiten erreicht. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der jugoslawischen Versicherungszeit ist der Rentenanspruch aber wesentlich anders rechtlich zu beurteilen. Das zeigt sich bei einer Gegenüberstellung der das sozialgerichtliche Urteil ausführenden Bescheide der Beklagten vom 16. Februar 1981 mit den - während des Revisionsverfahrens erlassenen - Rentenbewilligungsbescheiden der Beigeladenen: Die Berücksichtigung der jugoslawischen Versicherungszeit bewirkt, daß die Witwenrente voll zur Auszahlung gelangt, während bei Nichtberücksichtigung der jugoslawischen Versicherungszeit die in den §§ 1315 ff Reichsversicherungsordnung (RVO) neuer Fassung getroffene Regelung zum Tragen kommt und die Rente nur in niedrigerer Höhe gezahlt wird.
Der 4. Senat ist der Auffassung, daß die von ihm dem Großen Senat in diesem Zusammenhang vorgelegten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung der Fortentwicklung des Rechts dienen und von so wesentlicher Bedeutung sind, daß sie die Entscheidung des Großen Senats erfordern (§ 43 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Der 4. Senat übersieht nicht, daß die Vorlagefragen nicht ausschließlich auf die Fortbildung des Rechts gerichtet sind, sondern möglicherweise auch eine Divergenz zur bisherigen Rechtsprechung einschließen. So hat der 11. Senat in der Ausgangsentscheidung vom 8. März 1972 - 11 RA 46/71 - (= BSGE 34, 90 ff = SozR Nr 5 zu § 1263 RVO) und auch der 1. Senat (Urteile vom 12. November 1980 - 1 RJ 112/79 - = BSGE 51, 5 ff = SozR 6930 Art 27 Nr 1 und vom 9. Dezember 1981 - 1 RJ 154/80 - = SozR 6555 Art 34 Nr 1) hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Versicherungszeiten in derartigen Fällen bereits dahin erkannt, daß alle in bilateralen Abkommen erfaßten Versicherungszeiten anrechnungsfähig seien, wenn nur auf diese Weise die erforderliche Mindestversicherungszeit erfüllt werde. Der 4. Senat, der auch im gleichen Sinne entschieden hatte (Urteil vom 29. März 1973 - 4 RJ 351/71 - = SozR Nr 2 zu Abk USA Art IV v. 29. Oktober 1954 und vom 14. Juli 1977 - 4 RJ 53/76 - = SozR 2200 § 1250 Nr 11), läßt nunmehr offen, welches Ergebnis aus den versicherungsrechtlichen Tatbeständen zu gewinnen ist; er hält jedoch nach nochmaliger eingehender Prüfung der Rechtslage in Beachtung der zahlreichen entgegenstehenden Äußerungen im Schrifttum und unter Würdigung einer vom Senat eingeholten Auskunft des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMAuS) vom 21. April 1982 den beschrittenen Lösungsweg aus rechtlichen Erwägungen für nicht gangbar.
Der Sachverhalt der Streitsache - 4 RJ 107/80 - zeigt zudem, daß die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit von Versicherungszeiten aus mehreren Abkommensstaaten nicht nur Bedeutung für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit (Wartezeit) hat. Sie wirkt sich vielmehr auch auf die Rentenhöhe aus. Es handelt sich mithin um einen ganzen Fragenkomplex, der einer Gesamtlösung bedarf (Beschluß des Großen Senats vom 11. Dezember 1969 - GS 4/69 - = BSGE 30, 167, 170). Die Vorlage nach § 43 SGG erscheint daher geboten (Beschluß des Großen Senats vom 9. Dezember 1975 - GS 1/75 - = BSGE 41, 41, 43).
Der Kläger macht einen Anspruch auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit geltend. Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 8. Oktober 1971 eingetreten sei; an die dieser Beurteilung zugrundeliegenden - mit Revisionsrügen nicht angegriffenen - Tatsachenfeststellungen ist der erkennende Senat gebunden (§ 163 SGG).
Die Beteiligten streiten demgemäß nur um die erforderliche Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 1246 Abs 3, 1247 Abs 3 Buchst a) RVO). Diese Mindestversicherungszeit wird bei bloßer Anwendung des dt.-österr. Abkommens vom 22. Dezember 1966 (BGBl II 1969, 1235) in der Fassung des Ersten Zusatzabkommens vom 10. April 1969 (BGBl II, 1261) durch die in Art 26 Abs 1 Satz 1 vorgesehene Zusammenrechnung der 40 deutschen Kalendermonate mit den 17 österreichischen nicht erreicht. Auch die Heranziehung nur des dt.-jugoslaw. Abkommens vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, 1438) führt zu demselben negativen Ergebnis: Bei Zusammenrechnung der deutschen mit den jugoslawischen Versicherungszeiten gemäß Art 25 Abs 1 Satz 1 ergibt sich lediglich eine Gesamtversicherungszeit von 49 Kalendermonaten (= 40 deutsche und 9 jugoslawische Monate). Erst die Zusammenrechnung aller Versicherungszeiten ergibt eine ausreichende Gesamtversicherungszeit von über 60 Kalendermonaten.
Für einen derartigen "multilateralen" Rentenanspruch fehlt es - abgesehen von der Zusammenrechenbarkeit dem Grunde nach - auch an Rentenberechnungsvorschriften. Die einschlägigen Bestimmungen der beiden Abkommen sind ausschließlich auf die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten der jeweiligen Abkommensstaaten zugeschnitten. Die Fremdstaaten-Versicherungszeiten bleiben bei der Berechnung des deutschen Rentenanspruchs grundsätzlich außer Betracht. Nur dann, wenn - wie hier - eine Versicherungszeit von weniger als 12 Kalendermonaten vorhanden ist, wird nach Art 25 Abs 2 des dt.-jugoslaw. Abkommens diese ("Mini"-) Versicherungszeit vom anderen Vertragsstaat honoriert und für die Rentenberechnung dessen Versicherungszeiten gleichgestellt; das gilt jedoch nur dann, wenn nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten ein Rentenanspruch besteht. Daraus folgt, daß eine selbständige Berücksichtigung der jugoslawischen Mini-Versicherungszeit nach den Abkommen unzulässig ist; sie könnte allenfalls wie eine deutsche Versicherungszeit angerechnet werden. Eine solche Anrechnung hätte jedoch Auswirkungen auf die Rentenhöhe.
Schließlich stellt sich im Hinblick auf die unter II angeführten Urteile des 1. Senats vom 12. November 1980 - 1 RJ 112/79 - und vom 9. Dezember 1981 - 1 RJ 154/80 - noch die Frage, welcher Rentenversicherungsträger für die Entscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch zuständig ist. Bei Anwendung beider Abkommen käme danach die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach § 1630 Abs 2 RVO und außerdem die der letztentscheidenden Vertrags-Verbindungsstelle in Betracht. Hätte aber die jugoslawische Mini-Versicherungszeit keine selbständige Bedeutung, könnten wohl dieser Vertrags-Verbindungsstelle keine Zuständigkeitsbefugnisse mehr eingeräumt werden, und es bliebe die Frage, ob dann nur noch die Verbindungsstelle nach dem dt.-österr. Abkommen zuständig wäre.
1. Die "multilaterale" oder "abkommensübergreifende" (diesen Begriff verwendet Frank SGb 1981, 291) Zusammenrechnung von Versicherungszeiten hat in der Rechtsprechung des BSG bisher nur eine Rolle gespielt, wenn die aufgrund eines bilateralen Abkommens anrechenbaren Versicherungszeiten für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit nicht ausreichten oder, anders gewendet: "Multilateral" zusammengerechnet wurden die Versicherungszeiten ausschließlich dann, wenn dies zur Erfüllung der Wartezeit erforderlich war (so ausdrücklich der 11. Senat im Urteil vom 8. März 1972 11 RA 46/71 = BSGE 34, 90, 92: "... bis zur Erfüllung der Wartezeit" und der 1. Senat im Urteil vom 12. November 1980 - 1 RJ 112/79 = SozR 6930 Art 27 Nr 1 S 6: "... zum Zwecke der Erfüllung der Wartezeit"). Die Rentenversicherungsträger haben sich bislang geweigert, dieser Rechtsprechung des BSG zu folgen (vgl Frank SGb 1981, 291 ff und Anmerkung zum Urteil vom 9. Dezember 1981 - 1 RJ 154/80 - DAngVers 1982, 218 ff; vgl auch die Ausführungen von Frank zum Abkommen mit Finnland DAngVers 1979, 278 ff; aus der Sicht der Träger der Arbeiterrentenversicherung: Wanders, DRV 1982, 60 ff).
Schon hier stellt sich die Grundsatzfrage: Wenn Versicherungszeiten verschiedener Abkommensstaaten - ihrem Wesen nach, dh ohne Zuhilfenahme weiterer Rechtsnormen - zusammenrechnungsfähig wären, dann müßte die Zusammenrechnung immer erfolgen, wenn solche Zeiten vorhanden sind. Die Addition aller Versicherungszeiten könnte nicht auf die Fälle beschränkt sein, in denen durch die Zusammenrechnung die Wartezeit erfüllt, bei Nichtzusammenrechnung aber die Wartezeit verfehlt würde. Es gibt im gesamten Rentenversicherungssystem keine Vorschrift, die die Anrechnung einer Versicherungszeit von einer derartigen, einer ähnlichen oder einer überhaupt nur vergleichbaren Bedingung abhängig machte. Die Zusammenrechnung müßte vielmehr auch dann eintreten, wenn zwar die Wartezeit bereits aufgrund eines Abkommens erfüllt wäre, der Versicherte aber außerdem noch Versicherungszeiten in einem anderen Abkommensstaat aufzuweisen hätte. Dabei müßte es auch gleichgültig sein, ob er mit Hilfe dieser anderen Versicherungszeiten möglicherweise die Wartezeit ebenfalls erfüllt hätte oder nicht.
a) Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung muß die Frage nach der Rechtsnatur der Rechtsquellen sein. Insoweit bedarf es - zu diesem Punkt stimmen alle Auffassungen überein - keiner besonderen Darlegungen, daß die jeweiligen bilateralen Sozialversicherungsabkommen völkerrechtliche Verträge sind. Durch ein Zustimmungsgesetz (Art 59 Abs 2 Satz 1 GG) wird ein völkerrechtlicher Vertrag dem innerdeutschen Recht einverleibt. Die Transformation bewirkt, daß ein Satz völkerrechtlichen Charakters verwandelt wird in einen Satz innerstaatlichen Charakters. Die Art des Rechtssatzes wird also durch das Transformieren geändert; dazu ist ein innerstaatlicher Akt erforderlich (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand März 1964, Art 25 RdNr 7).
aa) Nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG ist für den deutschen Transformationsakt die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes vorgeschrieben. Daß die Regierung zum Abschluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten der Zustimmung des Parlaments bedarf, ist daher geschriebenes Verfassungsrecht und nicht nur "ein Satz gemeindeutschen Verfassungsrechts" (so Urteil vom 12. November 1980 - 1 RJ 112/79 - = SozR 6930 Art 27 Nr 1 S 5; der angezogenen Entscheidung BVerfG, Urteil vom 28. Juli 1955 - 2 BvH 1/54 = BVerfGE 4, 250, 276, lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem gemeindeutsches Verfassungsrecht bemüht werden mußte).
Das Bundesgesetz nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG, das sogen. Zustimmungs- oder Vertragsgesetz, hat einen doppelten Charakter (BVerfG, Urteil vom 30. Juli 1952 - 1 BvF 1/52 = BVerfGE 1, 396, 410f; BGH, Urteil vom 25. Juni 1969 - I ZR 15/67 = NJW 1969, 2083, 2084): Es stellt sich als Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften dar, mit dem der Bundespräsident, der den Bund völkerrechtlich vertritt (Art 59 Abs 1 Satz 1 GG) und deshalb für den Abschluß der Staatsverträge zuständig ist (Art 59 Abs 1 Satz 2 GG), ermächtigt - nicht verpflichtet - wird, den Vertrag für die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verbindlich abzuschließen. Das Zustimmungsgesetz hat aber weiterhin noch die Bedeutung, dem Inhalt des völkerrechtlichen Vertrages die Geltung als innerstaatliches deutsches Recht zu verleihen (Transformation). Dies kommt besonders deutlich in der jetzt allgemein in den Vertragsgesetzen üblichen Vorschrift zum Ausdruck, wonach der Vertrag "mit Gesetzeskraft" veröffentlicht wird.
Gleichwohl weist das Zustimmungsgesetz Besonderheiten gegenüber den sonstigen ("normalen") Gesetzen auf, denn es fehlt ihm der eigene materielle Regelungsgehalt. § 82 Abs 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GeschO-BT) erklärt ausdrücklich Änderungsanträge zu Verträgen mit auswärtigen Staaten für unzulässig. Eine besondere Schlußabstimmung findet nicht statt (§ 86 Satz 4 GeschO-BT). Aus diesen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages geht hervor, daß vorgelegte Sozialversicherungsabkommen nur in ihrer Gesamtheit zur Beschlußfassung anstehen; es kann also nur zu der Vorlage im ganzen Stellung genommen werden. Der Sinn liegt auf der Hand: Verträge mit ausländischen Staaten werden von den Regierungen ausgehandelt; den Inhalt und den Wortlaut stellen dabei die Exekutivorgane der vertragschließenden Staaten in eigener Verantwortung fest. Die gesetzgebenden Körperschaften haben die Möglichkeit, die ausgehandelte Regelung in toto zu billigen oder sie zu mißbilligen; die einzelnen Vertragsbestimmungen hingegen dürfen nicht geändert werden (Möller, DÖV 1963, 168, 169). Damit stellt das Zustimmungsgesetz als Grundlage für die Transformation einen eher formellen, nach innerstaatlichem Recht vorgeschriebenen Akt dar, der an dem materiellen Gehalt des Abkommens nichts zu ändern vermag und auch den Vertragsnormen keinen anderen rechtlichen Inhalt verleiht. Das zeigt sich ua daran, daß durch eine Verletzung innerstaatlicher Vorschriften, zB beim Gesetzgebungsverfahren, zwar die innerstaatliche Wirkung, aber - möglicherweise - nicht die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Vertrages berührt wird (BVerfGE aaO, S 413).
bb) Die in das innerstaatliche Recht übernommenen Vertragsbestimmungen nehmen als innerstaatliche Rechtssätze den Rang einfachen Bundesrechts ein. Diese - formale - Erwägung besagt allerdings noch nichts darüber, in welchem Verhältnis die Abkommensregelungen zu den übrigen - gleichrangigen - innerstaatlichen Rechtsnormen stehen.
Nach Auffassung des 4. Senats sind die Abkommensbestimmungen gegenüber den allgemeinen bundesgesetzlichen Vorschriften als lex specialis aufzufassen. Als von den Völkerrechtssubjekten vereinbartes Sonderrecht gehen die Vertragsnormen gleichlautenden oder entgegenstehenden anderen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vor (BSG, Urteil vom 14. Februar 1968 - 1 RA 75/67 = SozR Nr 10 zu § 1268 RVO Bl Aa 11 und Aa 11 R; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, S 410; Koch/Hartmann, Bd VI, Anm 1 zu Art 2 deutsch-schweizerisches Abkommen; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 4. Aufl, RdNr 404; Müller, Mitt LVA Oberfr. 1980, 105, 111). Das ergibt sich nicht nur aus der Art und Weise ihres Zustandekommens, sondern vor allem aus dem auf dem übereinstimmenden Willen der Abkommensstaaten beruhenden Vertragsinhalt. Denn Staatsverträge verlieren durch ihre Transformierung in das innerstaatliche Recht nicht ihre Eigenschaft als Vertrag zwischen Staaten (BGH NJW 1969, 2083, 2084).
Vertraglich vereinbart ist in den Zusammenrechnungsvorschriften der bilateralen Abkommen nach dem übereinstimmenden Willen der vertragschließenden Parteien aber jeweils nur die Zusammenrechnung der in den beiden Abkommensstaaten zurückgelegten bzw anrechnungsfähigen Versicherungszeiten (Art 25 Abs 1 Satz 1 dt.-jugoslaw. Abkommen, Art 26 Abs 1 Satz 1 dt.-österr. Abkommen sowie Art 27 dt.-türk. Abkommen vom 30. April 1964 - BGBl II 1965, 1170 - idF des Änderungsabkommens vom 28. Mai 1969 -BGBl II 1972, 2-). Die Regelungen in den Abkommen beschränken sich ausdrücklich auf diese - gegenseitig vorausgesetzte - Zusammenrechnungsmöglichkeit; sie beruht auf dem Gegenseitigkeits- oder Reziprozitätsprinzip als maßgeblicher Zielsetzung beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge (vgl BSG, Urteil vom 14. Februar 1968 aaO; Schuler, ZfS 1982, 129, 130, der darauf hinweist, daß dieses Prinzip auch Maßstab für die Entscheidung des BVerfG vom 20. März 1979 zu § 94 Abs 1 Nr 1 AVG aF gewesen ist).
Die Berücksichtigung von Versicherungszeiten, die der Versicherte in einem dritten, nicht an diesem Abkommen beteiligten Staat (= Drittstaat) zurückgelegt hat, ist demgegenüber vertraglich nicht geregelt. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts läßt sich schon daraus schließen, daß die vertragschließenden Parteien eine Anwendung der Vertragsregelungen im Zusammenhang mit anderen als den in den Abkommen aufgeführten Versicherungszeiten nicht beabsichtigt haben. Sofern die Abkommensstaaten das Verhältnis zu Drittstaaten für regelungsbedürftig erachteten, haben sie eine ausdrückliche Bestimmung, die dieses Verhältnis anspricht, in den Vertrag aufgenommen (vgl Art 2 Abs 3 dt.-österr. Abkommen sowie die Parallelbestimmungen in Art 2 Abs 2 dt.-jugoslaw. Abkommen und Art 2 dt.-türk. Abkommen). Im dt.-österr. Abkommen wird zudem die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten ausdrücklich auf Zeiten beider Vertragsparteien beschränkt, die "in dessen Versicherung" zurückgelegt sind (Art 26 Abs 1 Satz 2) und damit die Berücksichtigung von Zeiten in Drittstaaten ausgeschlossen.
Wenn in den Abkommen die versicherungsrechtliche Behandlung von Zeiten in Drittstaaten nicht geregelt worden ist, dann vermag der zu den Versicherungszeiten in den beiden Staaten vereinbarte Regelungsinhalt auch nur im Gegenseitigkeitsverhältnis rechtliche Bedeutung zu erlangen; eine darüber hinausgreifende Wirkung kommt ihm nicht zu. Denn der übereinstimmend erklärte Wille der Vertragspartner beim Abschluß des Vertrages ist für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge ausschlaggebend. Der Grund hierfür ist in der bereits angeführten Entscheidung des BSG vom 14. Februar 1968 aaO, genannt; in etwas anderem Zusammenhang heißt es dort: "Anderenfalls würden die Ausgangspunkte jeder zwischenstaatlichen Regelung, die Grundsätze der Gegenseitigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung in Frage gestellt, die Ausgangspositionen für Gegenseitigkeitsabkommen verändert und der Abschluß von Sozialversicherungsabkommen erschwert, weil das Interesse des anderen Staates an einer zusätzlichen vertraglichen Regelung entfallen könnte."
Auch im Wege der Abkommensauslegung läßt sich den Abkommensstaaten ein Wille zur "multilateralen Zusammenrechnung" von Versicherungszeiten nicht unterstellen. Denn das bedeutete nicht nur, sich in Widerspruch zu dem erklärten Willen der Abkommensstaaten zu setzen, es fände sich für einen derartigen hypothetischen Willen auch keinerlei Anhalt.
cc) Die "multilaterale" Anrechnung von Abkommenszeiten beruht auf der These, der effektivste Schutz der Wanderarbeitnehmer gebiete eine solche Berücksichtigung. Diese These hält einer Nachprüfung nicht stand.
Der Schutz der Wanderarbeitnehmer wird erst durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge realisiert. So ist es im EG-Bereich geschehen, hat Aufnahme in die Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft gefunden (vgl Art 51 des EWG-Vertrages) und muß deshalb auch als Auslegungsrichtlinie für diesen Regelungsbereich herangezogen werden, wobei darauf hinzuweisen ist, daß es sich dabei um eine multilaterale Regelung handelt, während die in Rede stehenden Abkommen lediglich bilaterale Regelungen enthalten.
Der Umstand, daß das Übereinkommen Nr 48 vom 22. Juni 1935 über die Herstellung eines internationalen Gegenseitigkeitsverhältnisses für die Wahrung der Rechte in der Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung -IAO-Übereinkommen Nr 48 (Fundstelle bei Schuler ZfS 1982, 129, 132 in Fußnote 31) bis zum heutigen Tage weitgehend nicht ratifiziert worden ist, insbesondere nicht von der Bundesrepublik Deutschland, zeigt gerade, daß der Schutz der Wanderarbeitnehmer als internationaler Grundsatz noch nicht gilt und auch für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland nicht als legislative Maxime zu werten ist. Es trifft zwar zu, daß dann, wenn alle Staaten des Europarates der Europäischen Konvention vom 14. Dezember 1972 beigetreten sein sollten, die anspruchsstützende multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten in verschiedenen Ländern allgemein vorgeschrieben sein wird. Allein gerade daraus wird deutlich, daß jedenfalls bis jetzt ein derartiger Schutz der Wanderarbeitnehmer im Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung nicht generell geltendes Recht ist. Die multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten kann vielmehr nur dann vorgenommen werden, wenn schon ratifizierte mehrseitige Abkommen wie zB das Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bereich der Sozialen Sicherheit - Dachabkommen - vom 9. Dezember 1977 (BGBl II 1980, 796) dies vorschreiben.
Die schriftliche Auskunft des BMAuS vom 21. April 1982 - sie ist der Vorlageentscheidung als Anlage beigefügt - stellt nach Auffassung des 4. Senats klar, daß eine vertragliche Regelung der Anrechnung von Versicherungszeiten in Drittstaaten deshalb in den Abkommen unterblieben ist, weil es "für die deutsche Verhandlungsdelegation außer Frage gestanden habe, daß diese nicht durch zweiseitige, sondern nur durch entsprechende mehrseitige Sozialversicherungsabkommen ermöglicht werden könne und solle". Diese Auskunft des bei den Vertragsverhandlungen beteiligten Fachministers belegt, daß ein hypothetischer, dh im Abkommen ohne Niederschlag gebliebener Wille zur Drittanrechnung schon deshalb nicht fingiert werden kann, weil von einem dem "multilateralen Effekt" konträren Willen auszugehen ist. Bei der Auslegung von Sozialversicherungsabkommen ist aber die Auffassung des beim Zustandekommen eines solchen Abkommens beteiligten Fachministers wegen dessen Kenntnis der Zusammenhänge und der mit dem Abkommen verbundenen Vorstellungen beider Vertragsteile von nicht geringer Bedeutung (BSG, Beschluß vom 2. März 1976 - 12/11 BA 116/75 = SozR 1500 § 160 Nr 17 -Leitsatz 3-).
Die - vom BMAuS ausführlich wiedergegebene - Abkommensentwicklung zeigt zudem, daß beim Abschluß neuer Abkommen in diesen der Ausschluß der Drittanrechnung ausdrücklich vertraglich festgeschrieben und damit völkerrechtlich verbindlich festgelegt worden ist. Beispielhaft anzuführen ist in diesem Zusammenhang Art 2 Abs 2 des Dachabkommens, eine Vorschrift, die vom Wortlaut her mit Art 2 Abs 3 dt.-österr. Abkommen praktisch kongruent ist (das Wort "dritten" ist ersetzt worden durch "anderen" Staaten). Im Schlußprotokoll zum Dachabkommen (BGBl II 1980, 795) wird unter I zu Art 2 Abs 2 erläuternd ausgeführt: "Sind außer den Voraussetzungen für die Anwendung des Übereinkommens auch die Voraussetzungen für die Anwendung eines anderen Abkommens oder einer überstaatlichen Regelung erfüllt, so läßt der deutsche Träger bei der Anwendung des Übereinkommens das andere Abkommen oder die überstaatliche Regelung unberücksichtigt, soweit diese nichts anderes bestimmen" (vgl auch die Denkschrift zum Dachabkommen BR-Drucks 625/79).
Der Schutz der Wanderarbeitnehmer als universelles - den "multilateralen Effekt" tragendes - rechtsbegründendes Prinzip dürfte im übrigen nicht auf diejenigen Versicherten beschränkt bleiben, die eine Rente von einem deutschen Rentenversicherungsträger begehren. Dieses Schutzprinzip müßte vielmehr gleichermaßen auch zu Gunsten derjenigen Versicherten eingreifen, die Rentenansprüche gegen den Sozialversicherungsträger eines mit der Bundesrepublik Deutschland durch ein bilaterales Abkommen verbundenen ausländischen Staates geltend machen. Das ist aber nicht den Fall, denn außerhalb des Geltungsbereichs der RVO wird ein derartiges zu Rentenleistungen führendes Prinzip - soweit ersichtlich - weder anerkannt noch angewandt. Demgemäß bevorzugt der "multilaterale Effekt" allenfalls eine bestimmte Gruppe der Wanderarbeitnehmer, während eine andere Gruppe dieser Vergünstigung in ausländischen Staaten nicht teilhaftig und damit benachteiligt wird.
b) Die Abkommensvorschriften über die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten werden auch durch verfassungsrechtliche Normen nicht verändert. Daß die Abkommensbestimmungen den Verfassungsnormen "unterworfen" (so Urteil vom 9. Dezember 1981 - 1 RJ 154/80 - auf S 10) sind, kann nicht zweifelhaft sein, bleibt aber mindestens so lange ohne rechtliche Bedeutung, als nicht die Abkommensvorschriften dem höherrangigen Verfassungsrecht widersprechen. Ein solcher Widerspruch ist jedoch nach Auffassung des 4. Senats nicht erkennbar.
Gewiß ist der Rentenversicherungsträger nach dem "Verfassungsgebot" (so das angeführte Urteil vom 9. Dezember 1981 aaO) des Art 20 Abs 3 GG an die in den Abkommen vereinbarten Regelungen als geltendes innerstaatliches Gesetzesrecht gebunden; deshalb hat er auch alle in Betracht kommenden Abkommen anzuwenden. Daraus folgt aber keineswegs schon ein Recht des Versicherten - mit dazu korrelierender Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers -, "völkervertragliche Begünstigungen in der Person desselben Rentenbewerbers" (so das Urteil vom 9. Dezember 1981 auf S 11) materiellrechtlich zu kumulieren. Denn die in Art 20 Abs 3 GG statuierte Bindungswirkung der Exekutive und der Judikative an das von der Legislative gesetzte Recht besagt noch nichts über die aus der Gesetzesanwendung sich ergebenden Rechtsfolgen; die inhaltliche Bindung resultiert aber erst aus dem Gesetz selbst (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz aaO Art 20 RdNr 26).
Vom materiellen Leistungsrecht der Vorschriften der RVO abweichende Rechte werden durch die speziellen, in die Sonderrechtsmasse des jeweiligen Abkommens eingebundenen Abkommensbestimmungen nur dann begründet, wenn der Versicherte - im Rahmen des persönlichen Geltungsbereichs des Abkommens - die in den Abkommensregelungen niedergelegten rechtserheblichen Tatbestände erfüllt. Ein Rentenanspruch außerhalb der RVO läßt sich nur dann auf ein Abkommen stützen, wenn die deutschen und die Fremdstaaten-Versicherungszeiten des anderen Abkommensstaates zusammengenommen für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit ausreichen. Wird hingegen die Mindestversicherungszeit nicht erfüllt, entstehen aus den jeweiligen bilateralen Abkommen nicht irgendwelche "Anrechnungsrechte", die addiert werden könnten, weil solche Rechte in den Abkommen nicht vertraglich vereinbart sind. Art 20 Abs 3 GG vermag den insoweit fehlenden Rechtsbegründungswillen der Abkommensstaaten nicht zu ersetzen; denn diese Verfassungsnorm enthält kein materielles Sozialversicherungsrecht.
c) Die in den bilateralen Abkommen vereinbarte Zusammenrechnung von Versicherungszeiten verleiht den jeweiligen Fremdstaaten-Versicherungszeiten nicht den Charakter "deutscher" Versicherungszeiten iS des § 1250 Abs 1 RVO (aA: Gobbers, Gestaltungsgrundsätze des zwischenstaatlichen und überstaatlichen Sozialversicherungsrechts, 1980, S 92; derselbe SGb 1978, 417, 419; Lüdtke BArbBl 1974, 324, 326). Davon geht auch der 11. Senat in der Entscheidung vom 8. März 1972 - 11 RA 46/71 - (BSGE 34, 90, 91) aus, wenn er ausführt, daß "der Beklagten zuzugeben sei, daß ...die ausländischen Zeiten nicht zu deutschen Versicherungszeiten würden". Das ergibt sich einmal aus § 1250 Abs 1 RVO selbst, denn in dieser Vorschrift werden nur Beitragszeiten, das sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früherem Reichsrecht Beiträge entrichtet sind (Buchst a), und Ersatzzeiten (Buchst b) aufgeführt. Die Fremdstaaten-Versicherungszeiten werden aber durch die Abkommen nicht in das Bundesrecht transferiert, sondern sie werden aufgrund der als lex specialis anzusehenden Zusammenrechnungsvorschriften lediglich unter den Kautelen des jeweiligen Abkommens als anrechnungsfähig angesehen.
In den in Frage stehenden bilateralen Abkommen findet sich nämlich keine als Versicherungslastregelung zu qualifizierende Bestimmung, nach der die Versicherungszeiten des jeweiligen anderen Abkommensstaates zu Versicherungszeiten des Staates würden, gegen den sich der nach Abkommensrecht begründete Leistungsanspruch richtete. Lediglich durch eine Versicherungslastregelung könnten die Versicherungszeiten als Zeiten nach den Rechtsvorschriften des Staates, nach denen sie zurückgelegt sind, endgültig ausscheiden und zu echten Zeiten nach den Rechtsvorschriften des Staates werden, der diese Zeiten zu übernehmen hat (vgl zB Klitscher, DAngVers 1976, 217, 219).
Es fehlt aber nicht nur an einer derartigen Versicherungslastregelung. Auch ein Wille zur Gleichstellung der Fremdstaaten-Versicherungszeiten mit den eigenen Versicherungszeiten kann den vertragschließenden Staaten nicht unterstellt werden. Die ("Mini-")Versicherungszeitenregelungen, die sich in allen in Rede stehenden Abkommen finden, zeigen, daß die Vertragsparteien zwar bestimmte Gleichstellungen in den Abkommen vereinbart, diese aber nur für einen ganz eng begrenzten Tatbestand vorgesehen haben.
Für Versicherungszeiten von über 12 Monaten (diese Grenze gilt nach Art 25 Abs 2 dt.-jugoslaw. Abkommen und Art 26 Abs 4 dt.-österr. Abkommen) bzw sechs Monaten (diese Grenze gilt nach Art 27 Ziff 3 dt.-türk. Abkommen) ist demgemäß eine generelle Gleichstellungsvorschrift, etwa vergleichbar der Vorschrift des § 15 Fremdrentengesetz (FRG), in den Abkommen nicht aufzufinden. Die Anrechnungsfähigkeit der Fremdstaaten-Versicherungszeiten bestimmt sich vielmehr ausschließlich nach dem Recht des jeweiligen anderen Vertragsstaates, der diese Zeiten, für die deutsche Rentenversicherung verbindlich, der zuständigen deutschen Verbindungsstelle meldet; nicht etwa qualifiziert jeder Vertragsstaat die Tatsachen, die sich unter der Herrschaft des fremden Rechts ereignet haben, nach seinem eigenen Recht (Selb, VSSR Bd 4, 1976, 293, 302). Die Auffassung, daß die in den Vertragsausländern zurückgelegten Versicherungszeiten so zu behandeln seien, als wären sie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt (so das Urteil vom 9. Dezember 1981 - 1 RJ 154/80 - auf S 11), findet deshalb weder in den Abkommen noch im innerdeutschen noch im sonstigen Recht eine Grundlage.
Noch ein weiteres Bedenken spricht dagegen, die Fremdstaaten-Versicherungszeiten wie Versicherungszeiten nach § 1250 Abs 1 RVO zu behandeln: Im deutschen Rentenversicherungssystem kommt den Beitragszeiten die Funktion zu, den Rentenanspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu gestalten. Demzufolge müßten auch die Fremdstaaten-Versicherungszeiten, behandelte man sie als Versicherungszeiten iS des § 1250 Abs 1 RVO, nach Grund und Höhe wie deutsche Versicherungszeiten berücksichtigt werden (vgl insoweit das Urteil vom 9. Dezember 1981 1 RJ 154/80 auf S 11 ff: "... ausländische Zeiten, denen für Grund und Höhe des inländischen deutschen Rentenanspruchs ohne Unterschied die gleiche Funktion beigelegt worden ist, ..."). Die in den bilateralen Abkommen vereinbarte Wirkung der Fremdstaaten-Versicherungszeiten beschränkt sich demgegenüber im wesentlichen auf die Funktion, den Rentenanspruch zu begründen: Die deutschen anrechnungsfähigen Versicherungszeiten iS des § 1250 Abs 1 RVO werden zur Erreichung der Mindestversicherungszeit durch die ausländischen Versicherungszeiten "aufgefüllt" (vgl zB Art 25 Abs 1 Satz 1 dt.-jugoslaw. Abkommen). In keinem Falle wirkt sich nach den Abkommensregelungen die Beitrags- oder Entgeltshöhe der Fremdstaaten-Versicherungszeiten auf die Berechnung der deutschen Rente aus; das wäre aber die unabdingbare Voraussetzung dafür, den Fremdstaaten-Versicherungszeiten dieselbe "Funktion" beizulegen wie Versicherungszeiten iS des § 1250 Abs 1 RVO (so aber das angeführte Urteil vom 9. Dezember 1981 - 1 RJ 154/80 - aaO).
2. Die Zusammenrechnung von Fremdstaaten-Versicherungszeiten aus mindestens zwei mit der Bundesrepublik Deutschland jeweils durch ein bilaterales Abkommen verbundenen Staaten könnte zudem, wie bereits ausgeführt, nicht auf die Wartezeiterfüllung und damit auf den Anspruchserwerb dem Grunde nach beschränkt bleiben, sondern müßte auch im Hinblick auf die Rentenzahlung beachtet werden. Anderenfalls käme es dazu, daß Versicherte mit gleicher Versicherungsdauer ungleich behandelt würden, je nachdem, ob die Rentenleistung im Rahmen eines bilateralen Abkommens vorgenommen würde oder als "multilaterale" Rente zur Auszahlung gelangte. So würde eine Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit an einen Versicherten jugoslawischer Staatsangehörigkeit, der die Wartezeit mit deutschen und österreichischen Beiträgen erfüllt hat, bei gewöhnlichem Aufenthalt in Jugoslawien nur unter den Voraussetzungen des § 1321 RVO und damit unter Umständen gar nicht zur Auszahlung gelangen (§ 1321 Abs 1 Satz 2 RVO). Hätte derselbe Versicherte hingegen die Mindestversicherungszeit "multilateral" mit deutschen, österreichischen und jugoslawischen Beiträgen erreicht, erhielte er in Anwendung des dt.-jugoslaw. Abkommens die Rente wie ein Deutscher (vgl Art 3 Abs 1 Buchstabe a) dt.-jugoslaw. Abkommen).
Dieser Privilegierungseffekt der "multilateralen" Betrachtungsweise wird deutlich durch die Rentenauszahlungsbeträge, die für die Klägerin zu 1) nach der Rentenberechnung der Beklagten (im Wege der abkommensübergreifenden Verknüpfung des dt.-jugoslaw. Abkommens mit dem dt.-österr. Abkommen) und nach der Rentenberechnung der Beigeladenen (nur aufgrund des dt.-österr. Abkommens) ermittelt worden sind. Im ersten Fall hatte der beklagte Rentenversicherungsträger (als zuständige Verbindungsstelle nach dem dt.-jugoslaw. Abkommen - Art 34 Abs 2 Satz 2 -) unter Einbeziehung der jugoslawischen Versicherungszeit eine "multilaterale" Rente berechnet und den Rentenauszahlungsbetrag zB für das Jahr 1979 auf monatlich 526,90 DM festgesetzt. Im zweiten Falle gewährt die Beigeladene (als zuständige Verbindungsstelle nach dem dt.-österr. Abkommen - Art 42 Abs 3 Satz 2 -) demgegenüber für das Jahr 1979 eine nur bilateral errechnete Rente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 45,80 DM.
Die niedrigere Rentenhöhe ergibt sich daraus, daß die bei der Rentenberechnung von der Beklagten in Ansatz gebrachte Zurechnungszeit (§ 1260 Abs 1 RVO) nach § 1318 RVO hier außer Betracht geblieben und außerdem gemäß § 1323 RVO ein 30%iger Abschlag vorgenommen worden ist.
Das dt.-österr. Abkommen vermochte ohne Zuhilfenahme des dt.-jugoslaw. Abkommens die Rechtsposition der Klägerin zu 1) nicht zu stärken; denn die Gleichstellungsvorschrift des Art 3 des dt.-österr. Abkommens bezieht sich unter Buchstabe a) ausdrücklich nur auf deutsche und österreichische Staatsangehörige und begründet damit nur eine gegenseitige Begünstigung für die Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten. Da die Klägerin zu 1) nicht eine dieser beiden Staatsangehörigkeiten besitzt (§ 1316 Abs 3 RVO) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich der RVO hat (§ 1316 Abs 1 RVO), verbleibt es bei ihrer Qualifizierung als "berechtigte Ausländerin" im Sinne der Auszahlungsvorschriften der §§ 1315 ff RVO.
Die gleichzeitige Heranziehung von mindestens zwei bilateralen Abkommen zwecks "multilateraler" Berücksichtigung von Versicherungszeiten kann also zu einer Ungleichbehandlung der Rentenberechtigten im Rahmen der §§ 1315 ff RVO führen. Die in den bilateralen Abkommen vorgesehene Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen und Staatsgebiete wird durch den "multilateralen Effekt" erweitert und auf Drittstaatsangehörige und Staatsgebiete von Drittstaaten ausgedehnt. Jeweils von den Vertragsstaaten im Gegenseitigkeitsverhältnis eingeräumte und gleichzeitig auf diese gegenseitige Begünstigung beschränkte Vergünstigungen werden damit vervielfältigt.
3. Verneint man schlechthin die Möglichkeit der Zusammenrechnung "multilateraler Versicherungszeiten", so würde daraus folgen, daß die Versicherten aus diesen Zeiten keine Versicherungsleistungen erhalten könnten. Der 4. Senat verkennt nicht, daß demgegenüber das sozialpolitische Ziel des Schutzes der Wanderarbeitnehmer die Berücksichtigung aller in mehreren Abkommensstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten als wünschenswert erscheinen läßt.
Unter Beachtung dieses Umstandes kommt der 4. Senat zu der Auffassung, daß die von den Versicherten durch ihre Beitragsentrichtung hergestellten Versicherungszeiten unter den gegebenen Umständen nicht schlechthin ohne versicherungsrechtliches Äquivalent bleiben können. Der Senat geht dabei von ähnlichen Erwägungen aus, wie sie auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 20. März 1979 (= BVerfGE 51, 1 ff = SozR 2200 § 1315 Nr 5) zugrunde liegen. Dort ist den von der Ruhensregelung des § 94 Abs 1 Nr 1 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG- aF (= § 1315 Abs 1 Nr 1 RVO aF) betroffenen Ausländern zumindest ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die entrichteten Beiträge zuerkannt worden. Für den hier gegebenen Sachverhalt vermag der Senat de lege lata jedoch keine befriedigende Lösung zu finden. Zur Fortbildung des Rechts war daher die Entscheidung des Großen Senats herbeizuführen.
Fundstellen