Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Glaubhaftmachung
Orientierungssatz
Anhaltspunkte dafür, der Begriff der "Glaubhaftmachung" könne in AVG § 145 Abs 4 eine andere als die ihm sonst zukommende Bedeutung haben, liegen nicht vor. Es liegt daher auf der Hand, daß das Gesetz hier den in der gesamten Rechtsordnung anerkannten Begriff der Glaubhaftmachung verwendet, dessen Voraussetzungen dann erfüllt sind, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ("gute Möglichkeit") gegeben ist, daß ein bestimmter Sachverhalt so liegt, wie behauptet.
Normenkette
AVG § 145 Abs 4; RVO § 1423 Abs 4
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 31.03.1989; Aktenzeichen L 1 An 163/88) |
Gründe
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua nur zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene
Entscheidung beruhen kann.
Die - behauptete - Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.
Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht "dargelegt". Aufgrund ihrer Ausführungen kann nämlich nicht erwartet werden, daß die angestrebte Entscheidung des Revisionsgerichts geeignet ist, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu erhalten oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Die Beschwerdeführerin hätte die Rechtsfrage, die sie für grundsätzlich bedeutsam hält, klar bezeichnen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11), die über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung der angestrebten Entscheidung aufzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 39, 7; § 160 Nr 60), die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage darstellen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 50; § 160 Nr 17) und schließlich die nach ihrer Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt aufzeigen müssen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 39; § 160a Nrn 31, 54). Diesen - verfassungsrechtlich unbedenklichen (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 1500 § 160a Nrn 44, 45, 48) - Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hält die folgende Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam: "Gelten für eine Glaubhaftmachung nach § 145 Abs 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die gleichen Kriterien wie für eine Glaubhaftmachung nach der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO)?" Die Klägerin hat weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit dieser Frage dargelegt. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 4, 11, 59; BSG SozR 1300 § 13 Nr 1). Nach § 145 Abs 4 AVG gilt: "Gibt der Versicherte an, daß er während einer Zeit, die vor dem Ausstellungstage der Versicherungskarte liegt oder überhaupt nicht auf der Karte bescheinigt ist, versicherungspflichtig gewesen ist und daß für diese Zeit die erforderlichen Beiträge entrichtet sind, so hat er es glaubhaft zu machen". Daß es sich hierbei um eine Schutzvorschrift für den Versicherten handelt, die vermeiden soll, daß er in Beweisnot kommt und daß sie deshalb nicht den Nachweis (Vollbeweis) verlangt, hat das BSG (SozR Nr 3 zu § 1397 RVO) bereits entschieden, Anhaltspunkte dafür, der Begriff der "Glaubhaftmachung" könne hier eine andere als die ihm sonst zukommende Bedeutung haben (vgl BSGE 7, 141, 143 f), liegen nicht vor. Es liegt daher auf der Hand, daß das Gesetz hier den in der gesamten Rechtsordnung anerkannten Begriff der Glaubhaftmachung verwendet, dessen Voraussetzungen dann erfüllt sind, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ("gute Möglichkeit") gegeben ist, daß ein bestimmter Sachverhalt so liegt, wie behauptet (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl 1986, § 118 RdNr 5 mwN; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 47. Aufl 1989, § 294 Anm 1 mwN). Deswegen hätte die Klägerin im einzelnen aufzeigen müssen, welche Zweifel sich bei der Auslegung des § 145 Abs 4 AVG ergeben und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der von ihr für grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfrage umstritten ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; § 160a Nr 59). Dazu fehlt jeglicher Vortrag. Aber auch die Klärungsfähigkeit der og Frage ist in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt worden. Die Klägerin hat den nach ihrer Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg und insbesondere den Schritt nicht aufgezeigt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage für das Revisionsgericht notwendig macht. Dies war aber schon deswegen erforderlich, weil nicht ersichtlich ist, weshalb das Revisionsgericht im vorliegenden Fall zum Begriff der Glaubhaftmachung iS von § 10 VuVO würde Stellung nehmen müssen.
Soweit die Klägerin rügt, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft eine notwendige Beiladung (§ 75 Abs 2 SGG) der Barmer Ersatzkasse (BEK) unterlassen, ist der Verfahrensfehler nicht hinreichend "bezeichnet". In der Beschwerdebegründung wären die Tatsachen anzuführen gewesen, aus denen sich der Verfahrensfehler des LSG ergibt. Die Klägerin trägt dazu vor, in Streitverfahren um die Feststellung der Versicherungspflicht bzw der Höhe von Versicherungsbeiträgen seien die Einzugsstellen stets beizuladen. Deswegen sei vorliegend die BEK beizuladen, weil das LSG über die Frage zu entscheiden gehabt habe, ob trotz nicht strittiger Versicherungspflicht von der Klägerin Beiträge an die Krankenkasse abgeführt worden sind. Da die Klägerin selbst nicht verkennt, daß das LSG in dem Streit um die Herstellung einer Versicherungsunterlage nicht über die Beitragspflicht der Klägerin im Jahre 1957 zu entscheiden hatte, hätte sie im einzelnen darlegen müssen, weshalb die Entscheidung über die Herstellung einer Versicherungsunterlage für die Klägerin durch die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) auch gegenüber der BEK nur einheitlich hätte ergehen können (§ 75 Abs 2 Regelung 1 SGG). Das ist nicht geschehen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen