Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 24.01.1997) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger hatte im März 1993 die Neufeststellung seiner Behinderungen und seines GdB nach dem Schwerbehindertengesetz beantragt. Der Antrag blieb zunächst erfolglos (Ablehnungsbescheid vom 22. Juli 1993). Im Widerspruchsverfahren erkannte der Beklagte aufgrund von Erhebungen des Sozialgerichts (SG) Hannover in einem Rentenstreit mit Abhilfebescheiden vom 30. Dezember 1993 und 22. April 1994 weitere Behinderungen und einen GdB von 60 an. Im Hinblick hierauf erklärte der Kläger das Widerspruchsverfahren für erledigt.
Als gemäß § 63 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) zu erstattende Kosten bestimmte der Anwalt des Klägers eine Rahmengebühr in Höhe von 600,00 DM (§ 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung ≪BRAGO≫ in der vor dem 1. Juli 1994 geltenden Fassung) und insgesamt einen Betrag von 773,95 DM. Mit Bescheid vom 28. Juni 1994 setzte der Beklagte, ausgehend von einer auf zwei Drittel ermäßigten Mittelgebühr (380,00 DM), die zu erstattenden Kosten lediglich mit 535,81 DM fest und wies den Widerspruch des Klägers zurück. Die Klage hatte vor dem SG Erfolg. Auf die Beschwerde des Beklagten ließ das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluß vom 17. Oktober 1996 die Berufung zu und führte das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren weiter. Mit Urteil vom 24. Januar 1997 hob es das sozialgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler geltend.
Entscheidungsgründe
II
Soweit der Kläger erneut die Frage aufwirft, ob und unter welchen Bedingungen die Erledigungsgebühr gemäß § 116 Abs 3 Satz 2 iVm §§ 23, 24 BRAGO zu erhöhen ist, ist die Beschwerde zulässig, nicht aber begründet.
Wird die Grundsätzlichkeit einer Rechtsfrage geltend gemacht, so hat der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung formgerecht darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Er muß dabei ua Ausführungen dazu machen, inwiefern der Rechtsstreit eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 106). Ein Klärungsbedürfnis besteht im allgemeinen nicht, wenn über die vorgelegte Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind (Kummer, aaO, RdNr 116 mwN). Daß über eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, steht der Klärungsbedürftigkeit jedoch dann nicht entgegen, wenn die Rechtsfrage klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden ist (vgl Kummer, aaO, RdNr 119). Dies macht der Kläger – unter Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Senats vom 9. August 1995 (9 RVs 7/94 – SozR 3-1930 § 116 Nr 7) – geltend, so daß sein Rechtsmittel insoweit als zulässig anzusehen ist. Seine Ausführungen veranlassen den Senat jedoch nicht, seine in der Entscheidung vom 9. August 1995 (9 RVs 7/94) vertretene Rechtsmeinung zu überprüfen. Der Senat hat seinerzeit sinngemäß ausgeführt, die Anwendung des § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO (Erhöhung der Rahmengebühr um die Hälfte) finde nur in Fällen statt, in denen die Beteiligten durch gegenseitiges Nachgeben ein Klageverfahren vermieden haben und somit von einer vergleichsähnlichen Erledigung des Verwaltungsverfahrens auszugehen sei. Daran ist festzuhalten. Wird nämlich statt dessen – wie hier – dem Widerspruch in vollem Umfang abgeholfen, ist eine Erhöhung des Gebührenrahmens nach § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO nicht mehr am Platz, weil sie nicht mehr der Entlastung der Gerichte dienen kann. Denn mangels Rechtsschutzbedürfnisses hat der Widerspruchsführer ohnehin nicht die Möglichkeit, eine erfolgversprechende Anschlußklage zu erheben. Es bedarf also keines Anreizes mehr, ihn bzw seinen Vertreter von der Einleitung einer Anschlußklage zum SG abzuhalten. Im übrigen hat auch der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 12. Juni 1996 (SozR 3-1930 § 116 Nr 9) die Erhöhung des Gebührenrahmens analog § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO nur für einen Fall angenommen, in welchem die durch einen Anwalt vertretene Widerspruchsführerin – anders als hier – ihre im Widerspruchsverfahren zunächst erhobenen Ansprüche nach Einschaltung ihres Bevollmächtigten teilweise nicht mehr aufrechterhalten und sich mit einem Neufeststellungsbescheid zufrieden gegeben hat, der ihre verbliebenen Forderungen nicht in vollem Umfang erfüllte.
Soweit der Kläger als weitere grundsätzliche Frage klären lassen möchte, ob es sich bei Klagen gegen Kostenfeststellungsbescheide nach § 63 SGB X um Streitsachen handelt, die iS des § 144 Abs 4 SGG lediglich Verfahrenskosten betreffen und deswegen der Zulassung einer Berufung nicht zugänglich sind (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, RdNrn 8 und 43 zu § 144 SGG), ist die Beschwerde unzulässig. Der Kläger übersieht, daß diese Frage bereits Gegenstand einer Entscheidung des BSG gewesen ist (vgl Urteil des 11. Senats vom 25. Oktober 1984 – SozR 1500 § 144 Nr 27), und deswegen keine grundsätzliche Bedeutung mehr besitzt. In der genannten Entscheidung hat der 11. Senat des BSG ausgeführt, daß es sich bei der Erstattung von Kosten für das isolierte Vorverfahren um eine – allerdings einmalige – „Leistung” handele und daß der seinerzeitige § 144 Abs 3 SGG, der dem heutigen § 144 Abs 4 SGG idF des Gesetzes vom 1. März 1993 (BGBl I S 50) entspricht, keine Anwendung finden könne. Der Kläger setzt sich nicht, wie nach § 160a Abs 2 Nr 3 SGG erforderlich, mit dieser Entscheidung auseinander (vgl Kummer, aaO, RdNr 121) und legt insbesondere nicht dar, wieso an der an dieser Entscheidung zugrundeliegenden Beurteilung des fraglichen Streitgegenstandes sich durch das Gesetz vom 1. März 1993 (BGBl I S 50) etwas geändert haben soll. Im übrigen würde der Senat in dem Fall, daß die Grundsätzlichkeit der Rechtssache formgerecht geltend gemacht wäre, keine Bedenken tragen, der Ansicht des 11. Senats aaO beizutreten. Denn in Klageverfahren gegen nach § 63 SGB X ergangene Verwaltungakte sind die Kosten eines isolierten Vorverfahrens einziger Gegenstand und somit Hauptsache der Klage, nicht aber „Kosten des Verfahrens” iS des § 144 Abs 4 SGG. Der abweichenden Meinung von Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 49 zu § 144 SGG, die sich an das Urteil des LSG Niedersachsen vom 16. März 1984 (Breithaupt 85, 176) anlehnt, ist nicht zu folgen.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Beschwerde – mangels ausreichender „Bezeichnung” eines Verfahrensfehlers iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG – auch hinsichtlich der Verfahrensrüge unzulässig ist. Denn der Kläger hat kein Verhalten des LSG dargetan, das – bei Zugrundelegung der vorgetragenen Tatsachen – schlüssig einen Verfahrensmangel darstellen würde (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 188; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Es bedeutet nämlich keinen Verfahrensmangel, wenn ein LSG – wie hier – in dem nach § 145 Abs 5 SGG fortgesetzten Verfahren eine Sachentscheidung über die Berufung in einer Sache trifft, welche die Kostenerstattung aus einem „isolierten Vorverfahren” (§ 63 SGB X) zum Gegenstand hat, ebensowenig wie in solchen Fällen eine Sachentscheidung fehlerhaft wäre, die ein LSG nach einer Berufungszulassung durch das SG träfe. Denn die Zulassung der Berufung und eine nachfolgende Sachentscheidung könnten in diesen Fällen nur dann fehlerhaft sein, wenn es sich dabei – wie der Kläger irrig annimmt – um Streitigkeiten handelte, die iS des § 144 Abs 4 SGG nur Kosten des Verfahrens zum Gegenstand haben. Dies ist aber, wie weiter oben dargelegt, nicht der Fall.
Da das Rechtsmittel des Klägers nur teilweise unzulässig ist, ist es insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf eine entsprechende Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen