Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 05.04.2018; Aktenzeichen S 70 SO 1063/15) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18.01.2022; Aktenzeichen L 15 SO 83/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen das bezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für das Jahr 2015.
Der voll erwerbsgeminderte Kläger bezog Grundsicherungsleistungen vom Beklagten. Dieser bewilligte ihm für das Jahr 2015 neben dem monatlichen Regelbedarf (399 Euro) wegen Wohnungslosigkeit die Kosten der Unterbringung in einem Hotel in Höhe von monatlich 1450 Euro und wegen der Besonderheiten der Hotelunterbringung zusätzlich kalendertäglich 4 Euro zur Lebensmittelbeschaffung (Bescheid vom 30.12.2014). Abgelehnt wurde der Antrag auf Bewilligung von weiteren 5 Euro kalendertäglich für Lebensmittelbeschaffung (Bescheid vom 15.4.2015; Widerspruchsbescheid vom 28.7.2015). Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Berlin vom 5.4.2018; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Berlin-Brandenburg vom 18.1.2022). Zur Begründung haben die Vorinstanzen ausgeführt, der geltend gemachte weitere Bedarf sei nicht nachgewiesen. Neben dem im Regelsatz enthaltenen Betrag für Ernährung (141,66 Euro) stünden wegen der Hotelunterbringung auch die im Regelsatz enthaltenen Beträge für Wohnen, Energie, Instandhaltung, Innenausstattung, Haushaltsgeräte, Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen (zusammen rund 61 Euro) für Lebensmittel zur Verfügung.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG richtet sich die Beschwerde des Klägers, für die er zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen zu den Voraussetzungen einer individuellen, vom Regelbedarf abweichenden Regelsatzfestlegung (§ 27a Abs 4 SGB XII) stellen sich angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung nicht (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 21 f; BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 6/11 R - BSGE 112, 188 = SozR 4-3500 § 49 Nr 1, RdNr 25). Aus den vorstehenden Gründen ist auch eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht ersichtlich.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit Erfolg einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend machen könnte. Nach der Übertragung des Berufungsverfahrens auf die Berichterstatterin (Beschluss vom 13.6.2019), zu dem der Kläger zuvor angehört worden war, durfte diese gemäß § 153 Abs 5 iVm § 33 Abs 1 Satz 1 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ≪GG≫) wird nicht daraus erkennbar, dass der Kläger die Berichterstatterin mehrfach erfolglos abgelehnt hatte (Beschlüsse des LSG vom 24.7.2018, vom 21.5.2019 und vom 18.1.2022). Das Revisionsgericht ist im Hinblick auf § 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO an Entscheidungen gebunden, die der Endentscheidung des LSG vorausgegangen sind, sofern sie unanfechtbar sind. Dies gilt grundsätzlich auch für Entscheidungen der Vorinstanz, die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen haben (§§ 60, 177 SGG). Anderes gilt nur, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl etwa BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN). Die Begründungen der Beschlüsse geben hierfür aber keinen Anhalt. Insbesondere durfte das LSG über den zuletzt kurz vor dem Termin gestellten Antrag in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin entscheiden (vgl hierzu Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ vom 19.6.2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239, 252 f = NVwZ 2012, 1304; BVerfG vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01 ua - BVerfGK 5, 269, 280 f; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 60 RdNr 10d mwN). Seine Einschätzung, das zuletzt gestellte Befangenheitsgesuch sei rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig, erweist sich als zutreffend; denn das Gesuch war ersichtlich lediglich mit dem Ziel angebracht worden, eine Verzögerung des Verfahrens zu erreichen.
Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Mündlichkeit nach § 124 Abs 1 SGG ist nicht ersichtlich. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung am 18.1.2022 entscheiden, weil er ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Den zuvor gestellten Antrag auf Aufhebung des Termins hat die Berichterstatterin rechtzeitig vor dem Termin zurückgewiesen (Beschluss vom 6.1.2022). Es ist nicht erkennbar, dass diese Verfahrensweise von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten mit Erfolg beanstandet werden könnte, weil der Kläger keinen "erheblichen" Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO für eine Verlegung vorgetragen hat. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg vortragen könnte, in der vom Kläger behaupteten Unmöglichkeit, am Termintag aus dem Maßregelvollzug heraus zum Termin zu erscheinen, liege ein solcher Verlegungsgrund (zum Anspruch eines inhaftierten Prozessbeteiligten auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vgl nur BSG vom 30.8.2018 - B 2 U 230/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 38 RdNr 5 mwN). Es ist aktenkundig, dass die Berichterstatterin sich vor Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung und Verlegung des Termins telefonisch versichert hatte, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs, in dem der Kläger untergebracht gewesen ist, die Organisation eines Transports zur mündlichen Verhandlung angeboten hatte. Die Behauptungen des Klägers, seitens der Leitung des Krankenhauses habe keine Bereitschaft bestanden, über eine Teilnahme am Termin zu entscheiden, werden damit gerade nicht bestätigt. Zwar waren bei dem (rollstuhlgerechten) Transport besondere Sicherungsmaßnahmen vorgesehen; der Kläger hat aber nichts dazu vorgebracht, weshalb diese für ihn nicht zumutbar gewesen sein sollten. Zudem obliegt die Entscheidung, welche Sicherungsmaßnahmen bei der Ausführung zum Termin erforderlich erscheinen, nicht dem Prozessgericht. Es ist nicht erkennbar, welche weiteren Maßnahmen das LSG nach einer Verlegung des Termins hätte treffen können, um die Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung zu sichern. Nachdem das Krankenhaus des Maßregelvollzugs am Tag der Sitzung telefonisch mitgeteilt hatte, der behindertengerechte Transport sei bestellt worden, der Kläger werde aber nicht erscheinen, weil er mit den Transportbedingungen nicht einverstanden gewesen sei, durfte das Gericht damit in seiner Abwesenheit entscheiden. Erscheint der Inhaftierte nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, obwohl eine zumutbare Teilnahmemöglichkeit bestand, so wird er - sofern das persönliche Erscheinen nicht angeordnet ist - wie jeder andere Prozessbeteiligte behandelt, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist. Die Behauptung des Klägers, eine mündliche Verhandlung vor dem LSG habe gar nicht stattgefunden, entbehrt schließlich jeder Grundlage.
Vor der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von PKH musste der Senat dem (erneuten) Antrag des Klägers auf Akteneinsicht zur Vorbereitung einer weiteren Begründung nicht nachkommen. Der Senat hat selbst von Amts wegen anhand des Akteninhalts zu prüfen, ob einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten mit Erfolg geltend gemacht werden kann, ohne dass es auf eine Begründung des unvertretenen Beteiligten ankommt. Zudem hatte das LSG dem Kläger bereits die Verwaltungsakte in Kopie zur Verfügung gestellt, soweit sie Grundlage seiner Entscheidung war.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG, § 121 Abs 1 ZPO).
Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Er muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Der Kläger kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15635410 |