Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Labor-Richtlinie (juris: LaborRL). Vereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge. keine Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung einer bestimmten Laboratoriumsuntersuchung ohne Qualifikationsnachweis
Orientierungssatz
1. Bei dem Anhang zu Abschn E der Labor-Richtlinie (juris: LaborRL) handelt es sich nicht um eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs 1 SGB 5, sondern um eine Vereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge nach § 135 Abs 2 SGB 5.
2. Art 12 Abs 1 GG kann nicht entnommen werden, dass ein Arzt, der - möglicherweise auch nur aufgrund der Übergangsregelung nach Nr 10 des Anhangs zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie - bereits über die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung einer bestimmten Laboratoriumsuntersuchung verfügt, ohne einen Qualifikationsnachweis Anspruch auf die Erweiterung der Genehmigung bezogen auf ähnliche, mit der gleichen Methode durchgeführte Laboratoriumsuntersuchungen hätte.
Normenkette
SGB 5 § 75 Abs. 7 S. 1 Nr. 1, § 135 Abs. 1-2; LaborRL Abschn. E Anhang Nr. 10; GG Art. 12 Abs. 1; SGG § 82 Abs. 1; BMV-Ä Anl 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.05.2014; Aktenzeichen L 11 KA 60/12) |
SG Düsseldorf (Urteil vom 07.03.2012; Aktenzeichen S 33 KA 157/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung spezieller Laboratoriumsuntersuchungen nach Kapitel 32.3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä).
Der Kläger ist als Facharzt für Urologie mit den Zusatzbezeichnungen Andrologie und medikamentöse Tumortherapie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt bereits seit seiner Zulassung im Jahr 1989 über die Genehmigung zur Erbringung von Leistungen der Spermatologie, der Tumormarker PSA und freies PSA sowie der Harnsteinanalyse. Den Antrag des Klägers, ihm auch die Genehmigung für die Erbringung und Abrechnung von Leistungen nach Nr 32353, 32354, 32358 und 32360 EBM-Ä (quantitative Bestimmung von Follitropin, Lutropin, Testosteron und sexualhormonbindendes Globulin mittels Immunoassay) zu erteilen, lehnte die Beklagte ab. Widerspruch und Klage des Klägers waren ohne Erfolg.
Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Erbringung und Abrechnung der streitgegenständlichen Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid leide jedenfalls an einem Begründungsmangel, weil dieser keine Ausführungen zu der Frage enthielten, ob dem Kläger nach Nr 8 Satz 2 des von den Vertragspartnern nach § 135 Abs 2 SGB V vereinbarten Anhangs zu Abschnitt E der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen in der kassenärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung (im Folgenden: Labor-Richtlinie) hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seine fachliche Befähigung durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium zu belegen. Voraussetzung sei, dass der Kläger eine der den Arztgruppen nach Nr 2 (Arzt für Laboratoriumsmedizin, ua) des Anhangs zu Abschnitt E Labor-Richtlinie entsprechende Fachkunde nachweisen könne. Die Beklagte habe somit zu prüfen, ob sich unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs der Facharztbezeichnung Urologie sowie der Zusatzbezeichnung Andrologie und im Hinblick auf die vom Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erworbenen Kenntnisse eine gleichwertige Qualifikation ergebe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung ohne erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium. Nur die in Nr 2 des vereinbarten Anhangs zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie genannten Arztgruppen könnten von der Pflicht zum Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium befreit werden.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II. Die Beschwerde des Klägers ist - soweit sie nicht bereits unzulässig ist - jedenfalls unbegründet. Die von ihm geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) liegt nicht vor. Allerdings ist der Kläger trotz des für ihn günstigen Berufungsurteils durch dieses beschwert, weil das LSG im Rahmen der von ihm ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ua dem Begehren des Klägers, die betroffenen Leistungen ohne die Teilnahme an einem Kolloquium erbringen zu dürfen, nicht entsprochen hat.
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die Nachweise in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG ≪Kammer≫ SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG ≪Kammer≫ SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff).
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Nach diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht gegeben. Der Kläger formuliert die Rechtsfrage, |
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"ob ein Vertragsarzt, der im Bereich des Abschnitts 32.3.4 EBM (Spezielle laboratoriumsmedizinische Untersuchungen - klinisch-chemische Untersuchungen) bereits über eine Abrechnungsgenehmigung für ein Untersuchungsparameter verfügt, welcher Bestandteil einer Gruppe von Untersuchungsparametern ist, bei der die Untersuchungsmethode identisch ist (hier: Quantitative Bestimmung mittels Immunoassay, gilt für die Gebührenordnungspositionen 32350 bis 32361) und in Bezug auf die bestimmt formulierten Untersuchungsparameter die Gebührenziffer 'ähnliche Untersuchung' besteht (hier: EBM-Ziffer 32361 ähnliche Untersuchungen unter Angabe der Art der Untersuchung), für die Erlangung weiterer Abrechnungsgenehmigungen der weiteren Untersuchungsparameter der so zusammengefassten Gruppe von Untersuchungsparametern jeweils noch ein Fachgespräch gemäß Ziffer 1 des Anhangs zu Abschnitt E der Laborrichtlinie durchführen muss". |
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der formulierten Rechtsfrage dargelegt hat, weil sich die formulierte Rechtsfrage allein auf die Erforderlichkeit eines Kolloquiums (Fachgesprächs) bezieht. Nach der Entscheidung des LSG hängt die Genehmigung jedoch weiterhin davon ab, dass der Kläger über eine verglichen mit den in Nr 2 des Anhangs zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie genannten Arztgruppen "gleichwertige Qualifikation" verfügt (S 9 unten/S 10 oben des Urteils). Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt sein sollte, käme es für die Entscheidung auf den Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium - und damit auf die formulierte Rechtsfrage - nicht mehr an. Auf die Frage, ob der Kläger über die nach Nr 8 Satz 2 des Anhangs zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie geforderte Qualifikation verfügt, geht die Nichtzulassungsbeschwerde nicht ein.
Im Ergebnis kommt es darauf indes nicht an. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil sich die formulierte Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie klar beantworten lässt. Eine Befreiung vom Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium sieht Nr 2 des Anhangs zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie ausschließlich für die dort bezeichneten Arztgruppen vor, wobei die Befreiung allein für Ärzte mit der Berechtigung zum Führen der Arztbezeichnung "Arzt für Laboratoriumsmedizin" umfassend formuliert wird, während sich die Befreiung für die übrigen Arztgruppen (Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und Arzt für Transfusionsmedizin) nur auf einen Teil der Laboratoriumsuntersuchungen bezieht. Da der Kläger Facharzt für Urologie ist, ist er nicht von der Pflicht zum Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium befreit. Für die vom Kläger vertretene Auffassung, nach der ein Arzt, der bereits über eine Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung bestimmter Laboratoriumsuntersuchungen verfügt, einen Anspruch auf eine Erweiterung der Genehmigung für bestimmte sehr ähnliche Untersuchungen unabhängig von der Durchführung eines Kolloquiums haben soll, enthält der Wortlaut der Labor-Richtlinie keinen Anknüpfungspunkt.
Entgegen der Auffassung des Klägers vertritt auch das SG Marburg in seinem Urteil vom 20.7.2011 (S 12 KA 708/10 - Juris) keine davon abweichende Auffassung. Soweit der Kläger auf Juris RdNr 24 dieses Urteils Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass es an dieser Stelle nicht um die Befreiung von der Pflicht zum Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium geht, sondern um die Frage, welche Anforderungen an den Nachweis der Qualifikation zu stellen sind, damit der Arzt nach Nr 6 des Anhangs zu Abschnitt E der Labor-Richtlinie zum Kolloquium zugelassen werden kann. Nur in diesem Zusammenhang kommt es nach dem Inhalt der Labor-Richtlinie auf den Nachweis der im Rahmen der Weiterbildung "angewandten labormedizinischen Methoden" an. Dem entsprechend hat das SG Marburg - antragsgemäß - auch nur darüber entschieden, nach welchen Maßstäben die Kassenärztliche Vereinigung über die Zulassung des Arztes zum Kolloquium zu entscheiden hat. Um die Erteilung einer Genehmigung ohne den Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium ging es in der Entscheidung also nicht.
Auch mit der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Senats vom 25.8.1999 (B 6 KA 39/98 R) kann der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung unabhängig vom Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium nicht begründet werden. Das genannte Urteil befasst sich nicht mit der Frage der "Ähnlichkeit" unterschiedlicher, konkret bezeichneter Laboruntersuchungen, sondern mit der Auslegung des Auffangbegriffs "ähnliche Untersuchungen" im EBM-Ä. Soweit der Kläger aus diesem Urteil dennoch ableiten möchte, dass es sich bei der Untersuchung nach Nr 32351 EBM-Ä, für deren Erbringung ihm eine Genehmigung erteilt worden sei und den Untersuchungen nach Nr 32353, 32354, 32358 und 32360 EBM-Ä, für deren Erbringung und Abrechnung er die Erteilung einer Genehmigung begehrt, um "ähnliche Untersuchungen" handele, so kommt es darauf für die Entscheidung im angestrebten Revisionsverfahren nicht an, weil der Anhang zu Abschnitt E Labor-Richtlinie für Ärzte, die bereits über eine Genehmigung zur Abrechnung "ähnlicher Untersuchungen" verfügen, keine Befreiung vom Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium vorsieht.
Soweit der Kläger aus dem og Urteil des Senats vom 25.8.1999 ableitet, dass die Abrechnungstatbestände, für die er Abrechnungsgenehmigungen begehrt, "nicht dem Methodenvorbehalt des § 135 Abs 1 SGB V" unterfielen, kommt es auch darauf nicht an, weil es sich bei dem Anhang zu Abschnitt E Labor-Richtlinie, auf die der Kläger in der formulierten Rechtsfrage Bezug nimmt, nicht um eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs 1 SGB V handelt, sondern um eine Vereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge nach § 135 Abs 2 SGB V.
Der Senat folgt auch nicht der - nicht näher begründeten - Auffassung des Klägers, dass sich ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung ohne den Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium aus der Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) ableiten lasse. Dies liegt fern, weil es um die Erbringung von Leistungen geht, die nicht den Kern des Fachgebietes des Klägers (Urologie) betreffen und weil es - nach dem Inhalt der vom Kläger formulierten Rechtsfrage - nicht um den Ausschluss von der Erbringung bestimmter Leistungen geht, sondern lediglich um den Nachweis der für die Erbringung erforderlichen Qualifikation in einem Kolloquium.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass er unter Beachtung verfassungsrechtlicher Maßstäbe insoweit den in Nr 2 des Anhangs zu Abschnitt E Labor-Richtlinie genannten Ärzten (Arzt für Laboratoriumsmedizin, ua) gleichzustellen sei. Dass im Vertragsarztrecht Qualifikationsanforderungen anknüpfend an die Weiterbildung in einem Fachgebiet formuliert werden dürfen, entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 12; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21 S 114; BSGE 104, 128 = SozR 4-2500 § 95 Nr 15, RdNr 31 mwN), und es liegt auf der Hand, dass als sachgerechtes Kriterium bezogen auf die Qualifikation zur Erbringung von Laboratoriumsuntersuchungen an die Fachgebietsbezeichnung "Arzt für Laboratoriumsmedizin" und - für ein begrenztes Spektrum von Laboratoriumsuntersuchungen - die Arztbezeichnungen "Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie" sowie "Arzt für Transfusionsmedizin" angeknüpft werden kann. Über eine entsprechende Facharztbezeichnung verfügt der Kläger nicht, sodass es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist, wenn ein Qualifikationsnachweis etwa in der Form der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium gefordert wird. Art 12 Abs 1 GG kann auch nicht entnommen werden, dass ein Arzt, der - möglicherweise auch nur aufgrund der Übergangsregelung nach Nr 10 des Anhangs zu Abschnitt E Labor-Richtlinie - bereits über die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung einer bestimmten Laboratoriumsuntersuchung verfügt, ohne einen Qualifikationsnachweis Anspruch auf die Erweiterung der Genehmigung bezogen auf ähnliche, mit der gleichen Methode durchgeführte Laboratoriumsuntersuchungen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
Fundstellen