Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. August 1998 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Durch Urteil vom 4. Februar 1998 (S 11 RJ 1052/97 A) hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) eine Klage als unzulässig abgewiesen, mit der der Kläger die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Streitverfahrens (Urteil des SG vom 25. November 1980 – S 3/Ar 491/79; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 20. Oktober 1981 – L 5/Ar 639/80 –) wegen Gewährung von Versichertenrente begehrte. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens S 3/Ar 491/79 lägen nicht vor. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe könne gemäß § 153 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abgesehen werden, da die Berufung insoweit aus den in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegten Erwägungen als unbegründet anzusehen sei. Der Kläger habe im Berufungsverfahren keine Tatsachen vorgetragen und keine rechtlichen Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten (Urteil vom 12. August 1998).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde mit der Begründung eingelegt, das LSG sei seinen Anträgen auf Aktenbeiziehung, insbesondere der Akten des Arbeitsamtes Coburg samt Gutachten des Dr. S. … von Dezember 1979 und der Akten des Landgerichts Coburg, sowie auf Zeugeneinvernahme von verschiedenen Behördenvertretern zu Unrecht nicht gefolgt. Außerdem habe das LSG das Urteil des BSG vom 26. Mai 1977 – 12 RAr 13/77 – nicht beachtet; hierdurch hätte belegt werden können, daß sein Rentenanspruch nicht erst seit 1985, sondern bereits seit 1979 bestanden habe. Zugleich hat der Kläger die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt.
Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist nicht begründet.
Prozeßkostenhilfe ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG; § 114 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, daß ein zugelassener Prozeßbevollmächtigter (§ 166 Abs 2 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3 Halbsatz 1). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach Prüfung des Streitstoffes ersichtlich.
Zunächst ist nicht erkennbar, daß eine Zulassung der Revision auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung iS dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11, 39). Die Frage muß außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort auf sie von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Rechtsfragen dieser Art sind hier nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 179 Abs 1 SGG iVm §§ 578 ff ZPO sind durch die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes hinreichend geklärt (vgl dazu etwa Meyer-Ladewig, SGG mit Erl, 6. Aufl 1998, § 179 RdNrn 2 ff).
Eine Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus. Die danach erforderliche Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu einer höchstrichterlichen Entscheidung in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Schließlich ist nicht ersichtlich, daß ein iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung rechtfertigender Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Zwar könnte ein Verfahrensmangel darin liegen, daß über die Wiederaufnahme des Streitverfahrens S 3/Ar 491/79 (L 5/Ar 639/80) erstinstanzlich das SG und nicht das LSG entschieden hat, obwohl der betreffende Rechtsstreit erst durch das Sachurteil des LSG vom 20. Oktober 1981 zum rechtskräftigen Abschluß gekommen ist (vgl dazu Meyer-Ladewig, aaO, § 179 RdNr 8). Ein solcher wäre jedoch schon deshalb nicht geeignet, zur Revisionszulassung zu führen, weil das Revisionsgericht gemäß § 202 SGG iVm § 549 Abs 2 ZPO nicht prüft, ob das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich zuständig war. Im übrigen ist dem Kläger durch diese Verfahrensweise kein Nachteil entstanden, da sich auch das LSG – wenn auch im Berufungsverfahren – mit seinem Wiederaufnahmebegehren befaßt hat.
Ein beachtlicher Verfahrensmangel läge allerdings vor, wenn das LSG eine zu Unrecht ausgesprochene Prozeßabweisung bestätigt hätte (vgl zu einem sich im Berufungsverfahren fortwirkenden Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Verfahrens BSGE 4, 200, 201 = SozR Nr 66 zu § 162 SGG; BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 216; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, § 160 SGG RdNr 159). Das wäre möglicherweise anzunehmen, wenn das SG – und ihm folgend das LSG – zu Unrecht das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes verneint hätte.
Nach dem hier gemäß § 179 SGG allein in Betracht kommenden § 580 Nr 7 ZPO findet die Restitutionsklage nur statt, wenn der Beteiligte
- ein in derselben Rechtssache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil
- eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Soweit der Kläger geltend machen wollte, eine Beiziehung der Akten des Arbeitsamtes Coburg einschließlich des Gutachtens des Dr. S. … hätte in dem Verfahren S 3/Ar 491/79 zu einem für ihn günstigen Ergebnis geführt, fehlt es – unabhängig davon, ob es sich bei einer gesamten Akte um eine Urkunde handelt – bereits daran, daß der Kläger die „Urkunde” erst nach Erlaß des Urteils vom 25. November 1980 aufgefunden hat, denn aufgefunden ist eine Urkunde nur dann, wenn ihre Existenz oder ihr Verbleib der Partei bisher schuldlos unbekannt war (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl 1995, § 580 RdNr 24). Dafür, daß diese Unterlagen dem Kläger bis zum damaligen Urteilserlaß unbekannt waren, besteht kein Anhaltspunkt. Ebensowenig ist ersichtlich, daß der Kläger vorher nicht imstande war, die „Urkunde” zu benutzen, weil sie zB unzugänglich gewesen wäre oder sich in Händen eines nicht vorlegungspflichtigen Dritten befunden hätte (vgl Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl 1995, § 580 RdNr 17).
Die vom Kläger außerdem als „Beweismittel” im SG-Verfahren angeführte BSG-Entscheidung vom 26. Mai 1977 – 12 RAr 13/77 – ist zunächst nicht „in derselben Sache” (vgl § 580 Nr 7 Buchst a ZPO) ergangen. Sie entfaltet iS von § 141 SGG keine Rechtskraft gegenüber den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens, auch wenn sie als höchstrichterliche Rechtsprechung allgemein beachtet werden dürfte. Ebensowenig handelt es sich bei der genannten BSG-Entscheidung um eine Urkunde iS von § 580 Nr 7 Buchst b ZPO. Sie dient nämlich nicht zum Beweis einer entscheidungserheblichen Tatsache (vgl zB Thomas/Putzo, aaO, § 580 RdNr 14), sondern ggf als Quelle zur Rechtsfindung.
Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, das LSG sei seinen Beweisanträgen auf Beiziehung von Akten, insbesondere des Landgerichts Coburg – 6 VRs 861/90 –, sowie auf Vernehmung verschiedener Behördenvertreter als Zeugen nicht nachgekommen, ist darin ebenfalls kein Verfahrensfehler erkennbar. Die Nennung eines neuen Zeugen ist kein Wiederaufnahmegrund iS von § 580 Nr 7 ZPO (vgl Baumbach/Lauterbach, aaO, § 580 RdNr 14). Auch hat das LSG nicht zu Unrecht die Beiziehung von weiteren Akten unterlassen. Soweit der Kläger insbesondere die unterlassene Beiziehung der Akten des Landgerichts Coburg rügt, liegt darin bereits deshalb kein Restitutionsgrund iS des § 580 Nr 7 ZPO, da eine insoweit bedeutsame Urkunde bereits im Zeitpunkt des Vorprozesses (1979) vorhanden gewesen sein muß (Baumbach/Lauterbach, aaO, § 580 RdNr 15); das war bei den Akten des Landgerichts Coburg aus dem Jahre 1990 jedoch nicht der Fall. Hinsichtlich der anderen angeführten Akten – soweit sie für den damaligen Streitgegenstand überhaupt relevant sein konnten – ist ebenfalls nicht erkennbar, daß der Kläger sie unverschuldet erst nach Abschluß des Streitverfahrens S 3/Ar 491/79 (L 5/Ar 639/80) aufgefunden hat oder zu benutzen in den Stand gesetzt worden ist.
Sonstige Verfahrensmängel, etwa die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes; § 62 SGG), sind nicht ersichtlich.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kommt auch eine vom Kläger möglicherweise begehrte Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 SGG; § 121 Abs 1 ZPO).
Die vom Kläger persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil er insoweit nicht durch einen beim BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten ist (vgl § 166 SGG). Die Verwerfung dieses Rechtsmittels erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen