Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.04.2017; Aktenzeichen L 5 KA 2436/14) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 11.04.2014; Aktenzeichen S 20 KA 5214/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. April 2017 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 423 218 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Der Kläger, der als Facharzt für Nuklearmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, begehrt höheres Honorar für die Quartale I/2009 bis II/2010. Gegenstand des Berufungsurteils sind zwei verschiedene Komplexe:
Zum einen geht es um die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei den Regelleistungsvolumina(RLV)-Zuweisungsbescheiden und bei der endgültigen Honorarfestsetzung. Insoweit hatte das SG die beklagte KÄV unter Aufhebung ihrer angefochtenen Bescheide zur Neubescheidung hinsichtlich der Quartale I/2009 bis IV/2009 verurteilt. Die Klage hinsichtlich der Quartale I/2010 und II/2010 hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Verpflichtung zur Neubescheidung nur hinsichtlich der Quartale I/2009 und II/2009 gebilligt, nicht jedoch für die Quartale III/2009 und IV/2009. Insoweit wurde die Klage auch abgewiesen.
Zum anderen ist der Anspruch des Klägers auf unquotierte Vergütung seiner Leistungen in allen sechs streitbefangenen Quartalen umstritten. Insoweit hat das SG die Klage abgewiesen, und das LSG hat die Berufung mit dem angefochtenen Urteil zurückgewiesen. Nur in diesem Umfang ist das Urteil Gegenstand des beim Senat anhängigen Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde.
Das LSG hat die Zurückweisung der auf unquotierte Vergütung seiner Leistungen gerichteten Berufung des Klägers damit begründet, dieser könne mit seinem Begehren bereits deshalb nicht durchdringen, weil die Bescheide über die Zuweisung von RLV und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen von ihm nicht angefochten worden seien. Sowohl die maßgeblichen Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) als auch die den Bescheiden zugrundliegenden Regelungen des Honorarverteilungsvertrags seien rechtmäßig (Urteil vom 26.4.2017).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht.
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
a) Der Kläger stellt die Frage,
"Verletzt die Nichtumsetzung der in den streitgegenständlichen Quartalen geltenden gesetzlichen Vorgaben in § 87 Abs 2f SGB V (Festlegung von Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V) und in § 87 Abs 3 SGB V (Bestimmung der Morbidität nach Satz 1 mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht) durch den zuständigen (Erweiterten) Bewertungsausschuss in Teil C. bzw Teil F. seiner Beschlüsse vom 27./28.8.2008 bzw 2.9.2009 und die folgende Duldung dieser Rechtsverstöße durch den erkennenden Senat den Bf. in seinen Grundrechten aus Art 12 Abs 1 Satz 2, Art 2 Abs 1, jeweils in Verbindung mit Art 20 Abs 3 GG?"
Es kann offenbleiben, ob das Vorbringen des Klägers den Darlegungsanforderungen genügt. Wer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Grundrechte beschränken. Vielmehr muss der Beschwerdeführer unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - Juris RdNr 7 mwN). Eine solche gründliche Erörterung der höchstrichterlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt die Beschwerde bereits vermissen. Auch fehlt es an Darlegungen dazu, warum einer Rechtsfrage zu ausgelaufenem Recht grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Hinweis auf zwanzig dem Prozessbevollmächtigten bekannte Fälle reicht insofern nicht. Auch der Vortrag, die Frage, ob die Gerichte "Ungehorsam" gegenüber dem Gesetzgeber dulden dürfen, spiele immer wieder eine Rolle, führt in dieser plakativen Allgemeinheit nicht weiter. Schließlich ist nach dem Vorbringen des Klägers auch nicht erkennbar, inwiefern die Rechtsfrage im konkreten Fall klärungsfähig ist.
Jedenfalls kann die Frage auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats eindeutig beantwortet werden. In dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Senats vom 11.12.2013 (B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5) hat der Senat bekräftigt, dass die fehlende Vorgabe von Indikatoren durch den EBewA die Vertragspartner auf regionaler Ebene nicht gehindert hat, nach eigener Entscheidung Zuschläge oder Abschläge von den Orientierungswerten zu vereinbaren (so schon das Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 33 ff), die Vertragsärzte durch die fehlenden Vorgaben mithin nicht beschwert waren. Ebenso hat der Senat sich mit der Berücksichtigung des Kriteriums "Geschlecht" befasst und die Feststellungen des EBewA für ausreichend gehalten (SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 28 f). Wenn der Senat keine Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit gemacht hat, beruhte dies darauf, dass insofern keine Zweifel bestanden. Der nicht näher substantiierte Vortrag des Kläger gibt keinen Anlass zu weiteren Überlegungen. Die Ausführungen des Klägers verhalten sich ausschließlich dazu, dass der Senat das Vorgehen des EBewA nicht zutreffend beurteilt hat. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht aufgezeigt.
b) Auch die Frage,
"Verstößt es gegen das Gebot des venire contra factum proprium gem § 242 BGB, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung schriftlichen Regelungen bewusst nicht die äußere Form eines Bescheides gibt, um massenweisen Widersprüchen vorzubeugen, sich aber nachträglich auf eine Bescheideigenschaft beruft?",
erfüllt die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht. Diese Frage kann abstrakt ohne Weiteres bejaht werden, sodass ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Klärungsfähigkeit im Fall des Klägers. Das LSG hat einen solchen Sachverhalt nicht festgestellt. Soweit der Kläger eine andere Auffassung vorträgt, greift er lediglich die Bewertung des LSG im Einzelfall an.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Als erfolgloser Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt zunächst der von keinem Beteiligten angegriffenen Festsetzung des LSG (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG). In Anlehnung an die Kostenquotelung des Berufungsgerichts reduziert der Senat den Streitwert für das Beschwerdeverfahren um 1/7 dieses Wertes, weil ihm nur die Auswirkungen der Quotierungsvorgaben auf die Rechtmäßigkeit der RLV, nicht aber der Praxisbesonderheiten angefallen sind.
Fundstellen
Dokument-Index HI11371801 |