Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Klägers zu 2. und der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 16.5.2017 bis zum 30.6.2019.
Der Kläger übte in diesem Zeitraum die Tätigkeit eines ausgebildeten Physiotherapeuten in der Praxis der Klägerin aus. Auf seinen Statusfeststellungsantrag stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Kläger dessen Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung fest (Bescheide vom 27.11.2017; Widerspruchsbescheide vom 9.4.2018).
Das SG Mannheim hat unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen festgestellt, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht unterlegen habe (Urteil vom 28.11.2019). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben sowie die Klagen abgewiesen. Physiotherapeuten, die nicht zur Leistungserbringung im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassen seien, könnten zwar grundsätzlich auch Leistungen im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erbringen. Maßgeblich seien stets die konkreten Umstände. Maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung des Klägers sei seine Eingliederung in die Organisationsstruktur und die Arbeitsabläufe der Klägerin. Darüber hinaus sei die Abrechnung der dort durchgeführten Behandlungen durch die Klägerin über das von ihr vorgehaltene Abrechnungssystem erfolgt. Dass die Leistungen durch den Kläger nicht abrechnungsfähig seien und von der Klägerin als zugelassene Leistungserbringerin gegenüber den Krankenkassen geltend gemacht werden könnten, komme insoweit nur eine untergeordnete Bedeutung bei. Erhebliche Indizien, die für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen, konnte das LSG nicht erkennen. Ein das Gesamtbild prägendes Unternehmerrisiko habe der Kläger nicht getragen. Seine Tätigkeit habe keine relevanten Betriebsmittel erfordert und seine Arbeitskraft habe er nicht mit der Gefahr des Verlustrisikos eingesetzt. Für die erbrachten Behandlungsleistungen habe er eine Vergütung von 70% der von der Klägerin mit der Krankenkasse abgerechneten Vergütungen erhalten. Unter Abwägung aller Merkmale führe das Gesamtbild der Tätigkeit zum Vorliegen einer Beschäftigung (Urteil vom 16.7.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft in der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:
"- Dürfen bei der Gesamtwürdigung im Rahmen der Prüfung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, Umstände, die sich aus einem gesetzlich vorgegebenem Zulassungskriteriums ergeben, entscheidende Berücksichtigung finden?
- Müssen bei der Gesamtwürdigung aller für und gegen eine abhängige Beschäftigung bzw. selbständige Tätigkeit sprechende Umstände diejenigen außer Betracht gelassen werden, die sich aus anderweitigen gesetzlichen Vorschriften wie bspw. die §§ 124, 125 SGB V für den Bereich der Physiotherapeuten ergeben?"
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit hinreichend bestimmte abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung und Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formuliert. Denn die Klägerin hat insoweit jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt.
Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Mit solcher Rechtsprechung hat sich eine Beschwerde auseinanderzusetzen. Der Hinweis der Klägerin, dass es "genau zu diesem Punkt" noch keine Rechtsprechung gebe, reicht daher nicht.
Darüber hinaus führt die Klägerin aus, das LSG mache im Rahmen der Gesamtgewichtung Merkmale geltend, die sich aus der gesetzlichen Zulassungssystematik für den Bereich der Physiotherapeuten ergäben (§§ 124, 125 SGB V). Indem das Berufungsgericht darauf abstelle, dass dem Kläger durch die Abrechnung seiner Leistungen über die Kassenzulassung der Klägerin das unternehmerische Risiko fehlen würde, orientiere es sich entscheidungserheblich an einem Merkmal, das nicht individuell abänderbar sei. Würde dieser Auffassung gefolgt, wäre im Bereich der Physiotherapeuten überhaupt keine selbstständige Tätigkeit neben den zugelassenen Praxisinhabern mehr möglich. Dies entspreche aber gerade nicht der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 mwN).
Auch diese Darlegungen stellen keine hinreichende Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Im Senatsurteil vom 24.3.2016 (B 12 KR 20/14 R, aaO) wird ausgeführt, dass der Regelung in § 124 Abs 1 SGB V eine über das Leistungserbringerrecht der GKV hinausgehende "übergeordnete" und "determinierende Wirkung" auf die sozialversicherungsrechtliche Frage des Vorliegens von Beschäftigung fehle (BSG aaO RdNr 28). Maßgeblich bleibt vielmehr die Gesamtabwägung der Einzelfallumstände (BSG aaO RdNr 22, 25). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Senat in seinen Entscheidungen zum Status von Honorarärzten ausgeführt, dass regulatorischen Vorgaben zwar keine zwingende Wirkung auf den sozialversicherungsrechtlichen Status zukomme, sie aber bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung berücksichtigt werden könnten (vgl zB BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 25). Zuletzt hat der Senat in seinem Urteil vom 27.4.2021 (B 12 R 16/19 R - juris RdNr 15 ff mwN) klargestellt, dass bei der Gesamtabwägung sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen seien, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentliche-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt seien oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" lägen. Warum angesichts dieser Rechtsprechung ein weiterer höchstrichterlicher Klärungsbedarf für die aufgeworfenen Fragen bestehen sollte, legt die Beschwerdebegründung nicht substantiiert dar.
2. Auch soweit die Klägerin den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) wegen einer Abweichung des LSG von der Entscheidung des BSG vom 24.3.2016 (B 12 KR 20/14 R, aaO) geltend macht, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen.
Sie räumt ein, dass das LSG dieses Urteil ausdrücklich zitiert und daher dem Fehlen der eigenen Abrechnungsberechtigung des Klägers gegenüber der Krankenkasse nur eine untergeordnete Bedeutung bei der Frage des Eingliederung beimisst. In der Folge sehe das Berufungsgericht die fehlende Abrechnungsberechtigung aber bei der Prüfung des Unternehmerrisikos als entscheidend an. Damit verkenne das LSG die Tragweite der oben genannten Entscheidung des BSG und höhle die vom BSG anerkannte Möglichkeit einer selbstständigen Tätigkeit in der Praxis eines zugelassenen Physiotherapeuten aus.
Mit diesem Vortrag arbeitet die Klägerin nicht - wie erforderlich - einen abstrakten tragenden Rechtssatz des LSG heraus, der einem solchen in der genannten Entscheidung des BSG widersprechen würde. Sie wendet sich vielmehr im Kern gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Für eine Divergenzrüge reicht aber die Rüge, das LSG habe fehlerhaft das Recht angewendet und eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall missverstanden oder übersehen, nicht aus (vgl BSG Beschluss vom 1.10.2019 - B 13 R 105/19 B - juris RdNr 8 mwN). Mit der Behauptung, das Urteil des LSG sei inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision nicht erreichen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 29.4.2019 - B 12 R 59/18 B - juris RdNr 14).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO. Für die Frage, ob iS von § 197a SGG weder die Klägerin noch die Beklagte zu den nach § 183 SGG genannten Personen gehören und deshalb Kosten nach dem GKG zu erheben sowie die Vorschriften der VwGO entsprechend anzuwenden sind, ist auf die Beteiligtenrollen des jeweiligen Rechtszugs abzustellen (vgl BSG Beschluss vom 26.3.2019 - B 12 R 47/18 B - juris RdNr 16 mwN). Im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sind die Voraussetzungen des § 197a SGG erfüllt, da allein die Klägerin die Beschwerde erhoben hat und sie als Arbeit- oder Auftraggeberin nicht dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis angehört.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15092175 |