Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 14.09.2016; Aktenzeichen L 6 KR 54/14) |
SG Halle (Saale) (Entscheidung vom 13.10.2010; Aktenzeichen S 20 KR 135/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. September 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten (noch) über die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 1.11.2004 bis Ende 2009.
Der Kläger bezieht seit Oktober 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Durch Bescheid vom 6.2.2006 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten fest, dass der Kläger bei ihr ab 1.11.2004 als landwirtschaftlicher Unternehmer kranken- und pflegeversichert ist. In der Folge ergingen zT im Wege des Überprüfungsverfahrens weitere Bescheide. Der Widerspruch des Klägers blieb insgesamt (Widerspruchsbescheid vom 9.5.2007), seine Klage überwiegend erfolglos (SG Urteil vom 13.10.2010). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und seine Klage abgewiesen (Urteil vom 14.9.2016). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 14.9.2016 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 18.11.2016 auf alle drei Zulassungsgründe.
1. Der Kläger legt den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen nach § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise dar.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 1 und 12 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob ein Rentner mit 100 % Erwerbsunfähigkeit noch landwirtschaftlicher Unternehmer sein kann."
Als EU-Rentner habe er nur ein Restleistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich. Damit könne er kein hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer sein und auch hauptberuflich kein landwirtschaftliches Unternehmen führen.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht, weil der Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
b) Darüber hinaus legt der Kläger auch die Klärungsbedürftigkeit seiner Frage - deren Qualität als in einem Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - nicht hinreichend dar. Trotz der Hinweise im angefochtenen Urteil befasst er sich weder mit der Rechtslage noch mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Hierzu hätte aber auch deshalb Anlass bestanden, weil die Eigenschaft als Unternehmer regelmäßig nicht eine "körperliche" Arbeit voraussetzt (vgl zB BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 KR 1/07 R - BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6, RdNr 36). Im Übrigen rügt der Kläger im Kern seines Vorbringens lediglich die Rechtsanwendung im Einzelfall. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
2. Der Kläger legt auch den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in zulässiger Weise dar.
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Auf Seite 2 und 13 der Beschwerdebegründung behauptet der Kläger, das angefochtene Urteil weiche von dem Beschluss des BGH "als einer Entscheidung des Bundesrechts, vom 28.04.2006, Az.: BLw 32/05, ab" und beruhe darauf.
Hierdurch legt der Kläger das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Divergenz schon deshalb nicht in zulässiger Weise dar, weil der BGH nicht zu den nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG divergenzfähigen Gerichten gehört.
3. Der Kläger zeigt auch keine Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise auf.
a) Auf Seite 2 und 14 der Beschwerdebegründung behauptet der Kläger, es liege eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor: Er sei von der Urteilsverkündung am 14.9.2016 durch eine Anordnung des Vorsitzenden Richters "ausgeschlossen und des Gerichtsgebäudes durch Justizwachtmeister (Bodyguards) verwiesen worden. (Verletzung von § 132 SGG)". Der Ausschluss von der Urteilsverkündung sei in der Niederschrift dokumentiert.
Ferner führt er auf Seite 14 der Beschwerdebegründung aus:
"Für den Kläger erschließt sich nicht, warum die archäologischen Funde, die während der gesamten Berufungsverhandlung vor ihm auf den Tisch lagen und von der Kontrolle beim Eingang in das Justizgebäude nicht beanstandet wurden, am Ende der Berufungsverhandlung aus 'Sicherheitsgründen' einbehalten werden sollen. Keiner der Richter hat die vor dem Kläger auf den Tisch liegenden archäologischen Funde von 13.30 Uhr bis 15.15. Uhr am 14.09.2016 als Bedrohung des Gerichts zur Urteilsverkündung angesehen.
Es war keine grobe Ungebühr zu befürchten.
Der Rausschmiß des Klägers verletzte seinen Anspruch auf ein faires Verfahren gem. Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip"
Hierdurch zeigt der Kläger einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise auf.
Aus der Niederschrift vom 14.9.2016 ergibt sich insoweit Folgendes:
"Der Vorsitzende weist den Kläger darauf hin, dass er in normaler Lautstärke die Verhandlung führen und nicht im Saal herumschreien soll. Er weist ihn darauf hin, dass er ihn anderenfalls des Saals verweisen wird."
(…)
"Der Kläger verlässt um 14.45 Uhr den Saal, nachdem der Vorsitzende ihn energisch zur Ruhe aufgefordert hat."
(…)
"Nach Beginn der Beratung wird der Vorsitzende durch einen Wachtmeister darauf hingewiesen, dass der Kläger an seinem Platz im Sitzungssaal u.a. drei Steine abgelegt hat. Daraufhin verfügt der Vorsitzende aus Sicherheitsgründen, dass die Steine einbehalten werden und eröffnet dem Kläger die Entscheidung. Daraufhin nimmt der Kläger die Steine an sich und verweigert die Herausgabe. Der Vorsitzende ordnet daraufhin an, dass der Kläger in Begleitung der Wachtmeister das Haus verlässt."
aa) Der Kläger zeigt bereits keinen Verfahrensmangel in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise auf.
(a) Den an die Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu stellenden Anforderungen genügt der Kläger mit diesen Ausführungen bereits deshalb nicht, weil er nicht - wie aber erforderlich - detailliert darlegt, welches konkrete Vorbringen von ihm selbst und nicht von dem die ganze Zeit anwesenden Prozessbevollmächtigten vom LSG übergangen worden sein soll, und dass sich das vorinstanzliche Gericht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung mit dem Vorbringen überhaupt hätte auseinandersetzen müssen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN). Hinzu kommt, dass die Anordnung, wonach der Kläger das Haus zu verlassen habe, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ergangen ist.
(b) Der Kläger setzt sich zudem nicht mit den Vorschriften der Sitzungspolizei (§ 176 GVG) und den Maßnahmen bei Ungehorsam (§ 177 GVG) auseinander. Hierzu hätte aber aufgrund der in der Niederschrift festgehaltenen Abläufe und seines eigenen Einräumens, Steine - deren Verwendungsmöglichkeit als gefährliche Wurfgeschosse außer Frage steht - in die mündliche Verhandlung mitgenommen und an seinem Platz abgelegt zu haben, Anlass bestanden.
Insbesondere einen Verstoß gegen die in § 177 S 2 GVG geregelte Zuständigkeit für Anordnungen nach Satz 1 der Vorschrift rügt der Kläger nicht ausdrücklich. Hierzu hätte der Kläger ua auch auf das Verhältnis von § 177 S 1 GVG zu § 176 GVG einerseits sowie anderseits auf die Frage des Hausrechts und Maßnahmen der akuten Gefahrenabwehr eingehen müssen. In diesem Zusammenhang hätte er auch der Frage nachgehen müssen, ob es sich bei der Anordnung, das Haus zu verlassen, überhaupt um eine Maßnahme bei Ungehorsam iS von § 177 S 1 GVG gehandelt hat.
Soweit der Kläger auf Seite 11 der Beschwerdebegründung insoweit vorträgt, bei den Steinen habe es sich um "archäologische Funde" gehandelt, die er "dem Gericht als Beweisstücke vorlegen wollte", ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar. Ein Bezug zum Verfahrensgegenstand ist offenkundig nicht gegeben. Demzufolge kann weder der Beschwerdebegründung noch der Niederschrift ein entsprechender Beweisantrag des Klägers entnommen werden. Ebenso wenig ist sein Vortrag, die Steine hätten bereits während der Verhandlung auf dem Tisch gelegen, geeignet, die Ungefährlichkeit der Steine und der Situation zu belegen. Zudem erklärt dieses Vorbringen auch nicht die Abläufe, wie sie in der Niederschrift dokumentiert sind, insbesondere, warum der Kläger die Steine an sich genommen und die Herausgabe verweigert hat.
(c) Darüber hinaus setzt sich der Kläger nicht hinreichend mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz des Verfahrens auseinander. So unterstellt er ohne Begründung, da die Verkündung nach § 173 Abs 1 GVG "in jedem Fall" öffentlich sein müsse, müsse ihm als Kläger auch die Anwesenheit bei der Entscheidungsverkündung ermöglicht werden. Inwieweit hierzu Maßnahmen der akuten Gefahrenabwehr, die sich ua auf §§ 176 f GVG stützen können, eine Ausnahme darstellen können, legt der Kläger nicht dar.
bb) Darüber befasst sich die Beschwerdebegründung auch nicht mit der Frage der Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels.
(a) Der Kläger zeigt nicht hinreichend auf, inwieweit es sich bei dem behaupteten Verstoß um einen absoluten Revisionsgrund der Verletzung der Öffentlichkeit nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 5 ZPO handeln kann, weil er sich wiederum mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz und der ua zu § 173 Abs 1 GVG ergangenen Rechtsprechung (vgl BVerwG Beschluss vom 23.11.1989 - 6 C 29/88 - NJW 1990, 1249) nicht hinreichend befasst.
(b) Weder der Beschwerdebegründung noch der Niederschrift kann entnommen werden, dass der durchgängig anwesende Prozessbevollmächtigte des Klägers an einem weiteren Vorbringen gehindert war oder Anträge im Hinblick auf die Verfahrensführung und/oder die Anordnung der Einbehaltung der Steine und/oder die Anordnung, samt Steinen das Haus zu verlassen, gestellt oder eine Gegenvorstellung erhoben hätte. Fehler in der Niederschrift trägt der Kläger ebenso wenig vor, wie sein - in diesem Fall erforderliches - Bemühen um eine Berichtigung der Sitzungsniederschrift (vgl zB BSG Beschluss vom 3.11.2014 - B 12 KR 48/14 B - RdNr 9, Juris).
b) Soweit der Kläger auf Seite 10 der Beschwerdebegründung vermeintliche Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung vor dem SG rügt, legt er nicht dar, inwieweit diese - ihr Vorliegen unterstellt - überhaupt Einfluss auf das Berufungsverfahren hatten.
4. Aus den weiteren Schriftsätzen des Klägers vom 10.12.2016, 2.2.1017, 23.3.2017 und 28.3.2017 ergeben sich - unabhängig davon, dass diese überwiegend erst nach der am 2.1.2017 abgelaufenen Begründungsfrist (§ 160a Abs 2 S 1 SGG) eingegangen sind, - keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrunds.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10807092 |