Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 06.12.2017; Aktenzeichen L 12 KA 79/16) |
SG München (Entscheidung vom 01.07.2016; Aktenzeichen S 49 KA 408/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2017 (L 12 KA 79/16) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Verlängerung der Frist zur Nachbesetzung der Stelle in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) und um die Umwandlung der Anstellung in eine Zulassung.
Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 1.3.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. In der Folge wurde das von ihr getragene MVZ jedenfalls zunächst weiter betrieben. Ab dem 21.7.2015 ordnete der Zulassungsausschuss (ZA) auf Antrag der Klägerin das Ruhen der Zulassung bis zum 31.12.2015 mit der Begründung an, dass im MVZ seit dem 1.7.2015 keine Ärzte mehr tätig seien. Den Antrag der Klägerin, das Ruhen über den 31.12.2015 hinaus zu verlängern, lehnte der ZA ab und entzog der Klägerin die Zulassung. Widerspruch, Klage und Berufung gegen diesen Bescheid blieben ohne Erfolg. Ein die Nichtzulassung der Revision durch das LSG betreffendes Beschwerdeverfahren ist beim BSG unter dem Aktenzeichen B 6 KA 7/18 B anhängig (Entscheidung ebenfalls am 12.12.2018).
Bereits mit Beschluss vom 4.12.2013/Bescheid vom 5.12.2013 gab der beklagte Berufungsausschuss einem Antrag der Klägerin statt, die Anstellung der Nuklearmedizinerin K. mit Wirkung zum 1.4.2014 in eine Zulassung umzuwandeln. Inhaberin der Zulassung werde Frau K. Gegen den Beschluss wurde kein Rechtsbehelf eingelegt. Frau K. verzichtete gegenüber dem ZA unmittelbar danach mit dem Ziel auf die ihr erteilte Zulassung, ab dem 1.4.2014 in denselben Räumen wie bisher in dem MVZ eines anderen Trägers tätig zu werden.
Die Ärztin beendete ihre Tätigkeit bei der Klägerin spätestens zum 31.3.2014, nahm die vorgesehene Tätigkeit als Angestellte bei dem anderen Träger ab dem 1.4.2014 jedoch nicht auf.
Am 27.8.2014 beantragte die Klägerin erneut die Nachbesetzung der Stelle der Nuklearmedizinerin K. und machte zur Begründung geltend, dass die Anstellung der Frau K. zum 31.3.2014 beendet worden sei. Außerdem wurde die Verlängerung der Frist zur Nachbesetzung der Stelle der Frau K. um weitere sechs Monate beantragt. Diese Anträge lehnte der ZA mit der Begründung ab, dass die Stelle der Frau K. bereits in eine Zulassung umgewandelt worden sei, auf die sie sofort wieder verzichtet habe, um im MVZ eines anderen Trägers als Angestellte tätig zu werden. Eine genehmigte Anstellung der Frau K. bei der Klägerin, die in eine Zulassung umgewandelt werden könne, existiere nicht mehr. Aus diesem Grunde könne die Frist zur Nachbesetzung der Stelle der Frau K. auch nicht verlängert werden. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
1. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG Beschluss vom 16.11.1995 - 11 BAr 117/95 - SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG Beschluss vom 14.8.2000 - B 2 U 86/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - Juris RdNr 4).
Die Klägerin bezeichnet die folgende Rechtsfrage als grundsätzlich klärungsbedürftig:
"Setzt die Umwandlung einer Arztstelle in eine Zulassung gemäß § 95 Abs. 9b Alt. 2 SGB V, § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV voraus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem bisherigen Arbeitgeber (egal ob medizinisches Versorgungszentrum oder Vertragsarzt) und dem angestellten Arzt, der dann zugelassen werden soll, auch noch im Umwandlungszeitpunkt fortbesteht?"
a) Wie auch der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu entnehmen ist, liegt dieser Frage die Annahme zugrunde, dass die Arztstelle der Nuklearmedizinerin K. noch nachbesetzt werden könne, wenn die Voraussetzungen einer Umwandlung dieser Stelle in eine Zulassung zum Umwandlungszeitpunkt am 1.4.2014 nicht mehr vorgelegen hätten. Das trifft indes nicht zu, weil der ergangene Bescheid zur Umwandlung der Anstellung in eine Zulassung in Bestandskraft erwachsen ist, nachdem dagegen kein Widerspruch eingelegt worden ist. Ein solcher bestandkräftiger Bescheid, der - wie hier - nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, bleibt nach § 39 Abs 2 SGB X wirksam. Insofern kommt es für die Entscheidung auf die formulierte Rechtsfrage nicht an.
Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn der Bescheid der Beklagten vom 5.12.2013, mit dem die Umwandlung der Anstellung der Frau K. in eine Zulassung verfügt worden ist, unwirksam wäre. Das ist indes nicht der Fall. Unwirksam ist nach § 39 Abs 3 SGB X nur ein nichtiger Verwaltungsakt. Der Bescheid über die Umwandlung der Anstellung der Frau K. in eine Zulassung ist ersichtlich weder nichtig noch hat er sich auf andere Weise erledigt. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts setzt nach § 40 Abs 1 SGB X voraus, dass er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. An einem solchen schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler leidet der Umwandlungsbescheid des ZA vom 5.12.2013 jedenfalls nicht und das wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Der Umstand, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin möglicherweise nicht zum 31.3.2014, sondern bereits zum 30.3.2014 gekündigt worden ist, hat auch nicht die Erledigung des Verwaltungsakts zur Folge. Erledigung tritt ein, wenn der Verwaltungsakt seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist (vgl Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 39 RdNr 14 mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzung wäre beim Tod der Angestellten vor Wirksamwerden der Umwandlung, in Betracht zu ziehen, weil die Person, der die Zulassung erteilt wird, damit zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr existiert. Nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bleibt die Möglichkeit, die vertragsärztliche Tätigkeit mit dem Wirksamwerden der Umwandlung aufzunehmen, jedoch erhalten. Dass die (ehemalige) Angestellte die vertragsärztliche Tätigkeit hier nicht aufgenommen hat und - nach sofortiger "Rückumwandlung" in eine Anstellungsgenehmigung mWv 1.4.2014 - offenbar auch nicht als Angestellte tätig geworden ist, hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Umwandlungsbescheides.
b) Die mit bestandskräftigem Bescheid vom 5.12.2013 verfügte Umwandlung der genehmigten Anstellung der Frau K. in eine Zulassung hat zur Folge, dass die Anstellungsgenehmigung nicht mehr existiert und dass die Stelle auch nicht mehr nachbesetzt werden kann. Das folgt aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 95 Abs 9b S 1 SGB V ("Eine genehmigte Anstellung … ist ... in eine Zulassung umzuwandeln …"); die Bedeutung des Wortes "umzuwandeln" schließt es aus, dass der Status der Anstellung neben dem neu entstehenden Status der Zulassung unverändert erhalten bleiben könnte. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte sowie den Sinn der Regelung bestätigt: Die Vorschrift ist gleichsam als Gegenstück zu der Einbringung einer Zulassung in ein MVZ ua mit dem Ziel konzipiert worden, Vertragsärzten, die ihre Zulassung in ein MVZ eingebracht haben, die Möglichkeit zu geben, die Anstellung wieder in eine Zulassung zurückumzuwandeln (vgl BT-Drucks 17/6906 S 72). Ausschlaggebend war dabei die Überlegung, dass es aus Sicht der Bedarfsplanung keinen Unterschied macht, ob ein MVZ von der Möglichkeit zur Nachbesetzung einer Arztstelle Gebrauch macht, oder die Anstellung statt dessen in eine Zulassung umwandelt (BT-Drucks 17/6906 S 71). Die vorausgesetzte bedarfsplanungsrechtliche Neutralität schließt es aus, dass die Anstellungsgenehmigung nach der Umwandlung in eine Zulassung fortbesteht. Auf das weitere Schicksal der bestandskräftig erteilten Zulassung kommt es nach dem Wortlaut des § 95 Abs 9b SGB V nicht an; die umgewandelte Anstellungsgenehmigung lebt deshalb auch nicht wieder auf, wenn die Zulassung später entzogen wird, kraft Gesetzes entfällt oder - wie hier - erneut in eine Anstellung bei einem anderen Träger umgewandelt wird.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegenhalten werden, dass die Versorgung der Patienten durch die damit im Ergebnis bewirkte Reduzierung des Versorgungsgrades beeinträchtigt würde. Den MVZ ist die Möglichkeit, Stellen auch in überversorgten Planungsbereichen nachzubesetzen (eingeführt mWv 1.1.2004 durch § 103 Abs 4a SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190; seit der Neufassung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983 inhaltlich unverändert als § 103 Abs 4b S 3 SGB V) nicht mit Blick auf die Sicherstellung der Versorgung eingeräumt werden, sondern um ihnen - unter Inkaufnahme der fortbestehenden Überversorgung - die Fortführung in ihren bestehenden Strukturen zu ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 28.9.2016 - B 6 KA 40/15 R - BSGE 122, 55 = SozR 4-2500 § 103 Nr 22, RdNr 19 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung: BT-Drucks 15/1525 S 112). Mit dem Antrag, die Anstellung in eine Zulassung umzuwandeln und dem (ehemals) angestellten Arzt die Zulassung zu erteilen, verzichtet das MVZ auf die Nachbesetzung der Angestelltenstelle. Wenn der Arzt, dem die Zulassung nach § 95 Abs 9b SGB V im Wege der Umwandlung übertragen worden ist, von dieser Zulassung keinen Gebrauch macht, fällt die Stelle nicht an das MVZ zurück. Vielmehr wird in einem überversorgten Planungsbereich ein grundsätzlich gewollter - Abbau der Überversorgung bewirkt (vgl BSG Urteil vom 11.10.2017 - B 6 KA 27/16 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 32 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Der Senat verkennt nicht, dass der Gesetzgeber dem MVZ mit der Einführung des § 95 Abs 9b SGB V auch die Möglichkeit geben wollte, eine nicht mehr benötigte Anstellung wirtschaftlich zu "verwerten" (so die Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/6906 S 72). Wenn die Umwandlung - wie hier - durchgeführt worden ist und dem (ehemals) angestellten Arzt die Zulassung erteilt worden ist, ist die "Verwertung" jedoch abgeschlossen. Auf den konkreten Inhalt der in der Praxis regelmäßig dahinterstehenden - auch in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde von der Klägerin angesprochenen - zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Träger eines MVZ und dem (ehemaligen) Angestellten und damit die Frage, ob sich die mit der Umwandlung verbundenen wirtschaftlichen Erwartungen des MVZ erfüllt haben, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Wie die mit § 95 Abs 9b SGB V ermöglichte "Verwertung" vertraglich umgesetzt wird, ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl dazu BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der Festsetzung des LSG, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist.
Fundstellen
Dokument-Index HI12719871 |