Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 19.09.2017; Aktenzeichen L 16 KR 134/17) |
SG Stade (Entscheidung vom 07.02.2017; Aktenzeichen S 15 KR 116/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. September 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 19.9.2017 einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Krankengeld im Zeitraum vom 4.9. bis zum 30.11.2014 verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und rügt eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz nicht formgerecht dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält für grundsätzliche bedeutsam die Frage,
"ob durch ein medikamentös bedingtes einmaliges Fehlverhalten einer Versicherten derart schwerwiegende Konsequenzen gerechtfertigt sind".
Hierzu führt sie aus, dass sie aufgrund der Einnahme verschiedener Medikamente versehentlich nicht erkannt habe, dass die Zahl auf der Krankmeldung nicht eine "acht", sondern eine "sechs" gewesen sei. Daher habe sie sich erst am 8.1.2014 wieder in ihrer Arztpraxis gemeldet, um die Krankmeldung zu verlängern. Aufgrund der Lückenhaftigkeit dieser ärztlichen Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit habe die Beklagte die Zahlung von Krankengeld abgelehnt.
Mit ihrem Vortrag hat die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Bei der von ihr aufgeworfenen Frage handelt es sich bereits nicht um eine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung und Anwendung von Bundesrecht (§ 162 SGG). Es fehlt schon an der Bezeichnung einer konkreten revisiblen Norm, die einer revisionsrechtlichen Überprüfung unterzogen werden soll. Die Frage zielt vielmehr auf den Einzelfall der Klägerin ab und enthält Tatsachenelemente, die das Vordergericht würdigen und feststellen muss. Im Übrigen mangelt es aber auch an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der hinter dieser Frage stehenden Problematik. Es fehlt an hinreichender Auseinandersetzung mit der bereits umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Frage der Nahtlosigkeit von ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit und den hierzu von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen, die die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung selbst erwähnt (vgl Senatsurteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - SozR 4-2500 § 46 Nr 8, auch für BSGE vorgesehen). Insofern bleibt unklar, in welcher Hinsicht darüber hinaus grundsätzlicher neuer Klärungsbedarf noch bestehen soll. Dass die Klägerin die vom LSG getroffene Entscheidung auf der Basis der Rechtsprechung des BSG für unzutreffend hält, stellt für sich genommen keinen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr, vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
2. Die Klägerin hat auch keine Divergenz hinreichend dargetan.
Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn der Beschluss des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass der angefochtene Beschluss auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Beschluss des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beschluss des LSG "von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.5.2017" abweiche. Unter Berücksichtigung der in diesem Urteil (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 8, auch für BSGE vorgesehen) aufgezeigten Maßgaben scheine es treuwidrig, dass sich Krankenkassen ihrer Leistungspflicht entziehen könnten. Nach den Maßgaben des BSG sei die Ablehnung des Krankenversicherungsschutzes bzw die (fehlende) Fortzahlung des Krankengeldes hier jedenfalls nicht gerechtfertigt gewesen.
Mit diesem Vortrag hat die Klägerin eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt. Es fehlt schon an einer Gegenüberstellung von sich widersprechenden abstrakten Rechtssätzen aus dem zitierten Beschluss des LSG einerseits und aus dem in Bezug genommenen Urteil des BSG andererseits. Stattdessen subsumiert die Klägerin die Sachverhaltskonstellation ihres Falls anhand der vorgenannten Rechtsprechung des BSG und zieht daraus den Schluss, dass das LSG auf dieser Basis den Fall falsch entschieden habe. Eine sogenannte "Subsumtionsrüge" erfüllt aber grundsätzlich nicht die Darlegungsanforderungen an das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 6/09 B - Juris RdNr 16 mwN). Es fehlt an der Nichtübereinstimmung und Widersprüchlichkeit der Entscheidungen im Grundsätzlichen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11650398 |