Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte unter Beifügung einer Stellungnahme der Praxis für Lipödem-Chirurgie (später: L) erfolglos Liposuktionen der Beine und Oberarme. Während des Klageverfahrens ließ sie diese an drei einzelnen Tagen in der L durchführen. Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die dafür entstandenen Kosten von 14 985 Euro zu erstatten, weil die beantragte Leistung als genehmigt gelte. Die Klägerin habe die Liposuktionen für die Behandlung ihrer Erkrankung als geeignet und erforderlich halten dürfen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Rechnungen der L unterlägen dem Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ); sie seien aber nicht GOÄ-konform. Insbesondere verstießen sie gegen § 12 Abs 2 Nr 2 GOÄ und hätten deshalb keinen fälligen Vergütungsanspruch begründet. Eine fällige Forderung ergebe sich auch nicht aus den Behandlungsverträgen, die zwar GOÄ-Ziffern, den Faktor und die Leistungsbeschreibung sowie den Gesamtbetrag enthielten. Es lasse sich den Angaben jedoch nicht entnehmen, wie sich der Gesamtbetrag zusammensetze, insbesondere ob Ziffern mehrfach angesetzt worden seien. Sie genügten nicht den Anforderungen nach § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ. Nur ergänzend werde darauf hingewiesen, dass in der Sache Pauschalhonorare abgerechnet worden seien (Urteil vom 29.1.2020).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG; dazu 1.), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG; dazu 2.) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG; dazu 3.).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 14/19 B - juris RdNr 4 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Die Klägerin formuliert weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Rechtsfrage.
Selbst wenn man ihrem weiteren Vorbringen zur Divergenz (vgl dazu 2.) eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zur GOÄ-Konformität von (Privat-)Arztrechnungen entnehmen könnte, trägt die Klägerin nichts zur Klärungsbedürftigkeit vor. Dies wäre aber wegen des Hinweises des LSG auf die Urteile des erkennenden Senats vom 2.9.2014 (B 1 KR 11/13 R - BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32) und vom 11.7.2017 (B 1 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 37) geboten gewesen. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 2.9.2014 - auch unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BGH - ausgeführt (aaO RdNr 27):
"Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen (…). Die Fälligkeit der Vergütung hängt davon ab, dass die Rechnung die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ erfüllt. Dies entspricht dem Zweck der komplexen Regelung über den notwendigen Inhalt einer Rechnung, dem Zahlungspflichtigen, von dem weder medizinische noch gebührenrechtliche Kenntnisse erwartet werden können, eine Grundlage für eine Überprüfung der in Rechnung gestellten Leistungen zu geben. Die Fälligkeit wird nicht davon berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimmt."
Die Klägerin setzt sich hiermit nicht auseinander. Sie macht im Kern nur geltend, dass die Auffassung des LSG zur GOÄ-Konformität der Abrechnungen der L unzutreffend sei. Auf die GOÄ-Konformität könne es nicht ankommen. Dieses Vorbringen erfüllt nicht die Darlegungsvoraussetzungen. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - juris RdNr 7; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG ≪Dreierausschuss≫; vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8).
Es kann offenbleiben, ob die Klägerin abstrakte Rechtssätze des BSG formuliert, indem sie aus den Terminberichten des erkennenden Senats zu den Urteilen vom 11.7.2017 (B 1 KR 1/17 R) und vom 26.5.2020 (B 1 KR 9/18 R) zitiert. Die Klägerin legt jedenfalls nicht dar, warum sich aus diesen Passagen ein von einem Rechtssatz des LSG abweichender Rechtssatz ergeben soll.
Die Klägerin stellt dem keinen von ihr ausdrücklich benannten Rechtssatz des LSG gegenüber. Selbst wenn sie sinngemäß formuliert haben sollte, das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, dass Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch eines Versicherten gegen seine KK eine GOÄ-konforme Arztrechnung sei, legt sie nicht dar, dass sich das BSG in den von ihr zitierten Terminberichten zur GOÄ-Konformität der Abrechnungen von Ärzten außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung geäußert habe. Die Klägerin stellt lediglich heraus, dass das BSG im Falle der Leistungsablehnung die Auffassung vertrete, Versicherte müssten sich dann bei der Selbstbeschaffung der Leistungen von ihrer KK nicht länger auf zugelassene Leistungserbringer verweisen lassen. Aus dem klägerischen Vorbringen erschließt sich auch nicht die Bedeutung des in den Vordergrund gestellten guten Glaubens Versicherter für die Frage der GOÄ-Konformität der Arztrechnung. Dieses Vorbringen bezieht sich zwar auf § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V und die neuere Rechtsprechung des erkennenden Senats vom 26.5.2020 (B 1 KR 9/18 R). Die Klägerin legt jedoch nicht dar, dass der erkennende Senat in diesem Urteil seine Rechtsprechung zur GOÄ-Konformität (vgl 1.) aufgegeben habe.
3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sind die Umstände zu bezeichnen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Die Rüge der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) erfordert ua, dass in der Beschwerdebegründung ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener oder im Urteil wiedergegebener Beweisantrag bezeichnet wird, dem das LSG nicht gefolgt ist (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein - wie hier - anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat. Der Tatsacheninstanz soll dadurch nämlich vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (stRspr; vgl BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN).
Die Klägerin führt dazu nur aus, die Instanzgerichte hätten zur Frage, ob bei ihr die Liposuktionen medizinisch notwendig gewesen seien, ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Einen Beweisantrag bezeichnet sie damit nicht.
Wer - wie hier die Klägerin - zugleich mit einem solchen Vorbringen die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) rügt, wird den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsrüge nicht gerecht. Denn die Anforderungen an die Sachaufklärungsrüge dürfen nicht durch ein Ausweichen auf die Gehörsrüge umgangen werden, weil anderenfalls die Beschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG im Ergebnis ins Leere liefen (vgl BSG vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 13 mwN; BSG vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8 mwN).
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14492595 |