Verfahrensgang
SG Oldenburg (Entscheidung vom 06.02.2019; Aktenzeichen S 83 R 315/18) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 19.05.2020; Aktenzeichen L 12 R 24/19) |
Gründe
I
Mit Urteil vom 19.5.2020 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers auf höheres Übergangsgeld während der Teilnahme an einer ab dem 1.8.2011 durchgeführten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Der Kläger macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf Verfahrensmängeln. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Dem genügt die Beschwerdebegründung vom 24.9.2020 nicht.
"Im Wesentlichen" wird vom Kläger ein Verstoß gegen § 103 SGG geltend gemacht. Das Gericht habe seine Entscheidung auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt und insoweit die von ihm erhobenen Einwände keiner neuen gutachterlichen Aufklärung zugeführt. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtskundig vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Entgegen diesen Anforderungen wird mit der Beschwerdebegründung weder ein Beweisantrag bezeichnet, den der Kläger im Berufungsverfahren gestellt hätte, noch wird dargelegt, dass er einen solchen Antrag in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hätte. Daher werden bereits die Mindestanforderungen an eine zulässige Sachaufklärungsrüge verfehlt.
Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, das LSG habe ihn auf die Möglichkeit der Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hinweisen müssen, ist die Beschwerde schon deshalb unzulässig, weil gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG die Rüge eines Verfahrensmangels ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann. Dieser Ausschluss gilt uneingeschränkt und selbst für den Fall einer verfahrensrechtlichen Übergehung eines nach § 109 SGG gestellten Antrags (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 129/78 - SozR 1500 § 160 Nr 34 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 12.7.2012 - B 13 R 463/11 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 27.3.2017 - B 9 SB 67/16 B - juris RdNr 5). Dieser Ausschluss ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfG Beschluss vom 12.4.1989 - 1 BvR 1425/88 - SozR 1500 § 160 Nr 69). Er kann auch nicht mit dem Argument umgangen werden, dass das rechtliche Gehör verletzt sei, wenn solche Anträge ignoriert würden (BSG Beschluss vom 8.5.2012 - B 5 R 48/12 B - juris RdNr 8 mwN). Gleiches hat für die hier behauptete Verletzung der Hinweispflicht nach § 106 Abs 1 SGG zu gelten.
Unzulässig ist die Beschwerde schließlich auch, wenn der Kläger die Berechnung des Übergangsgelds auf Grundlage eines vermeintlich fehlerhaft ermittelten Bemessungsentgelts rügt, Inhalt und Methoden des Gutachtens des Sachverständigen K kritisiert sowie abweichende Vergütungssätze heranziehen möchte. Sofern der Kläger mit diesem Vortrag einen Verstoß des LSG gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend machen möchte, ist auch eine solche Rüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG unzulässig. Im Kern wendet sich der Kläger mit diesem Vorbringen, wie auch mit dem Vortrag, das LSG habe die materiellen Rechtsgrundlagen für die Berechnung des Übergangsgelds fehlerhaft angewandt und dadurch gegen Art 14 GG verstoßen, gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14470854 |