Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.02.2017; Aktenzeichen L 11 R 2325/14) |
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 20.03.2014; Aktenzeichen S 12 R 3843/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.2.2017 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und Verfahrensmängel gerügt.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 29.5.2017 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil sie den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8).
Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz durch einen Rechtsanwalt vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Denn nur dann verwirklicht ein Beweisantrag die nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Teils SGG bestehende Warnfunktion, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).
In der Beschwerdebegründung wird lediglich auf einen Beweisantrag im Schriftsatz vom 7.4.2016 hingewiesen, mit dem ein neues neurologisch-psychiatrisches Gutachten gefordert worden sei. Selbst wenn zwischen dem Schriftsatz und der mündlichen Verhandlung am 21.2.2017 - wie der Kläger vorträgt - "nichts passiert" wäre, entbindet dies den Prozessbevollmächtigten nicht von der Beachtung der ihm obliegenden prozessualen Sorgfaltspflichten. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Beweisantrag - wie erforderlich - in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist.
Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das LSG sich nicht ausreichend mit dem klägerischen Vorbringen etwa zur posttraumatischen Belastungsstörung auseinandergesetzt habe und sich deshalb zu weiterer Aufklärung hätte gedrängt fühlen müssen, liegt hierin im Kern keine Gehörs-, sondern eine Sachaufklärungsrüge. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können aber nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss von 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Andernfalls liefen die Beschränkungen, die § 160 Abs 2 Nr 3 SGG für die Sachaufklärung normiert, im Ergebnis leer. Insoweit hängt die Zulässigkeit der Beschwerde ausschließlich von den Voraussetzungen der Sachaufklärungsrüge ab. Den sich daraus ergebenden Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung - wie dargestellt - nicht gerecht.
Der Angriff auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren kraft gesetzlicher Anordnung (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG) von vornherein ausgeschlossen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 534; s auch Senatsbeschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 17.7.2015 - B 11 AL 32/15 B - Juris RdNr 10). Auch diese gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht zugleich als Gehörsrüge verfolgt wird (vgl BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 5 R 308/16 B - Juris RdNr 36; BSG Senatsbeschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 6).
Im Übrigen gilt, dass ein Gericht nach Art 103 Abs 1 GG bzw § 62 SGG nicht verpflichtet ist, auf jeden Gesichtspunkt einzugehen, der im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden ist (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfGE 96, 205, 217). Ein Verstoß liegt erst dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beschwerdevorbringens zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, obwohl das Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts erheblich und nicht offensichtlich unsubstantiiert war (vgl BVerfGE 47, 182, 187; 86, 133, 146; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29.10.2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497, 498 RdNr 12 und vom 30.6.1994 - 1 BvR 2112/93 - NJW 1994, 2683 mwN).
Der Kläger gibt insoweit schon den festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) nicht ausreichend wieder, sodass der erkennende Senat nicht prüfen kann, ob und inwiefern die angeblich ignorierten tatsächlichen Ausführungen und rechtlichen Argumente - auf der Basis der Rechtsauffassung des LSG - für das Verfahren entscheidungserheblich und für die Falllösung so zentral bedeutsam waren, dass ein weiteres Eingehen darauf erforderlich gewesen wäre. Dies gilt etwa für die Frage, ob es auf die Ursachen ("traumatische Genese") der erhobenen Befunde für die Erwerbsminderung wesentlich ankommt. Gleiches gilt für den rudimentären Vortrag des Klägers, dass das Berufungsgericht sich auf eine von der Beklagten vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme gestützt habe, obwohl er diese wegen der Besorgnis der Befangenheit iS von § 17 SGB X vor dem SG als nicht verwertbar bezeichnet habe.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11141401 |