Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 02.02.2017; Aktenzeichen L 6 VG 2591/16) |
SG Heilbronn (Entscheidung vom 27.06.2016; Aktenzeichen S 2 VG 3313/15) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. Februar 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt zum dritten Mal die Feststellung vorsätzlich rechtswidrig tätlicher Angriffe nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Er beruft sich auf angebliche Misshandlungen und Körperverletzungen während des erfolglosen Versuchs der Bundespolizei, ihm am 22.7.2003 in seinen Herkunftsstaat Bosnien-Herzegowina abzuschieben.
Ein erster, im Jahr 2006 gestellter und durch alle Instanzen verfolgter Entschädigungsantrag des Klägers blieb nach umfangreicher Beweiserhebung ohne Erfolg. Zur Begründung führte das LSG ua aus, der Vortrag des Klägers, er sei am 22.7.2003 Opfer einer Freiheitsberaubung geworden und ihm hätten auch zwei Polizisten die Unterhose herunter gezogen, erfülle nicht die Anforderungen an einen rechtwidrigen, tätlichen Angriff. Die behauptete Vorenthaltung von Trinken und Essen sei widerlegt. Ebenso wenig seien behauptete Schläge, Zwicken, Ziehen an den Haaren, Hochheben und Fallenlassen nachgewiesen (Urteil vom 17.9.2009). Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 10.6.2010 - B 9 VG 5/10 B).
Der auf Angaben seiner behandelnden Ärztin über eine aufgetretene Exsikkose (Austrocknung) gestützte Überprüfungsantrag des Klägers (21.9.2010) blieb nach weiteren Ermittlungen (Stellungnahme der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums F vom 7.3.2011, Befragung der behandelnden Ärztin am 11.4.2011, Beiziehung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte) wiederum ohne Erfolg (Bescheid vom 2.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011). Klage (Gerichtsbescheid vom 5.11.2012) und Berufung (Urteil vom 21.3.2013) sowie Nichtzulassungsbeschwerde sind ebenfalls erfolglos geblieben (BSG Beschluss vom 3.4.2014 - B 9 V 22/13 B).
Am 3.7.2014 beantragte der Kläger wiederum im Wege des Überprüfungsverfahrens zum dritten Mal Beschädigtenversorgung für den Vorfall vom 22.7.2003. Der Beklagte lehnte den Antrag nach weiteren Ermittlungen - ua erneuten Rückfragen bei der für die Abschiebung zuständigen Bundespolizeiinspektion - ab. Nach wie vor sei nicht feststellbar, dass die versuchte Abschiebung oder ihre Begleitumstände einen Angriff iS des § 1 OEG darstellten oder beinhalteten (Bescheid vom 28.7.2015, Widerspruchsbescheid vom 23.9.2015).
Klage und Berufung sind für den Kläger ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom 22.7.2016, LSG-Urteil vom 2.2.2017). Das LSG hat ausgeführt, das SG habe durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, weil der Kläger im Wesentlichen nichts Neues vorgetragen habe. Ein Angriff iS von § 1 OEG sei nach wie vor nicht erwiesen.
Der Kläger beantragt die Gewährung von PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde sowie Akteneinsicht zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II
Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Für einen solchen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag des Klägers ist nichts ersichtlich. Da § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG einen Beweisantrag ohne jede Einschränkung voraussetzt, muss auch ein unvertretener Beteiligter zumindest sinngemäß einen hinreichend konkreten Beweisantrag stellen. Dafür muss er dem Berufungsgericht auch noch am Ende des Verfahrens jedenfalls laienhaft aufzeigen, welche konkreten Punkte er weiter für aufklärungsbedürftig hält und auf welche Beweismittel zurückgegriffen werden soll, um den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris; Beschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris). Zwar hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Berufungsverhandlung zuletzt noch vorgetragen, es müsse nochmals über den genauen Hergang der Abschiebung im Jahre 2003 ermittelt werden. Es sei ua relevant, in welchem Zimmer welche Ereignisse stattgefunden hätten. Darin liegt indes schon kein hinreichend konkreter Beweisantrag. Der Beklagte und die Instanzgerichte haben zum Hergang der gescheiterten Abschiebung bereits mehrfach umfangreich ermittelt. Ein hinreichend konkreter Beweisantrag hätte vor diesem Hintergrund genauer angeben müssen, welche entscheidungsrelevanten Tatsachen trotzdem noch ungeklärt waren und welche Beweismittel weiteren Erkenntnisgewinn versprochen hätten. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, warum der Antrag des Klägers das Berufungsgericht zu weiterer Amtsermittlung zum Hergang der Abschiebung hätte drängen sollen, obwohl dazu in diesem und anderen Verfahren bereits umfangreich ermittelt worden ist.
Schließlich könnte auch eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG - für die ohnehin weiterhin nichts ersichtlich ist - nicht mit Erfolg als Revisionszulassungsgrund gerügt werden (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Einer Akteneinsicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedurfte es daher nicht. Im Verfahren der PKH prüft das Gericht die Sach- und Rechtslage von Amts wegen. Einem Kläger bleibt es in solchen Fällen unbenommen, nach der möglichen Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts sein Gesuch auf Akteneinsicht zur Begründung einer formwirksamen Nichtzulassungsbeschwerde weiter zu betreiben. Akteneinsicht kann hingegen nicht beansprucht werden, wenn diese unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet wäre, der Rechtsschutzgewährung des Antragstellers in diesem Verfahren zu dienen (vgl BFH Beschluss vom 28.7.2015 - V S 20/15 ≪PKH≫).
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI11141418 |