Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 1995 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben als Gesamtschuldner der Beklagten deren Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Kläger sind als Hals-Nasen-Ohrenärzte mit der Teilgebietsbezeichnung „Phoniatrie und Pädaudiologie” zur kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und führen seit 1992 eine Gemeinschaftspraxis. Einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet die Untersuchung und Behandlung sprach- und/oder hörgestörter Kinder. Die im Rahmen einer solchen Behandlung notwendige Befragung, Unterweisung und Führung der Bezugspersonen des Kindes rechneten sie in der Vergangenheit mangels einer einschlägigen Gebührenposition im Kapitel L (Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) nach der Nr 830 sowie vereinzelt auch nach den Nrn 835, 840 und 847 BMÄ/E-GO ab. In dem anhängigen Prozeß wenden sie sich gegen Berichtigungsbescheide, mit denen die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die betreffenden Gebührenansätze aus den Honorarabrechnungen der Quartale I/1991 bis III/1994 gestrichen hat. Die Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 26. April 1995 ausgeführt, die umstrittenen Leistungen aus dem Kapitel G (Neurologie, Psychiatrie) des EBM seien für die Kläger fachfremd, denn sie erforderten eingehende Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie, die weder im Rahmen der allgemeinen Weiterbildung zum HNO-Arzt noch im Rahmen der speziellen Weiterbildung für das Teilgebiet der Phoniatrie und Pädaudiologie vermittelt würden. Abgesehen davon werde durch die Erhebung einer Fremdanamnese bei sprach- und/oder hörgestörten Kindern der Leistungsinhalt der Nr 830 BMÄ/E-GO nicht erfüllt, weil diese Gebührenposition auf Fälle der Anamneseerhebung bei psychisch kranken Patienten beschränkt sei.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger zum einen die grundsätzliche Bedeutung der Sache im Hinblick auf den Grundsatz der angemessenen Vergütung und die Verfassungsgemäßheit eines Vergütungsausschlusses bei fachfremden Leistungen und zum anderen eine Abweichung von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) geltend, weil das LSG bei seiner Rechtsanwendung die Rechtsprechung zu möglichen Ausnahmefällen einer erlaubten fachfremden Tätigkeit ignoriert und deshalb die abgerechneten Einzelleistungen nicht auf das Vorliegen solcher Ausnahmetatbestände überprüft habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet.
Unzulässig ist die Beschwerde, soweit sie auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) gestützt wird. Eine Abweichung iS der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht und diese zu der in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Für die nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderliche Bezeichnung der Divergenz reicht es nicht aus, daß der Beschwerdeführer auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinweist, das Urteil des LSG weiche davon ab. Vielmehr muß in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, mit welcher konkreten Rechtsaussage das LSG von welchem näher bezeichneten Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Daran fehlt es, denn die Kläger benennen keinen vom LSG aufgestellten Rechtssatz, sondern machen lediglich geltend, das Berufungsgericht habe die vom BSG in den Urteilen vom 22. April 1983 (BSGE 55, 97 = SozR 5520 § 33 Nr 1), 27. Oktober 1987 (BSGE 62, 224 = SozR 2200 § 368a Nr 19) und 13. März 1991 (BSGE 68, 190 = SozR 3-2500 § 95 Nr 1) formulierten Grundsätze zu möglichen Ausnahmen vom Gebot der Fachgebietsbeschränkung nicht beachtet und deswegen letztlich in der Sache falsch entschieden. Die unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines vom Revisionsgericht entwickelten und im angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall bedeutet aber noch keine Abweichung iS der Zulassungsvorschriften (BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 260).
Soweit sich die Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, ist sie zulässig, aber unbegründet.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig, klärungsfähig sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Hinsichtlich der Frage, ob die Kläger für die Erhebung der Fremdanamnese und die Unterweisung von Bezugspersonen im Zusammenhang mit der Behandlung sprach- oder hörgestörter Kinder die Gebührenziffern 830, 835, 840 und 847 BMÄ/E-GO abrechnen durften oder ob, falls dies nicht möglich war, die Beklagte bzw die Gerichte von Verfassungs wegen gehalten sind, selbst eine angemessene Vergütung für die genannten Leistungen festzusetzen, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der EBM und mit ihm die vertragsärztlichen Gebührenordnungen BMÄ und E-GO sind zum 1. Januar 1996 grundlegend umstrukturiert und gerade auch in dem zwischen den Beteiligten streitigen Punkt geändert worden. Die bisher im Kapitel G unter den Nrn 830 und 835 aufgeführten Leistungen sind in der neuen Nr 19 BMÄ/E-GO'96 zusammengefaßt worden. Sie gehören jetzt zu den Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen, die den Ärzten aller Fachgebiete und damit auch den Klägern zur Verfügung stehen. Gleichzeitig ist das Kapitel L um einen Abschnitt IV (Nrn 1612 bis 1653 BMÄ/E-GO'96) erweitert worden, in dem die speziellen Leistungen des Teilgebiets Phoniatrie und Pädaudiologie im einzelnen aufgeführt sind. Der Forderung nach einer Ergänzung der Gebührenvorschriften im Hinblick auf die Notwendigkeit der Einbeziehung von Bezugspersonen in die Diagnostik und Therapie kindlicher Sprach- und Hörstörungen (vgl dazu auch die Nr 1653 BMÄ/E-GO'96) ist damit Rechnung getragen worden, so daß der Streit, jedenfalls in der bisherigen Form, nur noch um die Vergütung für zurückliegende Zeiträume geführt wird. Eine außer Kraft getretene oder in einem geänderten Normenzusammenhang nicht mehr einschlägige Rechtsvorschrift kann aber in der Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen, es sei denn, daß noch eine große Zahl weiterer, parallel gelagerter Fälle zu entscheiden oder die Rechtsfrage ausnahmsweise auch für das neue Recht erheblich ist. Ist dafür, wie im vorliegenden Fall, nichts ersichtlich, so ist die Zulassung der Revision nicht deshalb geboten, weil unabhängig von der Auslegung und Anwendung der im konkreten Fall einschlägigen Rechtsvorschrift(en) ein abstraktes Interesse an der Klärung der aufgezeigten Rechtsprobleme besteht. Denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, Rechtsfragen zu klären, die in einem anderen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang weiterhin auftreten können, sich mit Bezug auf den konkreten Klagegegenstand nach geltendem Recht aber nicht (mehr) stellen.
Unabhängig davon ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einem weiteren Grund zu verneinen. Das LSG hat seine Entscheidung, mit der es die Streichung der Nrn 830, 835, 840 und 847 BMÄ/E-GO aus den Honorarabrechnungen der Kläger als rechtmäßig bestätigt hat, doppelt begründet. In erster Linie hat es darauf abgestellt, daß die betreffenden Leistungen aus dem Bereich der Psychiatrie für HNO-Ärzte fachfremd und aus diesem Grund nicht abrechenbar seien; daneben hat es, wenn auch eher beiläufig und ausdrücklich nur auf die Nr 830 BMÄ/E-GO bezogen, darauf abgestellt, daß durch die Einbeziehung der Bezugspersonen in die Behandlung sprach- oder hörgestörter Kinder der Inhalt der Leistungslegenden der Nrn 830 ff BMÄ/E-GO nicht erfüllt werde, weil diese Gebührenpositionen auf entsprechende Maßnahmen bei psychisch kranken Patienten beschränkt seien. Die genannten Gesichtspunkte werden zwar im Urteil miteinander verknüpft; dennoch wird deutlich, daß das Berufungsgericht der Meinung war, die abgerechneten Leistungen aus dem Kapitel G des EBM seien inhaltlich gar nicht erbracht worden, und es handele sich in Wirklichkeit um den Versuch einer (unzulässigen) Analogbewertung (vgl Seite 11 des Urteils). Ist ein Urteil aber auf zwei selbständige Begründungen gestützt, von denen jede für sich die Entscheidung trägt, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde schon dann unbegründet, wenn die erhobenen Revisionsrügen bezüglich einer der beiden Begründungen nicht durchgreifen.
Die Kläger sind der Auffassung, der Ansatz der umstrittenen Gebührenziffern müsse ihnen auch dann gestattet sein, wenn deren Leistungsinhalt durch ihre Behandlungsmaßnahmen nicht oder nicht vollständig erfüllt werde. Dies sei verfassungsrechtlich geboten, weil die Gebührenordnungen für die Erhebung der Fremdanamnese und die Unterweisung von Bezugspersonen im Zusammenhang mit der Behandlung sprach- und hörgestörter Kinder keine Abrechnungsziffern enthielten und der Arzt deshalb andernfalls für seine Leistungen keine angemessene Vergütung erhalte. Die damit angesprochene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gerichte befugt sind, Lücken in den vertragsärztlichen Gebührenordnungen zu schließen, ist indessen durch die bisherige Rechtsprechung bereits geklärt. Der Senat hat dazu schon in der Vergangenheit wiederholt Stellung genommen (vgl Urteil vom 24. August 1994 – SozR 3-1500 § 96 Nr 3 S 7 f mwN) und sich mit der Problematik neuerdings in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 13. November 1996 – 6 RKa 31/95 – nochmals ausführlich auseinandergesetzt. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage bedarf angesichts dessen keiner erneuten Entscheidung in einem Revisionsverfahren.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen