Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer
Leitsatz (amtlich)
- Bei Verletzung des Rechts auf ein zügiges Verfahren ist es im Lichte der Art 6 Abs 1 und 13 MRK sowie eines verfassungsrechtlich aus Art 2 Abs 1 und 20 Abs 3 GG herzuleitenden “allgemeinen Justizgewährungsanspruchs” zur Effektuierung des Rechtsschutzes geboten, in der Sozialgerichtsbarkeit einem Beteiligten in einem Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision das Recht einzuräumen, eine überlange Verfahrensdauer vor den Gerichten eines Bundeslandes mit einer Verfahrensrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG zum obersten Gerichtshof des Bundes geltend zu machen, ohne darlegen zu müssen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann.
- Auch unter Berücksichtigung einer teleologischen Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG genügt der Beschwerdeführer seiner Darlegungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn er den Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet. Eine konkrete Darlegung der Gründe für eine Verfahrensverzögerung ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt, dass die Verfahrensdauer grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigt sein kann, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles evident gegeben sind.
- Eine generelle Grenze, bei deren Überschreiten in der deutschen Sozialgerichtsbarkeit im Klage- und Berufungsverfahren ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK zu vermuten ist, liegt bei drei Jahren je Gerichtsinstanz.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; MRK Art. 6 Abs. 1; MRK Art. 13
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Teilurteil des Landessozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2004 zugelassen, soweit der Kläger eine Verletzung seines Rechts auf eine Verhandlung vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht innerhalb angemessener Frist durch das Land Berlin und die Beklagte rügt. Soweit der Kläger aus anderen Gründen eine Zulassung der Revision begehrt, wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, einen höheren monatlichen Wert des Rechts des Klägers auf Altersrente festzustellen.
Der 1932 geborene Kläger war in der DDR nach Abschluss eines Hochschulstudiums als Journalist von 1954 bis März 1989 beschäftigt. Aufgrund dieser Tätigkeiten war er in der Sozialpflichtversicherung versichert, mit Ausnahme der Zeit vom 1. August 1955 bis 31. März 1963, während der er Mitglied des Sonderversorgungssystems der Nationalen Volksarmee (NVA) war; die dort erworbenen Anwartschaften verlor er mit seinem Ausscheiden, jedoch wurden diese Zeiten nunmehr in der Sozialpflichtversicherung berücksichtigt. Vom 1. September 1954 bis 31. Juli 1955 und vom 1. Februar 1980 bis 31. März 1989 war er zusätzlich in das Versorgungssystem für Mitglieder des Parteiapparats der SED einbezogen worden. Auf “Antrag” schied er Ende August 1989 aus dem Zusatzversorgungssystem aus; die eingezahlten Beiträge wurden ihm erstattet. Mit seinem Ausscheiden verlor er die in diesem System erworbenen Anwartschaften. Am 31. August 1989 verließ er die DDR (Berlin Ost) und ließ sich in Berlin West nieder. Damit verlor er auch seine in der Sozialpflichtversicherung der DDR erworbenen Anwartschaften, erhielt aber zugleich durch das bundesdeutsche Recht – wie alle Deutschen aus der DDR, die vor dem 18. Mai 1990 (Zeitpunkt des Abschlusses des Staatsvertrags mit der DDR) ihren Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen hatten – in der bundesdeutschen Rentenversicherung Anwartschaften nach dem Fremdrentengesetz (FRG), das ihn so stellte, als habe er sein gesamtes Versicherungsleben in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt und dort entsprechend hohe Arbeitsverdienste erzielt.
Ab 1. April 1992 erkannte die Beklagte dem Kläger das Recht auf eine Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit) nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu (Bescheid vom 4. Januar 1993). Den monatlichen Wert dieses Rechts setzte sie ab Rentenbeginn mit 2.260,74 DM fest. Hierbei berücksichtigte sie die fiktiven Vorleistungen des Klägers zur bundesdeutschen Rentenversicherung in der Weise, dass sie Arbeitsentgelte zu Grunde legte, die sich aus der Zuordnung zu Leistungsgruppen des FRG ergaben.
Der Kläger erhob am 12. Januar 1993 Widerspruch und begehrte die Zuordnung zu günstigeren Leistungsgruppen des FRG. Während des Widerspruchsverfahrens teilten die Versorgungsträger “Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)” im Februar 1994 und Dezember 1995 sowie (für die Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium der Verteidigung) die “Wehrbereichsverwaltung VII” im Dezember 1994 die vom Kläger jeweils während seiner Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem für Mitglieder des Parteiapparats und zum Sonderversorgungssystem der NVA erzielten Verdienste mit. Daraufhin nahm die Beklagte zwei Neufeststellungen des Rechts auf Altersrente vor, und zwar zunächst im Bescheid vom 19. April 1995 und dann im Bescheid vom 7. November 1996. Hierbei berücksichtigte sie die jeweils während der Zugehörigkeitszeiten zu den Zusatz- bzw Sonderversorgungssystemen erzielten Verdienste nur mit gekürzten Werten. Für den Zwischenzeitraum legte sie die entsprechenden Tabellenwerte nach dem FRG zu Grunde, entsprach hierbei allerdings dem Eingruppierungsbegehren des Klägers. Den monatlichen Wert des Rechts setzte sie ab 1. April 1992 mit 2.132,61 DM fest. Das weitere Begehren des Klägers im Widerspruchsverfahren, die Rentenwertfestsetzung ausschließlich nach den Tabellenwerten des FRG vorzunehmen, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. März 1997).
Der Kläger hat am 14. April 1997 Klage vor dem Sozialgericht (SG) erhoben. Während des Klageverfahrens stellte das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben Berlin im Bescheid vom 10. September 1997 fest, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG) sei; als Verfolgungszeit wurde die Zeit vom 1. März 1989 bis 31. August 1989 anerkannt; zugleich wurde der Kläger rentenrechtlich so gestellt, als habe er weiterhin eine versorgungsrechtliche Anwartschaft zu dem Zusatzversorgungssystem für Mitglieder des Parteiapparats gehabt. Aufgrund der Rehabilitierungsentscheidung nahm die Beklagte weitere Neufeststellungen des Rentenwerts vor, allerdings bezüglich der berücksichtigten Zeiten zu den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen weiterhin teilweise auf der Grundlage von Vorschriften des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG), insbesondere des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG), die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für Zeiten ab 1. Juli 1993 für verfassungswidrig erklärt hat (Urteil vom 28. April 1999, BVerfGE 100, 59 = SozR 3-8570 § 6 Nr 3; Beschluss vom 23. Juni 2004, 1 BvL 3/98). Den monatlichen Wert des Rentenrechts setzte sie ab 1. April 1992 mit 2.504,02 DM (Bescheid vom 26. Februar 1999) fest. Für Bezugszeiten ab 1. Juli 1993 hat die Beklagte unter Berücksichtigung der Neuregelung des AAÜG durch das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des AAÜG (2. AAÜG-ÄndG) den monatlichen Rentenwert mit 3.009,95 DM festgesetzt (Bescheid vom 11. Juni 2003); hierbei berücksichtigte sie die während der Zugehörigkeitszeiten zu den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen erzielten Verdienste in voller Höhe, aufgewertet auf DM-Beträge.
Der Kläger hat die Festsetzung eines höheren Werts seines Rentenrechts nicht mehr – wie noch im Widerspruchsverfahren – unter ausschließlicher Berücksichtigung der Regelungen des FRG, sondern nunmehr in Anwendung des Überleitungsrechts für ehemals Sonder- und Zusatzversorgungsberechtigte begehrt, das er jedoch weitgehend für verfassungs- und menschenrechtswidrig erachtet hat. Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 21. Dezember 2000 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 16. Januar 2001 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) erhoben.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte im Bescheid vom 8. März 2004 eine Neufestsetzung des Auszahlungsbetrags wegen einer Änderung des Beitragssatzes zur Pflichtversicherung vorgenommen. Im Bescheid vom 12. März 2004 hat sie die Ermittlung der für die Rentenfestsetzung maßgeblichen Entgeltpunkte nach einer Vergleichsberechnung abgelehnt.
Mit Teilurteil vom 26. Juli 2004 hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung eines höheren Rentenwerts für Zeiten bis zum 30. Juni 1993 begehrt hat. Die (im Berufungsverfahren erhobenen) Klagen gegen die Bescheide vom 8. März 2004 und 12. März 2004 sowie gegen die Rentenanpassungen zum 1. Juli 2001, 1. Juli 2002 und 1. Juli 2003 sowie auf eine Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 sind abgewiesen worden. Im Übrigen hat das LSG das Verfahren ausgesetzt, bis der Gesetzgeber den vom BVerfG (Beschluss vom 23. Juni 2004, 1 BvL 3/98 ua) für verfassungswidrig erklärten § 6 Abs 2 AAÜG in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung durch entsprechende Neuregelungen ersetzt habe oder am 1. Juli 2005 die Nichtigkeit der Vorschrift eintrete.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Insoweit wird auf seine Ausführungen in den Schriftsätzen vom 26. Dezember 2004 (Bl 42 – 68 der Akte des Bundessozialgerichts ≪BSG≫), vom 30. November 2005 (Bl 91 – 96 der BSG-Akte) und 11. Dezember 2005 (Bl 118 – 119 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen.
Sie hält die Beschwerde für unzulässig und, soweit der Kläger eine überlange Verfahrensdauer rüge, schon nicht für statthaft. Insoweit wird auf ihre Ausführungen in den Schriftsätzen vom 24. Januar 2005 (Bl 71 – 72 der BSG-Akte), 8. Dezember 2005 (Bl 99 – 111 der BSG-Akte) und 9. Dezember 2005 (Bl 115 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist teilweise zulässig und begründet, teilweise unzulässig.
A. Soweit der Kläger eine überlange Dauer der Gerichtsverfahren in den Vorinstanzen rügt, hat er zwar den Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht ordnungsgemäß dargelegt, sodass die Beschwerde insoweit unzulässig ist. Sinngemäß hat er jedoch zugleich einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) zulässig gerügt; diese Rüge ist auch begründet.
Der Kläger hat folgende Frage aufgeworfen (vgl Teil B. Ziff 8.2. der Beschwerdebegründung):
Darf sich in einem Rechtsstaat ein Verfahren eines Rentners, in dem es um die Feststellung des für den Lebensunterhalt täglich gebrauchten Alterseinkommens geht, mehr als ein Jahrzehnt lang hinziehen und durch seine negativen Auswirkungen das gesamte Leben im Alter überschatten sowie die Menschenwürde beeinträchtigen? Kann es auf Grundlage des Grundgesetzes (GG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zulässig sein, dass sich über einen Rentner wie über unzählige andere Rentner in gleicher Situation über mehr als ein Jahrzehnt lang eine Lawine von umfänglichen, für ihn und die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbaren und auch nicht kontrollierbaren Bescheiden und Regelungen ergießt? Oder verstoßen solche Vorschriften und Verfahrensweisen, die das bewirken, gegen das GG und die EMRK, machen sie zudem eine faire Verfahrensführung unmöglich und erfordern das Eingreifen der Organe der dritten Gewalt zur Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse?
Hierzu hat er ausgeführt, der Widersinn, der durch die offensichtlich nicht durchsetzbaren und hinnehmbaren Gesetze und Verfahrensweisen, ausgehend von unvertretbaren Motiven gegenüber Bürgern, die Ansprüche in der DDR erworben hätten, bewirkt werde, ergebe sich bereits aus der einfachen Überlegung, dass das Alterseinkommen ein menschenwürdiges Leben im Alter sichern soll und dass im Streitfall eine zügige Klärung garantiert werden müsse, wenn nicht das Ziel eines angemessenen Alterseinkommens ad absurdum geführt werden solle.
1. Dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung des (ausdrücklich geltend gemachten) Zulassungsgrundes einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu stellen sind.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Dass und warum dies der Fall ist, muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben. Der Beschwerdeführer muss also die im angestrebten Revisionsverfahren zu entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnen und ausführen, dass sie von allgemeiner Bedeutung, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1). Insoweit obliegt ihm eine Darlegungslast.
Mit seinem Vorbringen hat der Kläger bereits keine Rechtsfrage bezeichnet. Rechtsfragen sind nur solche, die aus einer vom Beschwerdeführer zu benennenden bundesrechtlichen Norm hergeleitet werden, die allein Gegenstand der angestrebten revisionsgerichtlichen Überprüfung im späteren Revisionsverfahren sein kann (§ 162 SGG). Der Kläger hat nicht zu erkennen gegeben, aus welcher bundesrechtlichen Norm er seine Fragestellung herleitet. Falls er Art 6 EMRK ansprechen wollte, deren Regelungen aufgrund der Transformation der EMRK in die bundesdeutsche Rechtsordnung den Rang eines Parlamentsgesetzes einnehmen (s dazu auch anschließend Ziff 2 Buchst b), hätte er sich mit dem Text dieser Norm auseinander setzen und darlegen müssen, warum die Frage im vorliegenden Fall klärungsfähig, dh in einem späteren Revisionsverfahren entscheidungserheblich, und warum sie klärungsbedürftig ist, dh inwieweit insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art 6 Abs 1 EMRK ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf besteht. Hierzu fehlen jegliche Ausführungen.
2. Auch wenn der Kläger dem Wortlaut seines Vorbringens nach allein den Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung geltend gemacht hat, ergibt sich inhaltlich aus der formulierten Fragestellung sowie seinen Ausführungen, dass er sinngemäß auch einen Verfahrensfehler wegen der behaupteten überlangen Verfahrensdauer rügen will. Diesen Verfahrensmangel hat der Kläger ordnungsgemäß bezeichnet, sodass die Rüge zulässig ist.
a) Das bundesdeutsche Rechtsschutzsystem sieht keinen speziellen Rechtsbehelf zur Sicherung des in Art 6 Abs 1 EMRK garantierten Rechts auf eine Verhandlung vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht innerhalb angemessener Frist vor.
In der Rechtssache Kudla ./. Polen hat der EGMR (Urteil vom 26. Oktober 2000, Az 30210/96, NJW 2001, 2694) entschieden, dass die Konventionsstaaten aus Art 13 EMRK verpflichtet sind, in ihrem innerstaatlichen Recht einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Verstöße gegen das Verfahrensgrundrecht des Art 6 Abs 1 EMRK vorzusehen. Diese Entscheidung war Anlass für das Bundesministerium für Justiz, den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzungen des Rechts auf ein zügiges Verfahren (Untätigkeitsbeschwerdegesetz) zu erarbeiten, der allerdings weder in der vergangenen noch bislang in der laufenden Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht worden ist.
Bei einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf eine gerichtliche Entscheidung ohne Verfahrensverzögerung sieht das in der Sozialgerichtsbarkeit geltende Recht keinen effektiven Rechtsschutz vor. Mit der Beschwerde nach § 172 SGG kann der Verfahrensverstoß nicht isoliert geltend gemacht werden. Eine Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG wegen eines wesentlichen Mangels durch Urteil des LSG (§ 159 Abs 1 Nr 2 SGG) verbietet sich schon deshalb, weil dies nur zu weiteren Verfahrensverzögerungen führen würde. Das Gleiche gilt für eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz durch das BSG wegen eines erheblichen Mangels (§§ 160a Abs 5, 170 Abs 2 SGG). Zudem wäre die Prüfung eines Verfahrensmangels durch das BSG nur im Rahmen einer zugelassenen Revision möglich. Ist die Revision dagegen nicht zugelassen worden und auch aus anderen Gründen aufgrund einer zulässigen und begründeten Beschwerde nicht zuzulassen, wäre ein Rechtsschutz gegen Verstöße des Rechts auf zügige Entscheidung nicht gegeben, und zwar nach dem Gesetzestext auch nicht im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde (dazu sogleich unter Buchst b).
b) Bei Verletzung des Rechts auf ein zügiges Verfahren ist es im Lichte der Art 6 Abs 1 und 13 EMRK sowie eines verfassungsrechtlich aus Art 2 Abs 1 und 20 Abs 3 GG herzuleitenden “allgemeinen Justizgewährungsanspruchs” zur Effektuierung des Rechtsschutzes geboten, in der Sozialgerichtsbarkeit einem Beteiligten in einem Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision das Recht einzuräumen, eine überlange Verfahrensdauer vor den Gerichten eines Bundeslandes mit einer Verfahrensrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG zum obersten Gerichtshof des Bundes geltend zu machen, ohne darlegen zu müssen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann.
Ergeht eine gerichtliche Entscheidung nicht innerhalb einer angemessenen Frist, ist das subjektive Recht des Beteiligten aus Art 6 Abs 1 EMRK verletzt. Daher leidet das Verfahren an einem Verfahrensmangel. Auf verfassungsrechtlicher Ebene stellt das Recht der Beteiligten auf eine gerichtliche Entscheidung ohne Verfahrensverzögerung ein Verfahrensgrundrecht dar, welches das BVerfG (Beschluss vom 25. Juli 2003, 2 BvR 153/03, NJW 2003, 2897, mit weiteren Nachweisen ≪mwN≫) aus dem betroffenen Grundrecht iVm dem Rechtsstaatsgebot herleitet. Des Weiteren verletzt eine Verfahrensverzögerung auch das objektive Beschleunigungsgebot des Art 6 Abs 1 EMRK. Die EMRK ist durch Zustimmungsgesetz (Art 59 Abs 2 GG) in die deutsche Rechtsordnung transformiert worden und am 3. September 1953 in Kraft getreten (BGBl II 1954, 14). Sie nimmt den Rang eines förmlichen Bundesgesetzes, also eines Parlamentsgesetzes, ein (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004, BVerfGE 111, 307, 311 f, mwN) und begründet unmittelbar einklagbare Rechte.
Ob sich ein vor nationalen Gerichten zu beachtendes Verfahrensgrundrecht auch aus Art 14 Abs 1 Satz 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR; entspricht inhaltlich dem Art 6 EMRK) herleiten lässt, kann offen bleiben. Der Pakt ist in der Bundesrepublik am 23. März 1976 in Kraft getreten (BGBl II 1068), begründet aber grundsätzlich nur eine Staatenverpflichtung, also ein sie objektiv verpflichtendes Recht. Ob ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung in einem innerstaatlichen Verfahren gegeben sind, braucht hier nicht beantwortet zu werden; denn insoweit wird das in jedem nationalen Verfahren (unmittelbar) zu beachtende Recht eines Beteiligten auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist bereits durch das Verfahrensgrundrecht hinreichend gewährleistet, das sich auf verfassungsrechtlicher Ebene aus dem Rechtsstaatsgebot und auf der Ebene des Parlamentsgesetzes aus Art 6 Abs 1 EMRK unmittelbar herleitet.
Ein Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht auf eine gerichtliche Entscheidung ohne Verfahrensverzögerung stellt einen Verfahrensmangel dar. Allerdings kann die Nichtzulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG auf einen Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann. Jedenfalls in sozialgerichtlichen Verfahren dürfte ein solcher Zusammenhang im Regelfall kaum aufzuzeigen sein. Um dennoch die verfassungs- und konventionsrechtlich gebotene Effektuierung des Rechtsschutzes berücksichtigen zu können, ist primär im Lichte des Art 13 EMRK, verstärkt durch das aus dem Rechtsstaatsgebot des GG resultierende Effektuierungsgebot, eine teleologische Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG in den Fällen der Verfahrensverzögerung durch Gerichte der Länder erforderlich mit der Folge, dass der Beschwerdeführer dem BSG nicht darzulegen hat, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
Art 13 EMRK bestimmt, dass jede Person, die in ihren in der EMRK anerkannten Rechten verletzt worden ist, das Recht hat, bei einer innerstaatlichen Instanz eine “wirksame” Beschwerde zu erheben. Zur Bindung aller Gerichte an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des EGMR im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Demzufolge erstreckt sich die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR gemäß Art 59 Abs 2 iVm Art 19 Abs 4 GG auf alle staatlichen Organe und Gerichte und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen ihre Bindung an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht einen fortdauernden Verstoß gegen die EMRK zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004, BVerfGE 111, 307, 322 ff). Ein konventionswidriger Zustand würde im vorliegenden Fall fortbestehen, wenn die umschriebene teleologische Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG unterbliebe.
In der Rechtssache Kudla ./. Polen hat der EGMR (Urteil vom 26. Oktober 2000, Az 30210/96, NJW 2001, 2694) das Verhältnis von Art 6 Abs 1 EMRK und Art 13 EMRK neu bestimmt. In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der EGMR Art 6 Abs 1 EMRK als “lex specialis” zu Art 13 EMRK angesehen und Art 13 EMRK nicht angewandt, wenn Art 6 Abs 1 EMRK anwendbar war. Nunmehr versteht er Art 13 EMRK dahin, dass ein wirksamer Rechtsbehelf auch dann gewährleistet sein muss, wenn der Betroffene eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK wegen einer unangemessenen Verfahrensdauer rügt. Hierbei bringt Art 13 EMRK unmittelbar die Verpflichtung der Konventionsstaaten zum Ausdruck, die Menschenrechte zunächst und vor allem in ihren eigenen Rechtsschutzsystemen zu schützen. In erster Linie sind die innerstaatlichen Behörden und Gerichte für die Anwendung und Durchsetzung der garantierten Rechte und Freiheiten verantwortlich. Der Beschwerdemechanismus an den EGMR ist gegenüber staatlichen Systemen subsidiär.
Aus diesem Subsidiaritätsgrundsatz folgt, dass vorrangig die zuständigen “nationalen Stellen”, bei einer Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK also die Gerichte, aufgerufen bzw verpflichtet sind, entsprechend der Zielsetzung des Art 13 EMRK Rechtsschutz gegen eine Verletzung der in der EMRK anerkannten Rechte und Freiheiten, hier des Verfahrensgrundrechts aus Art 6 Abs 1, innerhalb des nationalen Rechtsschutzsystems zu gewähren. Besteht innerhalb dieses Systems kein spezieller Rechtsbehelf, mit dem ein Betroffener sein in Art 6 Abs 1 EMRK garantiertes Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist durchsetzen kann, sind in Fällen der vorliegenden Art die Gerichte im Lichte des Art 13 EMRK und seiner Auslegung durch den EGMR verpflichtet, bestehende Rechtsbehelfsregelungen in der Weise auszulegen, dass dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes bei Verletzung des Verfahrensgrundrechts Rechnung getragen wird, soweit dies im Rahmen einer methodischen Auslegung noch zulässig ist.
Aufgrund der zu beachtenden Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) können die Gerichte immer nur an bestehende Rechtsbehelfe anknüpfen, im vorliegenden Fall also an § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Einschränkung, dass darzulegen und festzustellen ist, dass die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nicht dazu berufen, über abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden. Die Einschränkung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG sichert, dass nur solche Mängel berücksichtigt werden, die im anhängigen Rechtsstreit entscheidungserheblich sind. Allerdings sieht das geltende Recht von diesem Grundsatz Ausnahmen vor. So braucht ein Beteiligter dann nicht darzulegen, dass die gerichtliche Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, wenn das Gericht rechtswidrig ohne mündliche Verhandlung entschieden (stellv: BSG, Beschluss vom 16. November 2000, SozR 3-1500 § 160 Nr 33 ≪S 62≫, mwN), also ua auch Art 6 Abs 1 EMRK verletzt hat.
In den Fällen, in denen eine Verletzung des Rechts auf Verhandlung und damit auch Entscheidung in angemessener Frist gerügt wird, dürfte der Verfahrensmangel im Regelfall nicht entscheidungserheblich sein. Demzufolge bliebe eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts aus Art 6 Abs 1 EMRK, also ein gravierender Verfahrensmangel, folgenlos. Damit wäre ein Widerspruch zum Effektuierungsgebot des Art 13 EMRK gegeben. Um einen solchen Konventionsverstoß zu vermeiden, ist jedenfalls in Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision eine teleologische Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG in der Weise geboten, dass die genannte Einschränkung – wie in Fällen einer Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit – entfällt, wenn eine überlange Verfahrensdauer gerügt wird.
Dies führt nicht dazu, dass nunmehr – entgegen der Zielsetzung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG – abstrakte Rechtsfragen zur Überprüfung des Gerichts gestellt werden. Denn wird die Revision nur wegen der zulässigen und begründeten Rüge einer überlangen Verfahrensdauer zugelassen, ist Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung im (späteren) Revisionsverfahren nicht die Richtigkeit der in der Vorinstanz getroffenen Sachentscheidung (für die es auf die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensmangels ankommen würde), sondern ausschließlich, ob das Bundesland als Träger der Gerichte das Recht des Beteiligten auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt hat. Hierüber hat ggf das BSG als oberstes Bundesgericht und Revisionsgericht jedenfalls durch einen feststellenden Ausspruch zu befinden. Welche verfahrensrechtlichen Besonderheiten und Rechtsfolgen sich im Übrigen in dem Verfahren vor dem BSG stellen, ist nicht vom Beschwerdegericht, sondern vom Revisionsgericht im späteren Revisionsverfahren zu beantworten.
Mit der umschriebenen teleologischen Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG kommt das BSG als für die Sozialgerichtsbarkeit zuständiger oberster Gerichtshof des Bundes seiner Verpflichtung nach, vorrangig vor dem EGMR innerhalb des nationalen Rechtsschutzsystems einen Konventionsverstoß durch ein Bundesland zu beseitigen, soweit dies im Rahmen methodisch zulässiger Auslegung des Bundesrechts möglich ist.
Dieses Vorgehen wird durch die Wertentscheidungen des GG gestützt. In den Fällen der gerichtlichen Verfahrensverzögerung wird Rechtsschutz nicht gegen Akte der vollziehenden Gewalt, sondern gegen die rechtsprechende Gewalt des jeweiligen Staates wegen der Verfahrensbehandlung durch seine Gerichte begehrt. Auf nationaler Verfassungsebene leitet das BVerfG (Plenumsbeschluss vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 401 ff) das Gebot eines Rechtsschutzes gegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten des GG durch Gerichte nicht aus Art 19 Abs 4 GG, sondern aus dem “allgemeinen Justizgewährungsanspruch” (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) her und weist allerdings darauf hin, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, das Rechtsschutzsystem näher auszuformen und so auszugestalten, dass effektiver Rechtsschutz für den einzelnen Rechtsuchenden besteht, aber auch Rechtssicherheit hergestellt wird. Verfahrensgrundrechte sichern in Form eines grundrechtsgleichen Rechts die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards. In einem Rechtsstaat gehört zu einer grundrechtlichen Garantie die Möglichkeit einer zumindest einmaligen gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung.
Zwar erscheint es zweifelhaft, ob allein die Verletzung des “allgemeinen Justizgewährungsanspruchs” in den Fällen einer überlangen Verfahrensdauer die hier vorgenommene teleologische Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG rechtfertigen könnte, die verfassungsrechtliche Bedeutung des Verfahrensgrundrechts verstärkt aber die bundesgesetzliche Pflicht der Sozialgerichtsbarkeit, den konventionswidrigen Zustand im Rahmen des geltenden Bundesrechts (und Landesrechts) zu beseitigen. Zu dieser Lösung ist der nationale Richter aufgrund der ihm vorrangig vor dem EGMR zugewiesenen Aufgabe berufen, innerhalb des nationalen Rechtsschutzsystems dem Effektuierungsgebot des Art 13 EMRK Rechnung zu tragen und Konventionsverstöße im Rahmen zulässiger Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung auszuräumen. Um einen solchen “Ausgleich” – weitgehend – zu bewirken, ist eine teleologische Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG in der Weise notwendig, dass der Beschwerdeführer nicht darzulegen braucht, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Mangel der Verfahrensverzögerung beruht.
c) Auch unter Berücksichtigung einer teleologischen Reduktion des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG genügt der Beschwerdeführer seiner Darlegungslast grundsätzlich nur dann, wenn er den Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet.
Die Darlegungslast gebietet, dass der Kläger den Ablauf des Verfahrens schildert und aufzeigt, woraus er folgert, dass das Verfahren vom Gericht nicht in zügiger Weise gefördert worden ist. Hierbei muss er unter Berücksichtigung der vom EGMR (Urteil vom 26. Oktober 2000, aaO) und BVerfG (Beschluss vom 30. April 2003, aaO) entwickelten Kriterien ua dartun, wann das Verfahren begonnen hat und dass weder rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten des Falls oder sein Verhalten oder eine besondere Bedeutung der Rechtssache die Verzögerungen gerechtfertigt haben. Hierzu fehlt ausreichender Vortrag des Klägers.
d) Eine konkrete Darlegung der Gründe für eine Verfahrensverzögerung ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt, dass die Verfahrensdauer grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigt sein kann, es sei denn, dass außergewöhnliche rechtfertigende Umstände im Einzelfall evident gegeben sind.
Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 4. März 2004, Az 72159/01) liegt in der Regel ua dann ein Verstoß gegen das Gebot eines zügigen Verfahrens gemäß Art 6 Abs 1 EMRK vor, wenn ein Verfahren mehr als zehn Jahre dauert. Der Kläger behauptet in seiner oben wiedergegebenen Fragestellung, das Verfahren habe über zehn Jahre gedauert. Damit hat er den geltend gemachten Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet; denn eine solche Verfahrensdauer ist grundsätzlich nicht tolerabel. Sein Vorbringen wäre nur dann unbeachtlich, wenn er willkürlich eine Dauer benannt hätte, also sein Vorbringen offenkundig unrichtig wäre. Hiervon kann nicht ausgegangen werden.
Der Kläger hat in die angegebene Verfahrensdauer nicht nur das Verfahren vor dem SG und LSG, sondern auch das Widerspruchsverfahren vor der Widerspruchsstelle der Beklagten, also einer Verwaltungsbehörde, mit einbezogen. Dieses Verfahren ist mit der Einlegung des Widerspruchs am 12. Januar 1993 anhängig gemacht worden, sodass bis zur Entscheidung des LSG am 26. Juli 2004 mehr als zehn Jahre vergangen sind. An dieser Stelle kann offen bleiben, ob das Widerspruchs- bzw Vorverfahren bei der Fristberechnung in der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland wirklich zu berücksichtigen ist. Die Berechnung des Klägers kann nicht als willkürlich bezeichnet werden, da er sich insoweit auf die Entscheidung des EGMR vom 28. Juni 1978 (EuGRZ 5 ≪1978≫, 406 = NJW 1979, 477) berufen kann. Er hat die Rüge der überlangen Verfahrensdauer ordnungsgemäß und damit zulässig erhoben. Im Rahmen der Darlegungslast hat er nicht aufzuzeigen, dass außergewöhnliche Umstände ein Überschreiten gerechtfertigt haben.
e) Die geltend gemachte Verfahrensrüge ist begründet.
Art 6 Abs 1 EMRK begründet ein Verfahrensgrundrecht, nach dem jede Person das Recht hat, dass ua über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Innerhalb der angemessenen Frist muss das Gericht allerdings nicht nur verhandelt, sondern auch entschieden haben (EGMR, Urteil vom 10. Juli 1984, EuGRZ 12 ≪1985≫, 637, 639).
aa) Der anhängige Rechtstreit, in dem der Kläger in der Hauptsache die Festsetzung eines höheren Werts seines Rechts auf Altersrente begehrt, betrifft – entgegen der Qualifizierung nach deutschem Recht – eine “zivilrechtliche” Streitigkeit iS des Art 6 Abs 1 EMRK.
In dem Rechtsstreit Deumeland ./. Bundesrepublik Deutschland hat der EGMR erstmals im Urteil vom 29. Mai 1986 (EuGRZ 1988, 20 ff) sozialversicherungsrechtliche Rechte und Ansprüche als zivilrechtliche iS des Art 6 Abs 1 EMRK qualifiziert. Dabei hat er darauf verwiesen, dass solche Rechte und Ansprüche sowohl öffentlich-rechtliche Merkmale (öffentlich-rechtlicher Charakter der Normen, Zwangscharakter der Versicherung, Übernahme des sozialen Schutzes in die Verantwortlichkeit des Staates) als auch privatrechtliche Elemente (subjektives vermögenswertes Recht, Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis, Gemeinsamkeiten mit der Privatversicherung) aufweisen. Nach Auffassung des EGMR überwiegen die privatrechtlichen Elemente, sodass sozialversicherungsrechtliche Rechte und Ansprüche solche zivilrechtlicher Natur iS des Art 6 Abs 1 EMRK sind (vgl auch: EGMR, Urteil vom 24. Juni 1993, EuGRZ 1996, 604, 605).
bb) Die Verfahrensrüge ist begründet, weil die Verfahrensdauer schon bis zum teilweisen Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem LSG am 26. Juli 2004 die generelle Grenze des Tolerablen überschritten hatte.
Hierbei kann im Beschwerdeverfahren wiederum offen bleiben, ob auch die Dauer des Vorverfahrens, das mit Einlegung des Widerspruchs am 12. Januar 1993 begann und mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides im März 1997 endete, in die Fristberechnung mit einzubeziehen ist. Denn auch ohne diesen zeitlichen Verfahrensanteil ist die Grenze überschritten, ab der eine unangemessenen Verfahrensdauer zu vermuten ist, es sei denn, außergewöhnliche Umstände rechtfertigen das Überschreiten.
Eine absolute Zeitgrenze ergibt sich nicht aus Art 6 Abs 1 EMRK. Der EGMR prüft die Angemessenheit der Verfahrensdauer grundsätzlich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und nach den in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien. Danach sind insbesondere die Schwierigkeit des Falls, das Verhalten des Beschwerdeführers und der zuständigen “Behörden” (in diesem Sinne auch der Gerichte) und die Bedeutung der Rechtssache für den Beschwerdeführer zu berücksichtigen (EGMR, Urteil vom 26. Oktober 2000, aaO, mwN; Miehsler/Vogler in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Stand: September 1986, Art 6 RdNr 309 f mwN). Bestimmte absolute Grenzen, deren Überschreitung eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK ohne Weiteres zur Folge hat, hat der EGMR nicht festgelegt. Selbst eine langjährige Verfahrensdauer führt nicht “automatisch” zu einem Konventionsverstoß. Allerdings begründet ein extrem langer Zeitraum die Vermutung der Verletzung der Konvention (Miehsler/Vogler, aaO, RdNr 317).
Um die generelle Grenze zu erkennen, ab deren Überschreiten grundsätzlich eine unangemessene Verfahrensdauer zu vermuten ist, sind in der Sozialgerichtsbarkeit Deutschlands ua die dort feststellbaren ”üblichen” Fristen zu Grunde zu legen, innerhalb deren erfahrungsgemäß eine den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Entscheidung ergehen kann. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Gerichtsbarkeiten mit mehreren Instanzen nicht nach dem gleichen Maßstab zu beurteilen sind, wie Gerichtsbarkeiten mit nur einer Kontrollinstanz. Da im vorliegenden Fall die Prüfung durch das Beschwerdegericht im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erfolgt, bleibt – anders als in den Fällen einer Prüfung durch den EGMR – auch die Dauer des Beschwerdeverfahrens außer Betracht. Abzustellen ist auf die jeweils ”übliche” Verfahrensdauer in den Verfahren vor dem SG und LSG.
Aufgrund der dem BSG möglichen Beobachtung der Verfahren in den Vorinstanzen geht der Senat davon aus, dass eine generelle Grenze, bei deren Überschreiten ein Konventionsverstoß zu vermuten ist, bei drei Jahren je Gerichtsinstanz liegt, dh sowohl für das Klage- als auch das Berufungsverfahren. Hierbei wird unterstützend auf die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebene Statistik der Sozialgerichtsbarkeit für das Jahr 2004 Bezug genommen.
Danach wurden in erster Instanz von den Sozialgerichten von den anhängig gewordenen Klagen 71.901 innerhalb eines Zeitraums von unter sechs Monaten, 78.117 innerhalb von sechs bis unter zwölf Monaten, 54.405 innerhalb von zwölf bis unter 18 Monaten, 34.014 innerhalb von 18 bis unter 24 Monaten und 50.174 innerhalb von 24 Monaten und mehr erledigt. Demzufolge sind in einem Zeitraum bis zu zwei Jahren 238.437 Klageverfahren erledigt worden (82,59 vH).
Von den Landessozialgerichten wurden von den anhängig gewordenen Berufungen 6.600 in einem Zeitraum unter sechs Monaten erledigt, 7.863 innerhalb von sechs bis unter zwölf Monaten, 5.027 innerhalb von zwölf bis unter 18 Monaten, 3.235 innerhalb von 18 bis unter 24 Monaten und 5.084 innerhalb von 24 Monaten und mehr. In einem Zeitraum bis zu zwei Jahren sind demzufolge 22.725 Berufungsverfahren erledigt worden (81,72 vH).
In welcher Zeit die jeweils über zwei Jahre anhängigen Klage- und Berufungsverfahren letztlich erledigt wurden, weist die Statistik nicht aus. Sie unterscheidet auch nicht zwischen tatsächlich und rechtlich schwierigen und “einfacheren” Fällen. Da der Schwerpunkt der Erledigungen erkennbar unter zwei Jahren liegt, ist die Vermutung gerechtfertigt, dass bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren in der ersten wie auch in der zweiten Instanz die Grenze des Tolerablen überschritten wird, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Gründe vor, die ein solches Überschreiten rechtfertigen.
Sowohl vor dem SG als auch LSG sind im vorliegenden Fall die Grenzwerte nicht eingehalten worden. Die Klage ist am 14. April 1997 vor dem SG anhängig gemacht worden; die das Verfahren abschließende Entscheidung des SG ist am 21. Dezember 2000 ergangen, also nach ca 3 ½ Jahren. Die Berufung beim LSG hat der Kläger am 16. Januar 2001 erhoben; das LSG hat am 26. Juli 2004 ein Teilurteil verkündet, durch das das Berufungsverfahren nur für den strittigen Zeitraum vom 1. April 1992 bis 30. Juni 1993 abgeschlossen worden ist; für den weiteren streitigen Zeitraum ab 1. Juli 1993 ist das Verfahren ausgesetzt worden und damit weiterhin beim LSG anhängig. Welche Bedeutung der Aussetzung mit Blick auf die Verfahrensdauer zukommen könnte, kann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens dahin stehen. Denn bereits von der Berufungseinlegung bis zur Verkündung des Teilurteils ist ein Zeitraum von etwa 3 ½ Jahren vergangen.
Damit ist festzustellen, dass die zulässig erhobene Verfahrensrüge begründet ist. Ob ggf außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls ein Überschreiten rechtfertigen konnten, ist nicht abschließend im Beschwerdeverfahren, sondern erst im Revisionsverfahren zu prüfen. Im Beschwerdeverfahren beschränkt sich die Prüfung des Gerichts auf eine Evidenzkontrolle, nämlich darauf, ob es unter Zugrundelegung der Feststellungen in der Sitzungsniederschrift sowie im Urteil des LSG sowie des Inhalts der Beschwerdeakte evident ist, dass derartige außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls vorliegen.
Solche könnten zB dann anzunehmen sein, wenn der Kläger ein Nichtbetreiben des Verfahrens beantragt hätte oder objektive Hindernisse in der Sachaufklärung die Möglichkeit von für ihn günstigen Feststellungen verzögert hätten. Sonstige schwierige Sachermittlungen dürften dagegen nicht beachtlich sein, weil die angenommene generelle Grenze von drei Jahren schon Verfahren mit schwierigen und aufwendigen Sachermittlungen einschließt. Keinesfalls könnte die Notwendigkeit, schwierige Rechtsfragen beantworten zu müssen, ein Überschreiten rechtfertigen. Auch der Umstand, dass die Beklagte während des Verfahrens eine Vielzahl von Verwaltungsakten erließ, hinderte die Vorinstanzen nicht, über die Regelungen zu befinden, die in dem Zeitpunkt, in dem eine zügig gebotene gerichtliche Entscheidung hätte ergehen müssen, bereits Gegenstand des Klageverfahrens geworden waren. Sollten die Vorinstanzen im vorliegenden Fall davon ausgegangen sein, dass für das anhängige Verfahren evtl relevante höchstrichterliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen zu erwarten waren, hätten sie das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten aussetzen oder im Einverständnis mit ihnen zum Ruhen bringen können. Unterblieb dies, wäre ein “Nichtbetreiben” des Verfahrens nicht gerechtfertigt, wobei hier nicht darauf einzugehen ist, inwieweit Unterbrechungen, die auf einer fehlerhaften Rechtsansicht eines Gerichts beruhen, beachtlich sein könnten. In keinem Fall rechtfertigt eine Überlastung der Gerichte eine unangemessene Verfahrensverzögerung. Denn insoweit obliegt es den Vertragsstaaten, ihr Gerichtswesen so zu organisieren, dass ihre Gerichte angemessene Fristen einhalten können (EGMR, Urteil vom 16. September 1996, Az 57/1995/563/649, EuGRZ 1996, 514). Demzufolge haben die zuständigen Stellen für Abhilfe zu sorgen, zB hat das Präsidium eines Gerichts im Rahmen der Geschäftsverteilung einen überlasteten Richter zu entlasten, oder – soweit dies nicht möglich ist – hat der Träger der Gerichte diese entsprechend personell und sachlich auszustatten. Ob noch weitere Fallgestaltungen als außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, ist hier nicht abschließend zu entscheiden.
Im vorliegenden Fall ist es nämlich aufgrund der Feststellungen in der Sitzungsniederschrift und im Urteil des LSG sowie des Inhalts der BSG-Akte nicht evident, dass irgendwelche außergewöhnlichen Umstände vorgelegen haben könnten, die ein Überschreiten der generellen Grenze von jeweils drei, insgesamt also von sechs Jahren rechtfertigen könnten. Soweit der Kläger eine überlange Verfahrensdauer rügt, ist die zulässige Rüge begründet und die Revision bezüglich dieses Beschwerdegegenstandes zuzulassen.
B. Die weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe hat der Kläger nicht ordnungsgemäß dargelegt bzw bezeichnet.
1. Unter der Überschrift “Die Benachteiligung des Bf durch das besondere Alterssicherungsrecht Ost” macht der Kläger Ausführungen, die ua darauf hindeuten, dass er in diesem Zusammenhang den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend machen will. Er wirft folgende drei Fragen auf (Teil C. Ziff 1.2., 2.1.3. und 3.1. der Beschwerdebegründung):
(1) “Ist bzw. war es von Verfassungswegen zulässig, im deutsch-deutschen Einigungsprozess ein Gesetz mit dem ausdrücklichen Ziel zu erlassen, den Einigungsvertrag zu brechen, seine Zusagen zur Bewahrung des in der DDR erworbenen Eigentums und seine Bestands- und Vertrauensschutzzusicherungen zu verletzen, die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland zu verhindern und ein für die Betroffenen lebenslang wirkendes Sonderrecht Ost auf dem Gebiet der Alterssicherung, u.a. mit Hilfe der Systementscheidung des RÜG, zu schaffen, dieses Gesetz dann grob irreführend zu erläutern und rigoros aber unzutreffend differenziert durchzusetzen sowie schließlich die den betroffenen Eigentümern aufgrund der erfolgreichen Täuschung vorbehaltenen Gelder weiter einzubehalten – oder verstößt eine solche Verfahrensweise, die politisch und moralisch verwerflich ist und den mit dem Staatsvertrag und dem Einigungsvertrag erreichten Konsens bricht, gegen das Grundgesetz und die EMRK?”
(2) “Ist es zulässig ist, die Entscheidungen eines höchsten Fachgerichts der Bundesrepublik Deutschland auf Begriffe aufzubauen, die für ein Sonderrecht für eine Minderheit neu erfunden und wissenschaftlich nicht fundiert sind, wie vorliegend die Begriffe der Nominalwertgarantie, der – angeblichen – Aufwertung von Rentenansprüchen aus der DDR und der ‘gesetzlichen Novation und der inzwischen neu benannten Zweiten gesetzlichen Novation’? Dürfen solche Begriffe, für die es eine wissenschaftliche Erklärung nicht gibt und die bis heute – wie der Begriff der ‘gesetzlichen Novation’ – nicht einmal Eingang in erklärende Rechtswörterbücher gefunden haben, als Basis für grundlegende Eingriffe in Grund- und Menschenrechte der Minderheitsgruppe der beigetretenen Bürger genutzt werden?”
und
(3) “Darf die ‘Umstellung’ bzw. Überführung der Anwartschaften/Ansprüche aus der DDR in das Bundesrecht durch das RÜG bzw. das SGB VI idF des RÜG für den Bf mit Einbußen bei dem Wert des Alterseinkommens einhergehen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen und Eigentumspositionen, speziell den Wert des Alterseinkommens einschließlich der Pflichtversichertenrente, wie vorliegend, in unzumutbarer Weise schmälern?”
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger wiederum keine Rechtsfragen formuliert. Hierzu genügt es nicht, dass irgendwelche Fragen (zB von rechts- oder sozialpolitischem Interesse) gestellt werden. Der Kläger hat nicht zu erkennen gegeben, aus welcher bundesrechtlichen Norm (zB des GG oder der ins Bundesrecht transformierten EMRK oder des Einigungsvertrages ≪EinigVtr≫ oder des RÜG oder des SGB VI oder des AAÜG) er seine Fragestellungen herleiten will und in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Texte solcher Normen in ihrem rechtlich-normativen Inhalt unklar sind und deshalb bestimmte Fragen aufwerfen könnten. Im Wesentlichen handelt es sich bei den Ausführungen des Klägers in der Beschwerdebegründung um eine textbausteinartige Wiederholung von “Fragen”, die sein Prozessbevollmächtigter mit geringen Variationen in einer Vielzahl von Beschwerdeverfahren gestellt hat, ohne – worauf er jeweils vom BSG hingewiesen worden ist – dargelegt zu haben, dass sie sich nach positivem Bundesrecht als solche überhaupt stellen könnten.
Im Übrigen hat es der Kläger unterlassen darzulegen, warum die aufgeworfenen Fragestellungen klärungsfähig, dh in einem (späteren) Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein könnten. Insoweit hat er sich nicht damit auseinander gesetzt, nach welchen Rechtsgrundlagen sein Begehren zu beurteilen sein könnte und deshalb seine Fragestellungen und Ausführungen für eine Entscheidung im Revisionsverfahren rechtlich relevant sein könnten.
Es ist deshalb nicht weiter darauf einzugehen, dass der Kläger auch nicht ansatzweise die Klärungsbedürftigkeit seiner Fragen – unterstellt es wären Rechtsfragen – dargelegt hat, weil er sich inhaltlich und sachlich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den von ihm angesprochenen Themenbereichen nicht befasst hat; insoweit ist auch nicht darauf einzugehen, dass seine Fragen schon deshalb nicht klärungsbedürftig sind, weil sie zum Teil schnell und einfach mit einem “Nein” zu beantworten sind. Selbstverständlich ist es in einem Rechtsstaat dem Gesetzgeber ua untersagt, (gesetzlich gegebene) Zusagen sowie Bestands- und Vertrauensschutzzusicherungen zu “verletzen” (und zwar im Sinne eines vom Kläger wohl so verstandenen verfassungs- und menschenrechtswidrigen Handelns), die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland unter Diskriminierung der Bürger in den neuen Bundesländern zu verhindern und die Öffentlichkeit zu täuschen, um Gelder einzubehalten. Ebenso ist es in einem Rechtsstaat der Verwaltung und den Gerichten untersagt, Begriffe zu “erfinden” anstatt sich – gemäß dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gesetzesbindung – an Gesetz und Recht zu halten. Warum insoweit rechtliche Auslegungs- oder Anwendungsprobleme bestehen könnten, hat der Kläger wiederum nicht aufgezeigt.
Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen der von ihm darzustellenden Klärungsbedürftigkeit außer Acht gelassen, dass das BVerfG in den Entscheidungen vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff) und vom 9. März 2000 (SozR 3-8570 § 8 Nr 5) und das BSG (vgl ua Urteile des erkennenden Senats vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94 – BSGE 76, 136 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 1, vom 10. April 2003 – B 4 RA 41/02 R – SozR 4-2600 § 260 Nr 1, vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 120/00 R – BSGE 90, 11 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1, vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R – und vom 8. Juni 2004 – B 4 RA 56/03 R) ua Folgendes entschieden haben:
– Art 14 Abs 1 GG erstreckt sich allein auf die nach Maßgabe des EinigVtr ausgestalteten und als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialversicherung, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung und den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen. Bis zum Beitritt genossen die in der DDR erworbenen Rechtsansprüche und Rechtsanwartschaften nicht den Schutz von Art 14 Abs 1 GG.
– Der an das GG und nicht etwa an ein wie immer definiertes “Eigentums-Naturrecht” gebundene Gesetzgeber unterlag nicht den Bindungen des Individualgrundrechts aus Art 14 Abs 1 GG, als er Fragen der Überleitung regelte.
– Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Berechtigten aus Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Versicherungsbiografie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt; es war nicht verfassungswidrig, dass er die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Versicherungsleistung unter Verzicht auf Zusatzleistungen, die der betrieblichen Altersversorgung oder der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in Westdeutschland gleichen, ersetzt hat.
Im Übrigen hat der Kläger nicht angesprochen, dass er, als er 1989 in die Bundesrepublik Deutschland floh, alle Rechte gegen die DDR und ihre Untergliederungen verloren hatte, sodass ihm alle einschlägigen Rechte, die er hat und haben könnte, allein aus dem Bundesrecht zugewachsen sein können.
2. Welche Zulassungsgründe iS von § 160 Abs 2 SGG der Kläger mit seinen – an verschiedenen Stellen in der Beschwerdebegründung und in unterschiedlichen Zusammenhängen gemachten – Ausführungen geltend machen will, es werde die Ostdynamisierung des garantierten Zahlbetrags sowie eine ordnungsgemäße Rentenanpassung und Rentenangleichung Ost an West verweigert, es liege eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und der Garantie eines fairen Verfahrens vor und es stelle sich die Notwendigkeit einer erneuten Prüfung der bisherigen Entscheidungspraxis des BSG, hat er nicht dargelegt. Sollte er insoweit jeweils eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ansprechen wollen, hat er es bereits ua unterlassen, die erforderlichen Rechtsfragen zu formulieren.
3. Den geltend gemachten Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) hat der Kläger nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
Der Kläger rügt, das angefochtene Urteil des LSG widerspreche Entscheidungen des BVerfG und des EGMR.
a) Die Ausführung des Klägers unter Teil B. Ziff 8.4. der Beschwerdebegründung lassen dem Wortlaut nach nicht erkennen, welchen Zulassungsgrund er in diesem Zusammenhang geltend machen will. Zum einen rügt er, die Missachtung seiner Beweisanträge dokumentiere vor allem die “Verletzung des Amtsermittlungsprinzips und seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz”. Diese Ausführungen könnten darauf hindeuten, dass er die Beschwerde auf einen Verfahrensmangel stützen will, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Daran anschließend benennt er jedoch eine “grundsätzliche Rechtsfrage”, über die hier zu entscheiden sei; diese formulierte Frage könnte dafür sprechen, dass er wiederum eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als Zulassungsgrund geltend machen will. Daran anschließend führt er aus, er stütze den Antrag zur Prüfung der entsprechenden Rechtsfragen und zur Beseitigung der damit offensichtlich gewordenen “Divergenz” des vorliegend angegriffenen Urteils des LSG mit dem genannten Beschluss des BVerfG, die Revision zuzulassen, auch auf die Feststellungen des 2. Senats des BVerfG im Beschluss vom 19. Oktober 2004 (2 BvR 779/04).
Schon wegen dieser verworrenen Darstellung genügt die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, die an die Darlegungslast zu stellen sind. Sie lässt nicht erkennen, welchen Zulassungsgrund der Kläger in diesem Zusammenhang überhaupt geltend machen will. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG).
b) Auch die weitere unter Teil C. 2.1.1. geltend gemachte Divergenz zwischen dem Urteil des LSG und dem Urteil des BVerfG vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff) hat der Kläger nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
Der Kläger trägt vor, das LSG folge mit seiner Entscheidung dem Satz und den grundsätzlichen Positionen, die auch von anderen Sozialgerichten ohne ausreichende Tatsachen- und Rechtsprüfung übernommen worden seien, dass der Bruch des EinigVtr zulässig und die Enteignung der in der DDR rechtmäßig erworbenen Alterssicherungsansprüche mittels der sog gesetzlichen Novation zulässig war und ist. Demgegenüber habe das BVerfG in seinen Entscheidungen die sog gesetzliche Novation verworfen sowie bestehendes Eigentum und die Regelungen des EinigVtr zum Eigentums-, Bestands- und Vertrauensschutz anerkannt.
Mit diesen Ausführungen hat der Kläger einen Widerspruch in Rechtssätzen des LSG und BVerfG in den jeweiligen Entscheidungen nicht dargelegt. Er hat es bereits unterlassen, einen tragenden Rechtssatz aus dem Urteil des LSG zu benennen. Schon der Wortlaut seiner Darlegungen gibt zu erkennen, dass er lediglich seine Bewertung der LSG-Entscheidung wiedergibt. Er hat nicht dargelegt, das LSG habe selbst den Rechtssatz formuliert, der “Bruch” des EinigVtr und die “Enteignung rechtmäßig erworbener Ansprüche” sei zulässig. Darüber hinaus hat er nicht nachvollziehbar angegeben, an welcher Stelle das BVerfG in dem zitierten Urteil die behaupteten Aussagen gemacht haben könnte. Es ist daher nicht erkennbar, dass hier widersprechende Rechtssätze miteinander korrespondieren könnten.
c) Soweit der Kläger eine Divergenz zwischen dem Urteil des LSG und dem benannten Urteil des EGMR vom 22. Januar 2004 rügt (Teil C 2.1.1 und Teil D der Beschwerdebegründung), zeigt schon der Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, dass eine derartige Divergenz – selbst wenn sie vorliegen würde – nicht zur Zulassung der Revision führen kann; denn der EGMR wird in dieser Norm nicht benannt (vgl insoweit zu den nicht divergenzfähigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften: BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2001, 6 B 35/00).
4. Soweit der Kläger geltend macht, SG und LSG hätten schwerwiegend gegen die ihnen obliegende Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) verstoßen, hat er den damit geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
Ob das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG Verfahrensmängel aufweisen könnte, ist für die Nichtzulassungsbeschwerde an das BSG von vornherein unerheblich. Im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision kommt es allein darauf an, ob dem LSG im Berufungsverfahren ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, auf dem seine Entscheidung in der Hauptsache beruhen kann. Den Verfahrensmangel einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht hat der Kläger nicht ordnungsgemäß gerügt. Die Darlegung eines solchen Mangels erfordert ua, dass er sich auf einen im Berufungsverfahren vor dem LSG gestellten und den Anforderungen der Zivilprozessordnung genügenden Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Der Beweisantrag muss so genau benannt werden, dass er ohne weiteres auffindbar ist. Der Kläger hat es schon unterlassen, die erforderlichen Beweisanträge zu benennen. Es ist deshalb nicht weiter darauf einzugehen, dass er auch nicht dargelegt hat, dass das LSG – aufgrund seiner, hier allein maßgeblichen, eigenen Rechtsauffassung – zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, wenn es die von ihm begehrte weitere Sachaufklärung durchgeführt hätte.
C. Die Beschwerde hat daher nur insoweit Erfolg, als der Kläger eine überlange Verfahrensdauer gerügt hat; im Übrigen war sie als unzulässig zu verwerfen. Gegenstand der zugelassenen Revision ist, sofern sie vom Kläger zulässig eingelegt wird, allein die Prüfung, ob das Land Berlin durch seine Gerichte (SG und LSG) das Recht des Klägers auf Entscheidung in angemessener Frist verletzt hat und welche Rechtsfolgen sich nach Bundesrecht ergeben, ferner, ob auch die Beklagte dieses Recht verletzt hat. Solche Rechtswirkungen sowie die evtl Beachtung verfahrensrechtlicher Besonderheiten hat das Revisions-, nicht aber das Beschwerdegericht zu prüfen und hierüber zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1476047 |
FA 2006, 159 |
NJ 2006, 336 |
NZS 2006, 560 |
SGb 2006, 553 |
AiSR 2007, 38 |