Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 23.06.2017; Aktenzeichen L 5 R 263/14) |
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 16.05.2014; Aktenzeichen S 4 R 6/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 23.6.2017 hat das Hessische LSG einen Anspruch der Klägerin auf höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Berücksichtigung weiterer Beitragszahlungen vom 1.5.1976 bis 31.12.1977 zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Rechtsprechungsabweichung (Divergenz).
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- die Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin behauptet, das LSG habe in der angefochtenen Entscheidung - auf Seite 2 unten, Seite 3 oben der Beschwerdebegründung mitgeteilte - Rechtssätze aufgestellt, mit denen es von - auf den Seiten 3 und 4 der Beschwerdebegründung wiedergegebenen - Ausführungen des BSG in den Entscheidungen vom 28.11.1957 - 4 RJ 186/56 -, vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - und vom 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - abgewichen sei, und stellt anschließend die aus ihrer Sicht bestehende Abweichung sowie das angebliche Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf dieser dar.
Aus der Beschwerdebegründung geht bereits nicht hervor, dass das BSG in den herangezogenen Entscheidungen auf der Grundlage der darin angeblich aufgestellten Rechtssätze eine Fallkonstellation, die mit derjenigen der Klägerin vergleichbar ist, anders entschieden hat als das LSG im angegriffenen Urteil. Dafür genügt es nicht, isoliert einzelne Sätze aus den Entscheidungen des Berufungs- und des Revisionsgerichts zu zitieren. Vielmehr ist der Kontext darzustellen, in dem die angeblich divergierenden Rechtssätze jeweils stehen (vgl hierzu zB Senatsbeschluss vom 13.12.2012 - B 5 R 254/12 B - BeckRS 2013, 65382 RdNr 9 sowie BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - BeckRS 2007, 41946 RdNr 10 mwN). Zum Kontext der Entscheidungen ist der Beschwerdebegründung aber schon deshalb nichts zu entnehmen, weil sie nicht darlegt, welcher Sachverhalt den Entscheidungen des BSG jeweils zugrunde liegt, um beurteilen zu können, welche rechtlichen Aussagen das BSG wirklich getroffen hat. Eine konkrete Sachverhaltsdarstellung der Entscheidung des LSG und der Entscheidungen des BSG gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Ein Widerspruch in der Rechtsprechung ist nur möglich, wenn sich zwei Rechtssätze auf zumindest vergleichbare Sachverhalte beziehen und diese unterschiedlich regeln (BSG Beschluss vom 13.2.2013 - B 5 R 398/12 B - BeckRS 2013, 66978 RdNr 8). Die der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegenden Sachverhalte schildert die Klägerin jedoch nicht.
Zudem versäumt es die Klägerin, ausreichend aufzuzeigen, dass die Berufungsentscheidung auf der geltend gemachten Divergenz beruht, dh eine entscheidungserhebliche Divergenz vorliegt (vgl Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 198). Dies ist nur dann der Fall, wenn die angefochtene Entscheidung bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem angeblich abgewichen ist, anders hätte ausfallen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 15 mwN). Ob eine Divergenz entscheidungserheblich ist, kann generell nur auf der Grundlage bereits getroffener Feststellungen beantwortet werden. Dagegen kann die Revision wegen Divergenz nicht zugelassen werden, wenn das Berufungsgericht eine Tatsache, die für den geltend gemachten Anspruch erheblich sein würde, noch nicht festgestellt hat und damit nur die Möglichkeit besteht, dass die Divergenz nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht und nach weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann (vgl BSG Beschluss vom 10.11.2008 - B 12 R 14/08 B - Juris RdNr 6 mwN). Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz stellt sich nur dann tragend, wenn das Berufungsgericht alle erforderlichen tatsächlichen Umstände festgestellt hat, um das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen bejahen zu können. Welchen Sachverhalt das LSG festgestellt hat, ist der Beschwerdebegründung jedoch nicht zu entnehmen.
Im Übrigen verkennt die Klägerin, dass eine Divergenz nicht schon dann besteht, wenn das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz missversteht oder aus sonstigen Gründen nicht oder falsch anwendet (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 45 mwN). Eine Divergenz setzt vielmehr voraus, dass das LSG die höchstrichterliche Rechtsprechung infrage stellt, was indes nicht der Fall ist, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall verkannt haben sollte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN). Deshalb hätte die Klägerin vertieft darauf eingehen müssen, warum es sich bei der behaupteten Abweichung des Berufungsgerichts nicht lediglich um eine falsche Rechtsanwendung im Einzelfall handelt, in der ein eigener Rechtssatz des Berufungsgerichts gerade nicht zum Ausdruck kommt (vgl im Einzelnen BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 45).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11449923 |