Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 6 Abs 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫, verkündet als Art 3 des Renten-Überleitungsgesetzes ≪RÜG≫ vom 25. Juli 1991 ≪BGBl I S 1606≫, in Kraft getreten am 1. August 1991, geändert durch Gesetz zur Änderung des RÜG vom 18. Dezember 1991 ≪BGBl I S 2207≫ und durch Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 ≪BGBl I S 1038≫) in Verbindung mit den Anlagen 2 Nrn 2, 4, 5 und 8 zum AAÜG insoweit mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar, als die bei der Berechnung einer Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch zugrundezulegenden Arbeitsentgelte aus einer Tätigkeit als Offizier der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR in jedem Fall zu kürzen sind, falls sie das 1,4-fache des Durchschnittsentgelts Ost (Werte der Anlage 4 zum AAÜG) überschreiten?
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Feststellungen der für eine Rente nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) Arbeitsentgelte des Klägers aus der Beschäftigung als Offizier der Deutschen Volkspolizei bzw der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR in der Zeit vom 7. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1962.
Der im Juli 1927 geborene Kläger begann den Dienst in der sog Volkspolizei am 15. Juni 1948 als Anwärter und Wachtmeister; er wurde zum 7. Oktober 1952 Leutnant und zum 23. Februar 1955 Oberleutnant. Etwa von 1952 bis 1956 war er hauptamtlicher Parteisekretär der SED bei der Grenzkommandantur S. …. Im Anschluß an seine Tätigkeit bei der Volkspolizei wechselte der Kläger zum 1. Januar 1960 bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Wehrdienst am 31. Dezember 1962 zur NVA.
Seit dem 1. Januar 1963 war er Oberleutnant aD. Zum 2. April 1969 schied er wegen dauernder Dienstuntauglichkeit aus der Zugehörigkeit zur Reserve aus. Von 1963 bis 1967 war er bei der jetzigen Handelsgesellschaft mbH S. …, vom 6. Oktober 1967 bis zum 19. September 1970 bei der jetzigen Konsumgenossenschaft S. …, ab dem 1. Oktober 1970 als Gütekontrolleur bei der VEB E. … -E. … St. …, vom 1. Januar 1972 bis zum 30. September 1990 bei der jetzigen E. … -E. … G. … GmbH sozialversichert beschäftigt. Seit dem 3. Oktober bis zum 31. Dezember 1991 bezog er Vorruhestandsgeld in Höhe von insgesamt 14.938,13 DM. Am 8. April 1992 stellte er einen Rentenantrag bei der Bundesknappschaft.
Seit 1. August 1992 bezieht der Kläger von der Bundesknappschaft, der Beigeladenen zu 2), eine der Höhe nach nur vorläufig festgestellte Regelaltersrente in Höhe von zunächst 1.677,89 DM monatlich, ab dem 1. Januar 1994 in Höhe von 2.105,40 DM monatlich (jeweils abzüglich des Beitragsanteils des Klägers zu seiner Krankenversicherung).
Die beklagte Bundesrepublik Deutschland stellte als zuständige Versorgungsträgerin mit dem streitigen Bescheid vom 30. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1994 die vom Kläger im Sonderversorgungssystem zurückgelegten Zeiten, die in diesen Zeiträumen tatsächlich bezogenen Bruttoarbeitsentgelte sowie die nach § 6 Abs 2 AAÜG als Verdienst anzurechnenden Arbeitsentgelte fest: a) als Zeitraum der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 6 Abs 2 AAÜG (hier: Anlage 2 Nrn 2, 1 AAÜG) die Zeiten vom 7. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1962; b) die in diesen Zeiten als Offizier je Kalenderjahr erzielten Bruttoarbeitsentgelte; c) die in diesem Zeitraum und aus dieser Beschäftigung je Kalenderjahr anzurechnenden Arbeitsentgelte: diese wurden auf die Werte der „Mindestgrenze nach § 6 Abs 2 AAÜG”, also auf die Werte der Anlage 5 des AAÜG (Durchschnittsentgelte im Beitrittsgebiet) festgesetzt.
Das Sozialgericht (SG) Stendal hat die Klage mit Urteil vom 24. November 1994 abgewiesen. Die streitigen Entscheidungen der Beklagten seien gesetzmäßig. Nach § 6 Abs 1 AAÜG sei das tatsächliche Arbeitsentgelt iS des § 256a Abs 2 SGB VI ohnehin nur insoweit anzurechnen, als es die Werte der Anlage 3 AAÜG (Beitragsbemessungsgrenze) nicht überschreite. Soweit das tatsächliche Arbeitseinkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, jedoch zwischen dem 1,4fachen und dem 1,6-fachen des Durchschnittsverdienstes in der ehemaligen DDR gelegen habe, sei es auf die in Anlage 4 (1,4-fache des Durchschnittsentgelts) genannten Werte zu begrenzen. Überschritten die Arbeitsentgelte aber den Betrag der Anlage 8 zum AAÜG (1,6-fache des Durchschnittsverdienstes), sei vom Wert der Anlage 4 zum AAÜG (1,4-fache des Durchschnittsverdienstes) der zweifache Wert des die Anlage 8 zum AAÜG überschreitenden Betrages abzuziehen. Das in Anlage 5 zum AAÜG genannte Durchschnittsentgelt dürfe dabei allerdings nicht unterschritten werden. Damit seien die hier in Rede stehenden Einkünfte und Entgelte ausnahmslos auf die in Anlage 5 zum AAÜG genannten Werte zu kürzen. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht oder den Einigungsvertrag (EinigVtr, im folgenden: EV) sei nicht zu erkennen. Auf eine Bestandsgarantie des EV iS einer ungekürzten Berücksichtigung der Entgelte könne der Kläger sich nicht berufen; der Gesetzgeber sei nach EV Ziff 9b S 3 Nr 1 aufgerufen gewesen, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen, überhöhte Leistungen abzubauen und eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen zu vermeiden. Unter diesen Auftrag fielen jedenfalls die Leistungen, die nur besonders Privilegierten gewährt worden seien. Dieser Gruppe seien die Angehörigen der bewaffneten Organe der DDR zuzurechnen. Darauf deute schon der Umstand hin, daß der Zugang zu den Sonderversorgungssytemen dem Großteil der Versicherten in der DDR verwehrt gewesen sei. Art 14 GG werde nicht verletzt. Die Eigentumsgarantie könne sich lediglich auf die vom Gesetzgeber neu begründeten Anwartschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland beziehen. Die Regelungen des EV verdeutlichten indes, daß ein Eintreten der Bundesrepublik Deutschland in sämtliche in der ehemaligen DDR begründeten Rentenanwartschaften gerade nicht vorgesehen gewesen sei. Schließlich sei auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot festzustellen. Der Kläger sei unter keinen Gesichtspunkten mit den ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr der alten Bundesländer vergleichbar. Im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG habe der Kläger allein Anspruch darauf, mit ehemaligen Angehörigen der NVA hinsichtlich der Berücksichtigung des Arbeitseinkommens/-entgelts gleich behandelt zu werden. Dieser Anspruch sei vorliegend gewahrt worden.
Der Kläger rügt mit seiner – vom SG zugelassenen – Sprungrevision die Verletzung der Art 3 Abs 1, 14 Abs 1 GG und des Verhältismäßigkeitsprinzipes. Wenngleich der EV in Nr 9 Buchst b Ziff 1 keine eigentumsrelevante Inhaltsbestimmung enthalte, so müsse doch bedacht werden, daß Regierung und Gesetzgeber der DDR die spätestens mit dem Verfassungsgrundsätzegesetz vom 17. Juni 1990 gewährleisteten Grundrechte nicht rechtswirksam mit dem Abschluß eines Staatsvertrages hätten entziehen können. Dementsprechend seien die Bürger der DDR dem Gesamtstaat nicht grundrechtslos beigetreten, so daß die bereits in der DDR eigentumsrechtlich geschützten renten- und versorgungsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften diesen Schutz durch den EV nicht verloren hätten. EV Anlage II Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst b Nr 1 enthalte ein verfassungsrechtlich bedeutsames Gleichbehandlungsgebot. Dieses verbiete den Erlaß von rentenversicherungsrechtlichen Sonderregelungen, die eine Schlechterstellung gegenüber den allgemeinen Regelungen des Rentenversicherungsrechts bewirken sollten. Dieses Gleichbehandlungsgebot werde darüber hinaus unabhängig vom Text des EV auch dem Generationsvertrag geschuldet. Eingriffe aufgrund von Werturteilen seien mit den politisch-moralisch wertneutralen Strukturprinzipien des Generationsvertrags nicht zu vereinbaren. Die Normierung besonderer Bemessungsgrenzen durch § 6 Abs 2 AAÜG sei mit Art 3 Abs 1 GG nicht zu vereinbaren. Neben der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze kenne die Geschichte des deutschen Rentenversicherungsrechts keine Schlechterstellung im Rahmen der allgemeinen Rentenversicherung. Aus dem Beruf des Soldaten sei kein sachlicher Grund für eine berufsspezifische Beitragsbemessungsgrenze herzuleiten. Ob Leistungen ungerechtfertigt oder überhöht seien oder ob Ansprüche eine Besserstellung bewirken, könne lediglich aufgrund eines sachgerechten Vergleichskriteriums ermittelt werden. Amtliche Berechnungen lägen diesbezüglich bislang nicht vor. Sofern die von den Soldaten in der DDR erzielten Einkommen tatsächlich als überhöht anzusehen wären, könne der Gesetzgeber zwar eine Beschränkung auf die nicht als systemspezifisch überhöht anzusehenden Einkommensanteile vorsehen, habe dabei jedoch eine wirklichkeitsnahe Typisierung vorzunehmen. § 6 Abs 2 AAÜG enthalte keine derartige wirklichkeitsnahe Typisierung. Eine nicht belegte, in der Höhe nicht einmal bezifferbare Vermutung überhöhter Einkommen reiche nicht aus, die gleichheitswidrige Durchbrechung eines allgemeinen Strukturprinzips des Rentenversicherungsrechts zu rechtfertigen. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß der überwiegende Teil an Besserstellung bereits durch die Anwendung des § 6 Abs 1 AAÜG beseitigt werde.
Die Regelung des § 6 Abs 2 AAÜG könne sich nicht auf den Auftrag aus EV Anlage II Sachgebiet H Abschnitt II Nr 9 Buchst b Nr 1 berufen, sondern pönalisiere lediglich den Aufstieg in einer Hierarchie in rentenrechtlicher Hinsicht. Das bewußte Herabsenken der anzurechnenden Arbeitsentgelte unter das 1,4-fache Durchschnittseinkommen sei nur als nachträgliche Sanktion für die Ausübung einer mißbilligten Tätigkeit zu erklären. Die Regelung verlasse den Rahmen intersubjektiv nachprüfbarer Anpassungen. § 6 Abs 2 AAÜG liege die Auffassung zugrunde, daß der objektive Unwert einer Tätigkeit bis zu einer bestimmten Kappungsgrenze ständig ansteige. Diese Regelung könne auch nicht mit dem Auftrag aus EV Anlage II Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst b Nr 2 gerechtfertigt werden, beruhe dieser doch auf dem Grundsatz einer individuell festgestellten Schuld. Eine kollektiv an Position und Einkommenshöhe anknüpfende Schuldvermutung sei mit dem Grundsatz der Menschenwürde nicht zu vereinbaren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 24. November 1994 – S 2 An 25/94 – und des Bescheides der Beklagten vom 30. November 1993 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1994 zu verurteilen, für die Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der NVA als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) nach § 6 Abs 1 AAÜG das vom Kläger tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt bis zu den in Anlage 3 AAÜG genannten Beträgen zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Die Beigeladene zu 2) beantragt schriftsätzlich,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des SG Stendal vom 24. November 1994 – S 2 An 25/94 – zurückzuweisen.
Sie verweist auf das Urteil des SG.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat folgende Stellungnahmen eingeholt:
1. Die Deutsche Bundesbank hat unter dem 15. Mai 1995 ua mitgeteilt, ausgehend von der Finanzierungsstruktur des Sozialversicherungssystems der DDR seien keine wesentlichen Vermögenswerte in diesem System zu erwarten. Die für die Auszahlung der Renten benötigten Mittel seien unmittelbar aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt worden, dem auch die über die Finanzämter eingezogenen Beiträge zugeflossen seien. Überschüsse seien nicht angefallen, ein Kapitalstock nicht gebildet worden. Wie auch immer der Vermögensstand der früheren DDR zu bewerten sei, hätten ihm enorme öffentliche Belastungen gegenübergestanden. Hinsichtlich des Geldwertes lasse sich wirtschaftlich realitätsnah auch unter Berücksichtigung von statistischen Kaufkraftvergleichen nur eine breite Spannweite von Wertansätzen nennen, deren obere Grenze bei dem Verhältnis von 1:2 liegen dürfte und deren Untergrenze bis zu Sätzen von 1:8 und weniger reiche; die DDR-Mark sei eine reine Binnenwährung gewesen. Ein genereller Umstellungskurs von DM zur DDR-Mark im Verhältnis von 1:2 habe für die DDR-Bürger real eine Aufwertung bedeutet. Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in den neuen Ländern habe in den Jahren von 1991 bis 1994 – ungeachtet der Bundeszuschüsse in Höhe von knapp 34 Milliarden DM – zusammengefaßt mit einem Defizit von rund 25 Milliarden DM abgeschlossen; in dieser Größenordnung sei auf Beitragseinnahmen aus dem alten Bundesgebiet zurückgegriffen worden. Die Rentenzusagen der früheren DDR seien im Grunde genommen ebenso wie die Zusagen an Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigte wirtschaftlich letztlich nicht gedeckt gewesen. Die veralteten Produktionsanlagen, die augenfällige Umweltzerstörung sowie die geringe Arbeitsproduktivität in der DDR sprächen dafür, daß die Wirtschafts- und Sozialpolitik insgesamt zu Lasten der Kapitalbildung gegangen sei. Auch die Rentenzusagen seien insofern nicht wirtschaftlich gesichert gewesen. Die Arbeitsverdienste seien entsprechend der letztlich vom Zentralkomitee der SED festgelegten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Wirtschaftszweige und nach Betriebsklassen differenziert worden. Die Lohnabstufung sei so gesehen politisch motiviert gewesen. Diese Gestaltung der Arbeitseinkommen habe nach Expertenansicht dazu geführt, daß sich zwischen den Produktionsarbeitern einerseits und Meistern, Hoch- und Fachschulkadern sowie technisch-ökonomischen Fachkräften andererseits beim Nettolohn Verhältnisse herausgebildet hätten, die einer leistungsgerechten Bezahlung widersprochen hätten. Auch sei der Verdienst der Frauen sogar bei gleichen Lohn-und Gehaltsgruppen entgegen den wiederholten amtlichen Verlautbarungen niedriger als bei Männern gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Auskunft der Deutschen Bundesbank vom 15. Mai 1995 und der von ihr übersandten Unterlagen wird auf Bl 124 bis 159 der BSG-Akte Bezug genommen.
2. Die beigeladene Bundesknappschaft hat unter dem 12. Mai 1995 mitgeteilt, sie habe aus dem DDR-Rentenbestand (1991) 291.071 Renten übernommen; 5.823 hiervon hätten Zeiten aus Zusatzversorgungssystemen enthalten. Ferner seien jetzt 5.017 Fälle mit AAÜG-Beteiligung bekannt; die Anzahl der entsprechenden Anwartschaften werde noch lange unbekannt sein. Im übrigen werde der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) antworten. Wegen des weiteren Inhalts der Auskunft der Bundesknappschaft wird auf Bl 122 bis 123 der BSG-Akte verwiesen.
3. Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat am 26. Mai 1995 folgendes mitgeteilt: Bei der Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung zum 31. Dezember 1991 habe sie insgesamt 333.746 Berechtigte mit Ansprüchen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen als Rentenzahlfälle übernommen. Hiervon hätten 8.491 der Sonderversorgung der NVA (Anlage 2 Nr 1 des AAÜG), 40.403 der Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzuges (Anlage 2 Nr 2 des AAÜG), 1.235 der Sonderversorgung der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR (Anlage 2 Nr 3 des AAÜG) und 11.127 der Sonderversorgung der Angehörigen des ehemaligen Ministeriums für Staatliche Sicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit – MfS – (Anlage 2 Nr 4 des AAÜG) angehört. Die übrigen Renten seien wegen einer Berührung mit Zusatzversorgungen neu festzustellen gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe im Rahmen der Überführung von Zusatz-und Sonderversorgungsleistungen keinerlei Vermögen oder Geld übernommen; weder in der Sozialversicherung der ehemaligen DDR noch in der Zusatz- und Sonderversorgung, also bei der Staatlichen Versicherung der ehemaligen DDR, seien entsprechende Mittel vorhanden gewesen. Bis zur vollständigen Klärung der Versichertenkonten könne die Zahl der Rentenanwartschaften mit Zeiten aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen nur geschätzt werden; für den Bereich der Zusatzversorgung sei von insgesamt über 2 Millionen Anwartschaften auszugehen, wovon rund ein Drittel auf die der Kürzung nach § 6 Abs 2 AAÜG unterworfenen Zusatzversorgungssysteme entfalle. Für den Bereich der Sonderversorgung betrage die Zahl der Anwartschaftsberechtigten schätzungsweise 750.000 bei der NVA, ca 650.000 bei Volkspolizei, Feuerwehr und Strafvollzug und 30.000 beim Zoll. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Auskunft der BfA vom 26. Mai 1995 wird auf Bl 166 bis 170 der BSG-Akte Bezug genommen.
4. Der Senat hat den Beteiligten den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom März 1995, 17 bis 27 (zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung seit Beginn der 90er Jahre) zugeleitet; auf Bl 173 bis 183 der BSG-Akte wird Bezug genommen.
5. Der BMA hat auch für den Bundesminister der Finanzen, für den Bundesminister des Innern und für den Bundesminister der Verteidigung einschließlich deren Geschäftsbereiche die Anfrage des Senats vom 24. April 1995 unter dem 7. Juni 1995 ua wie folgt beantwortet: Die Finanzierung sämtlicher Renten der ehemaligen DDR sei direkt aus dem Staatshaushalt erfolgt; zum Zeitpunkt des Beitritts sei die ehemalige DDR bankrott gewesen und habe ihre finanziellen Verpflichtigungen bereits seit einiger Zeit nicht mehr erfüllen können. Deshalb sei es mit der Sozialunion (Staatsvertrag) zu einer aus Bundesmitteln bereitgestellten Anschubfinanzierung an die Rentenversicherung der DDR von 750 Millionen DM und zu einem Betriebsmitteldarlehen von rund 2,4 Milliarden DM gekommen. Die Funktionsnachfolger für die Sonderversorgungssysteme der Anlage 2 des AAÜG hätten weder bewegliches, noch unbewegliches Vermögen, noch Geld übernommen, das für die Leistungen entsprechend den jeweiligen Versorgungsordnungen bestimmt gewesen wäre. Die Aufwendungen für die Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen seien von 1 Milliarde Mark (DDR) im ersten Halbjahr 1990 auf 3,757 Milliarden DM im Jahr 1995 (Haushaltsansatz) erhöht worden. Zu den Fragen des Senats nach den Sachkriterien für die Festsetzung der Arbeitsentgelte in der früheren DDR, nach den Merkmalen für überhöhte oder aufgrund politischer Begünstigung ungerechtfertigte Arbeitsentgelte für Tätigkeiten, die von den Versorgungssystemen erfaßt werden, ferner, in welchem Ausmaß nicht typisch systemtragend Beschäftigte von der Begrenzung erfaßt würden und in welchem Umfang überhöhte Entgelte an fachlich nicht hinreichend qualifizierte Personen gezahlt worden seien, sei der Bundesregierung eine Antwort nicht möglich, da ihr empirisch gestützte Daten nicht vorlägen. Dies gelte für die Einkommens- und ggf Privilegierungssituation der Angehörigen der Zusatz-und Sonderversorgungssysteme bzw für die Frage der Qualifikation derjenigen,
die eine in § 6 Abs 3 AAÜG genannten Funktionen ausgeübt hätten. Solches Material sei bisher nicht benötigt worden. Mit der Begrenzungsregelung werde verhindert, daß Personen, die bei typisierender Betrachtung durch ihre Tätigkeit im Vergleich zur Tätigkeit anderer Personengruppen einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen DDR geleistet hätten, für diese Zeiten überdurchschnittlich hohe Rentenleistungen erhielten. Es gehe also darum, Entgeltpositionen zu Zeiten der ehemaligen DDR nicht unbesehen zu übernehmen, sondern im Rahmen der Alterssicherung neu zu begründende Ansprüche und Anwartschaften an Gesichtspunkten der sozialen Gerechtigkeit zu orientieren. Im Wesen einer Typisierung liege, daß nicht die Tätigkeit des einzelnen beurteilt werde, ob gerade sie diese Wirkung gehabt habe und ob dies vom Ausübenden gewollt gewesen sei; es werde darauf abgestellt, ob Tätigkeiten dieser Art regelmäßig diese Wirkung hätten.
Wegen des weiteren Inhalts der Auskunft des BMA vom 7. Juni 1995 und der von ihm übersandten Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann und der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks 12/6918) vom 19. Oktober 1994 wird auf Bl 189 bis 192, 193 bis 207 der Akte des BSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II
Gemäß Art 100 Abs 1 GG war das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob § 6 Abs 2 Satz 1 und 2 AAÜG iVm den Anlagen 2 Nrn 2, 4, 5 und 8 des AAÜG mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist:
1. Die – kraft Zulassung durch das SG statthafte – Revision ist zulässig. Der durch das klageabweisende Urteil des SG formell beschwerte Kläger hat sie mit Zustimmung der Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet. Die in zulässiger objektiver Klagenhäufung kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, mit denen der Kläger für die Zeit vom 7. Oktober 1952 bis einschließlich 31. Dezember 1962 die Aufhebung der je Kalenderjahr getroffenen Feststellungen von nach § 6 Abs 2 AAÜG begrenzten Arbeitsentgelten und ferner die Verpflichtung der Beklagten begehrt, jeweils jährlich die tatsächlichen Arbeitsentgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze iS von § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG als rentenversicherungsrechtlich zugrundezulegende Verdienste festzustellen, sind zulässig. Die Klagen sind statthaft, weil sie auf die Aufhebung von Verwaltungsakten bzw auf die Verpflichtung zum Erlaß inhaltlich bestimmter Verwaltungsakte gerichtet sind. Der Kläger hat sie form- und fristgerecht erhoben; das Widerspruchsverfahren ist erfolglos durchgeführt worden. Der Kläger ist klagebefugt iS von § 54 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er ist nämlich möglicherweise in seinem Recht auf – zutreffende – Feststellung der seinen Pflichtbeitragszeiten zugrundezulegenden Verdienste verletzt. Die von Bescheiden nach § 8 Abs 3 Satz 2 AAÜG Betroffenen haben einen Rechtsanspruch auf tatsächlich richtige und rechtmäßige Feststellung der erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen sowie der Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben. In den §§ 6 bis 8 aaO ist nämlich in einem besonderen Verwaltungsverfahren geregelt, daß die Versorgungsträger (§ 8 Abs 4 AAÜG) die für die spätere Berechnung von Sozialleistungen aus der Rentenversicherung maßgeblichen Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen und Daten in eigener Kompetenz abschließend, verbindlich und ohne Ermessensspielraum nach dem gesetzlichen Berechnungsmodus mit bindender Wirkung für den Rentenversicherungsträger feststellen, der bei der späteren Rentenberechnung diese Vorgaben nicht überprüfen und nicht korrigieren darf. Für gebundene Entscheidungen über Sozialleistungen besteht ein Rechtsanspruch des Bürgers auf die Leistung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 38 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫); dies gilt ebenso für abschließende Vorabentscheidungen über Anspruchselemente, die ein (idR rentenversicherungsfremder) Versorgungsträger mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger trifft. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Der Kläger kann auf eine Anfechtung der Rentenbescheide nicht verwiesen werden, weil der Rentenversicherungsträger bindende (§ 77 SGG) Vorabentscheidungen des Versorgungsträgers bei der Rentengewährung ungeprüft übernehmen muß, die Richtigkeit des „Entgeltbescheides” des Versorgungsträgers nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG also in jenem Verfahren nicht überprüft werden kann.
2. Die Klagen sind unbegründet, falls § 6 Abs 2 Satz 1 und 2 AAÜG verfassungsgemäß ist. Dies unterstellt, hat das SG richtig und mit zutreffender Begründung erkannt, daß das beklagte Land gesetzmäßig gehandelt, nämlich als zuständiger Versorgungsträger aufgrund eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens richtige Feststellungen getroffen hat. Darüber streiten die Beteiligten im übrigen auch nicht. Deswegen ist die Revision des Klägers zurückzuweisen, falls § 6 Abs 2 Satz 1 und 2 AAÜG anwendbar und gültig ist.
3. Die Vorschrift ist – ihre Gültigkeit, dh ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, immer noch unterstellt – anwendbar; es gibt keine vom BSG anzuwendende Rechtsnorm, die § 6 Abs 2 AAÜG für den vorliegenden Fall oder für Streitfälle der vorliegenden Art verdrängt oder in irgendeiner Weise dessen Anwendung hintanhält. Der Senat hält an seinen in der Grundentscheidung vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; dazu BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 7. Juli 1993 – 1 BvR 620/93; „Zahlbetragsbegrenzung auf 2.010,00 DM”) zusammengefaßten tragenden Grundsätzen seiner Rechtsprechung fest, die er in einer Vielzahl von Urteilen und Beschlüssen zu verschiedenen Bereichen des Rentenüberleitungsrechts entfaltet hat (Urteil vom 30. September 1993, 4 RA 1/93: „Übergangszeit vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1991”; Urteil vom 25. Januar 1994, SozR 3-1300 § 44 Nr 8: „Keine Einstandspflicht für DDR-Rentenansprüche vor dem 1. Juli 1990”; Beschluß vom 30. März 1994, SGb 1995, 37 ff: „Zahlbetragsbegrenzung MfS”; Urteil vom 30. März 1994, 4 RA 62/93, AuA 1994, 224, 256: „Systementscheidung und Rechtmäßigkeit der Ersten und Zweiten Rentenanpassungsverordnung”; Urteil vom 10. Mai 1994, BSGE 74, 184 ff = SozR 3-8570 § 11 Nr 1: „Dienstbeschädigungsteilrente I”; Beschluß vom 24. August 1994, SozR 3-8570 § 17 Nr 1: „Berufsbezogene Zuwendung an Ballettänzer”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 2: „Kürzung der Übergangsrente”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 12 Nr 1: „Krankenversicherung von Sonderversorgungsrentnern”; Urteil vom 31. August 1994, 4 RA 56/93: „Fortsetzung zu Dienstbeschädigungsteilrente I”; Urteil vom 29. September 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 3: „Dienstbeschädigungsteilrente II”; Urteil vom 15. Dezember 1994, 4 RA 64/94, zur Veröffentlichung vorgesehen: „Unanwendbarkeit von § 26 Abs 1 RAnglG”; Urteil vom 14. Juni 1995, 4 RA 41/94, zur Veröffentlichung vorgesehen: „Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der Ersten und Zweiten Rentenanpassungsverordnung”; Teilurteile und Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995, 4 RA 28/94 und 4 RA 4/94: beide zur Zahlbetragsbegrenzung auf 2.700,00 DM nach § 10 Abs 1 AAÜG nF; jeweils mit Parallel- und Folgeentscheidungen):
a) Das BSG darf als Rechtsprechungsorgan der Bundesrepublik Deutschland nur Rechtsnormen seinen Entscheidungen maßstäblich zugrunde legen, deren Anwendung das GG oder ein gültiges Bundesgesetz ihm vorgeschrieben hat.
Schon deswegen darf es Rechtsnormen, die von der früheren DDR oder ihren Untergliederungen erlassen worden sind, nur und nur soweit beachten, wie dies bundesrechtlich angeordnet ist. Soweit nach Art 9 Abs 2 und Abs 4 des EV vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) iVm Anlage II Kapitel VIII, dort insbesondere in den Sachgebieten F bis I (Sozialversicherung, Allgemeine Vorschriften; Krankenversicherung; Rentenversicherung; Unfallversicherung) die Weitergeltung bzw weitere Anwendung von originärem DDR-Recht angeordnet worden ist, gilt dies als Bundesrecht nur weiter oder ist als solches nur anzuwenden, soweit der EV die Geltung oder Anwendung von originärem Bundesrecht (vor allem in der Anlage I) hintangehalten, im anwendbaren originären Bundesrecht keine spezielle oder abschließende Regelung getroffen und insoweit (lückenfüllend) die Maßgeblichkeit von DDR-Recht für eine Übergangszeit angeordnet hat, soweit es jeweils mit dem EV, dem GG und dem unmittelbar anwendbaren Europäischen Recht vereinbar ist.
Hinsichtlich der in der DDR gewährten Ansprüche aus Sozialpflichtversicherung und freiwilliger Zusatzrentenversicherung (FZR) einerseits, aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen andererseits, hat Art 30 Abs 5 EV in begrenzter Abkehr von Art 20 des durch die zwischenzeitliche Entwicklung zum Teil geschichtlich überholten Staatsvertrages eine unterschiedliche Behandlung der Sozialpflicht- und der FZR-Versicherungsansprüche gegenüber den Zusatz- und Sonderversorgungsansprüchen bei der Überführung in eine Rente nach dem SGB VI vorgeschrieben. Im EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a bis f (EV Nr 9) ist die bis zum 31. Dezember 1991 dauernde vorübergehende Weiterführung der Versorgungssysteme, die bis zur Überführung der einzelnen Ansprüche zeitlich begrenzte Weiteranwendung leistungsrechtlicher Regelungen, soweit nicht in Buchst e aaO ausgeschlossen, angeordnet und das neue Überführungsprogramm des EV iS einer Ermächtigungsnorm für den Verordnungsgeber festgeschrieben worden. Der von der demokratisierten Volkskammer der DDR im Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, ber S 1457) gemäß dem Staatsvertrag konzipierte Zwischenschritt eines neuen DDR-Rentenversicherungsrechts, das im wesentlichen den Strukturvorgaben des SGB VI entsprechen sollte, wurde wegen der raschen geschichtlichen Entwicklung fallengelassen.
Der Senat hält daran fest, daß EV Nr 9 eine abschließende Spezialermächtigung für den Verordnungsgeber zur Regelung von Art und Umfang der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen enthält, die als originäres Bundesrecht auch jedes übergangsrechtlich „als Bundesrecht” in Kauf genommene originäre DDR-Recht insoweit verdrängt, als dieses mit den Vorgaben im EV Nr 9 nicht vereinbar ist; dies betrifft zB die §§ 24, 25 und 26 Abs 1 (hier im Blick auf Witwen und Witwer) RAnglG. Insbesondere hat EV Nr 9 den Verordnungsgeber ermächtigt, nähere Maßgaben ua dazu zu bestimmen, wie Ansprüche aus einem Versorgungssystem wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod, nach Art, Grund und Umfang den allgemeinen, mit dem EV vereinbaren Sozialpflichtversicherungs- und FZR-Versicherungsansprüchen im Beitrittsgebiet anzupassen sind, und ihn dabei verpflichtet, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen, überhöhte Leistungen abzubauen und eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen zu vermeiden; diese Ermächtigung wurde durch die sog „Zahlbetragsgarantie” (EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5; und nur insoweit „inhaltsbestimmend” iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Regelung 1 GG) begrenzt. Der Bundesgesetzgeber selbst hat durch das AAÜG ab 1. August 1991 die Verordnungsermächtigung im EV Nr 9 Buchst f zukunftsgerichtet weithin gegenstandslos gemacht und ua in § 6 Abs 2 AAÜG seine Vorstellungen über die Konkretisierung des Überführungsprogramms des EV Nr 9 zur Geltung gebracht. Als späteres und spezielleres Bundesgesetz verdrängt die Regelung somit EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1.
b) Dem steht Art 19 Satz 1 EV nicht entgegen. Danach bleiben Verwaltungsakte der DDR, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, wirksam. Hiermit ist durch den EV nicht etwa garantiert, die von der DDR geschaffenen Versicherungs- und Versorgungssysteme und die von der DDR oder auf ihre Rechnung von den Systemen gewährten Ansprüche blieben als solche unverändert für die Zeit nach der Wiedervereinigung bestehen, wären dadurch eigentumsgeschützt und dürften nur in den Schranken des Art 14 Abs 1 GG neu gestaltet werden. Einen solchen Regelungsinhalt hat Art 19 EV nicht. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, mit dem Ausdruck „Verwaltungsakte” der DDR könnte etwas anderes gemeint sein, als sonst im gesamten Bundesrecht damit verbunden wird. Art 19 EV regelt – wie gerade auch Satz 2 und Satz 3 „Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten”) klarstellen – nur die Frage der Wirksamkeit und Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten, also von hoheitlichen Maßnahmen von Behörden der DDR oder ihrer Untergliederungen, die zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des (nach Bundesrecht beurteilt) öffentlichen Rechts getroffen und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren; falls sie mit dem 3. Oktober 1990 nicht nichtig wurden, sollten diese Verfügungssätze auch nach der bundesrechtlichen Ordnung wirksam bleiben, bis sie befugterweise aufgehoben wurden. Deshalb ist hier nicht darauf einzugehen, daß Art 19 EV kein inhaltsbestimmendes Gesetz iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Regelung 1 GG ist. § 6 Abs 2 AAÜG ist also im Verhältnis auch zu Art 19 EV späteres und spezielleres Bundesgesetz.
c) Einen Anwendungsvorrang zugunsten des EV und innerhalb dessen einen Vorrang von originärem DDR-Recht vor originärem Bundesrecht gibt es nicht. Zwar handelt es sich um einen der Form nach völkerrechtlichen Vertrag; solche Verträge gelten aber innerstaatlich nur im Range des Vertragsgesetzes, also hier im Range eines Bundesgesetzes. Der EV ist ferner kein Staatenfusionsvertrag, kein „Verfassungsgesetz” eines durch den Beitritt angeblich entstandenen „Gesamtstaates”. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung der Modalitäten des Vollzugs des von der demokratisierten DDR angestrebten, in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland (Art 23 GG aF) vorgesehenen „Beitritts anderer Teile Deutschlands”, über die letztverbindlich nur die dazu berufenen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland befinden konnten. Art 1 Abs 1 Satz 1 und Art 44 EV betonen gerade, daß die DDR mit dem Wirksamwerden des Beitritts nicht Mitglied der Bundesrepublik Deutschland geworden, sondern in derselben logischen Sekunde untergegangen ist; nur die dort genannten Länder sind mit dem Wirksamwerden des von der DDR lediglich erklärten Beitritts dieser anderen Teile Deutschlands Länder der Bundesrepublik Deutschland geworden; nur sie sind zur Geltendmachung ihrer Rechte aus dem EV sowie derjenigen zugunsten der DDR befugt. Der EV bekräftigt somit die rechtliche Diskontinuität zwischen der erloschenen DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Daraus erhellt zugleich, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht Gesamtrechtsnachfolger der DDR geworden ist; vielmehr hat sie gerade im EV und seinen Anlagen bereichsspezifische Regelungen getroffen, ob und ggf in welchem Umfang sie, ihre Länder oder Untergliederungen in Rechte und Pflichten eingetreten sind, die in der DDR oder durch diese begründet worden sind. Deshalb beruht jedes Fortgelten von Rechten und Pflichten, die nach DDR-Recht entstanden sind, seit dem 3. Oktober 1990 allein auf Bundesrecht,
nämlich im wesentlichen auf den Regelungen im EV; im übrigen ist das gesamte Recht der früheren DDR erloschen. Dies gilt auch für Rechte und Pflichten, die von der demokratisierten Volkskammer der DDR anerkannt bzw begründet worden sind, soweit der EV sie nach den oben genannten Maßgaben nicht in Geltung erhalten hat.
d) Ein für den Bundesgesetzgeber (nicht: „gesamtstaatlicher Gesetzgeber”) verbindliches Verbot, vom EV abweichende Regelungen zu treffen (Abweichungsverbot) – wie es für manche völkerrechtlichen Verträge, die im Range eines Gesetzes gelten, wegen der inhaltlichen Qualität der in ihnen getroffenen Regelungen erörtert wird – ergibt sich aus dem EV nicht; daher kann hierauf ein Anwendungsvorrang von Regelungen des EV vor § 6 Abs 2 AAÜG nicht gestützt werden. Der EV, der – wie ausgeführt – kein Staatenfusionsvertrag und keine „gesamtstaatliche Verfassung” ist, begründet auch keine vertraglichen „Individualrechte” für deutsche Staatsbürger, die zugleich Bürger der DDR sein mußten, gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Einhaltung bestimmter Regelungen des EV; Art 44 EV regelt abschließend, wer „subjektive Rechte” aus dem EV herleiten und geltend machen kann. Im EV sind auch keine „Beitrittsbedingungen” der früheren DDR oder einzelner ihrer Bürger festgeschrieben. Zwar stand es nach Art 23 Satz 2 GG aF „anderen Teilen Deutschlands” frei, der Bundesrepublik Deutschland beizutreten; diese durfte sich jedoch – wie der Regierung der DDR bekanntgemacht war – zu keinem Zeitpunkt in ihrer Entscheidung darüber, ob der Beitritt wirksam werden sollte, von dem Willen der beitrittswilligen Teile Deutschlands rechtlich abhängig machen. Schon deswegen dürfen die Regelungen des EV nicht so ausgelegt werden, als wären dort Bedingungen formuliert, von deren Erfüllung die Wirksamkeit des Beitritts in irgendeiner Weise abhängig sein sollte. Daß der an das GG gebundene Bundesgesetzgeber nur unter Einhaltung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben von den im EV getroffenen Regelungen abweichen darf, hat nichts damit zu tun, daß sich aus dem EV selbst ein Abweichungsverbot für den Bundesgesetzgeber mit Anwendungsvorrang des EV vor § 6 Abs 2 AAÜG für die übrigen Staatsorgane des Bundes nicht ergibt. Dies ist nicht zu vertiefen, weil der Bundesgesetzgeber von dem im EV Nr 9 damals dem Verordnungsgeber vorgegebenen Überführungskonzept nicht in dem Sinne abgewichen ist, daß er spezifisch gegen EV-rechtliche Regelungen verstoßen hätte. Der nach Überzeugung des Senats vorliegende Verfassungsverstoß betrifft nicht die vermeintliche „Anwendungshierarchie” zwischen EV und § 6 Abs 2 AAÜG, sondern allein die an Art 3 Abs 1 GG gemessene Art und Weise der Durchführung der Vorgaben des EV.
e) Aus dem vorgenannten Grund ist der Senat der Anwendung des § 6 Abs 2 AAÜG auch nicht im Blick auf § 30 Abs 2 SGB I enthoben. Nach dieser Vorschrift bleiben die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts von der Geltung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs unberührt, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt (§ 37 Halbsatz 1 SGB I). § 6 Abs 2 AAÜG weicht jedenfalls nicht vom EV Nr 9 Buchst b Satz 3 AAÜG ab.
f) Die Anwendung der hier umstrittenen Vorschriften des AAÜG wird auch nicht durch die Bestimmungen der Konvention zum Schutze der Menschen und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S 685, 953 mit späteren Änderungen) nebst Zusatzprotokoll zur EMRK vom 20. März 1952 (BGBl 1956 II S 1880) hintangehalten. Die EMRK gilt im Range eines einfachen Bundesgesetzes. Auf die Streitfragen, ob sie nicht doch nach Art 25 GG übergesetzlichen oder sogar Verfassungsrang hat und ob sie für den Bundesgesetzgeber ein Abweichungsverbot begründet, ist nicht einzugehen, weil der durch die EMRK und das Zusatzprotokoll gewährleistete grundrechtliche Mindeststandard durch § 6 Abs 2 AAÜG augenfällig nicht verletzt ist:
Soweit nach Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat und niemandem sein Eigentum entzogen werden darf, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlange und daß es nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen geschehe, ist nicht ersichtlich, wodurch § 6 Abs 2 AAÜG den Kläger (bzw dem dort umschriebenen Personenkreis der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten) „Eigentum” entzogen haben könnte. Die frühere DDR und mit ihr – soweit vorhanden – ihre Rechtsordnung ist mit Ablauf des 2. Oktober 1990 untergegangen. In ihr gab es kein gegen Eingriffe der Staatsorgane, der SED und ihrer Hilfsorganisationen geschütztes Privateigentum an sozialrechtlichen Ansprüchen, insbesondere nicht im Bereich der geheimgehaltenen Sonderversorgungsordnungen. Aber sogar dann, wenn der Kläger seit Juni 1990 gegenüber der damaligen demokratisierten DDR nach Art 2 des Verfassungsgrundsätzegesetzes „Privateigentum … wird gewährleistet”) einen iS der Unentziehbarkeit eigentumsgeschützten Anspruch auf Weitergewährung der ihm zugesagten Rente aus dem Sonderversorgungssystem gegen die DDR bzw ihre Behörden gehabt hätte, wäre dieser mit dem Ende der DDR untergegangen, soweit Bundesrecht anderes nicht bestimmt; denn die Bundesrepublik Deutschland, ihre Länder und Untergliederungen sind – wie gesagt – nicht Gesamtrechtsnachfolger der ehemaligen DDR geworden. Es stand der Bundesrepublik Deutschland frei, ob und in welchem Umfang sie von der DDR begründete „Eigentumspositionen” in die grundgesetzliche Rechtsordnung übernehmen wollte; hierbei unterlag die Bundesrepublik Deutschland nur den Vorgaben des GG und den von ihr selbst im EV eingegangenen Verpflichtungen.
Deshalb ist nicht weiter darzulegen, daß ein frühestens ab Juni 1990 denkbares Eigentum des Klägers an Ansprüchen aus der geheimen Sonderversorgung ein „leeres Recht” war, weil die frühere DDR als Versprechensgeber bankrott, dh auch zur Einhaltung dieses Versprechens wirtschaftlich nicht in der Lage war. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland die Rentenansprüche, welche die frühere DDR dem Kläger bis zum 30. Juni 1990 zuerkannt hatte, im Nominalwert von 1:1 erfüllt und damit im Geldwert um mindestens 100 vH übererfüllt. Wie allen anderen Bestandsrentnern aus der früheren DDR, wurden auch den Zusatz- und Sonderversorgungsrentnern die Gesamtzahlbeträge der ihnen nach DDR-Recht zustehenden Rentenansprüche gewährleistet und mindestens in dieser Höhe, aber aufgewertet in DM, weitergezahlt. Zu keinem Zeitpunkt hat der Kläger im nominellen Zahlbetrag weniger an DM erhalten, als ihm von der DDR in Mark der DDR zugesagt war. Anderes gilt nur für die – hier nicht vorliegenden – Fälle der Zahlbetragsbegrenzungen nach § 10 Abs 1 und Abs 2 AAÜG, die der Senat für verfassungswidrig erachtet und dem BVerfG zur Entscheidung unterbreitet hat (Vorlagebeschluß vom 30. März 1994 – 4 RA 33/92, SGb 1995, 37 ff betreffend § 10 Abs 2; Teilurteile und Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995, 4 RA 28/94 und 4 RA 4/94, beide betreffend § 10 Abs 1 AAÜG nF); zu diesem etwa 2 vH der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten betreffenden Personenkreis gehört der Kläger nicht.
Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Regelungen zur Rentenüberleitung im EV sogar dann nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK verstoßen, wenn die demokratisierte DDR durch § 2 ihres Verfassungsgrundsätzegesetzes nicht nur Privateigentum, sondern auch Eigentum an sozialrechtlichen Sonderversorgungsansprüchen, die sie erklärtermaßen abschaffen wollte, begründet hätte. Denn seit dem 9. November 1989 bestand jedenfalls bis zum 3. Oktober 1990 eine außerordentliche Umbruchsituation. Diese war durch den auch wirtschaftlichen Bankrott der DDR gekennzeichnet; mit Blick gerade auf ihre Rentenversprechungen gab es kein Vermögen und keine Haushaltsmittel, die dazu bestimmt gewesen wären und auch nur annähernd ausgereicht hätten, die versprochenen Renten mit wirtschaftlicher Deckung zu zahlen. Der mit der Demokratisierung der DDR und ihrem Verfassungsgrundsätzegesetz für die Übergangszeit bis zur Wiedervereinigung eingeleitete Neuanfang bedurfte auch im Blick auf die Sozialversicherung von vornherein der namhaften Stützung durch Finanzmittel der Bundesrepublik Deutschland. Als das Ausmaß des einheitssozialistischen Wirtschaftszusammenbruchs sich im Laufe des Jahres 1990 immer deutlicher enthüllte, wurde auch absehbar, daß schon die Erfüllung der Rentenversprechungen der früheren DDR an die Bestandsrentner und rentennahen Jahrgänge durch die Bundesrepublik Deutschland für diese zu einer außerordentlich hohen zusätzlichen Belastung über die Kosten des Wiederaufbaus hinaus führen würde. Vor diesem Hintergrund ist durch die Bundesrepublik Deutschland Eigentum nicht etwa nur nicht entzogen, sondern durch die Zahlbetragsgarantie im EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5, durch das SGB VI und durch das AAÜG (soweit dieses im übrigen verfassungsgemäß ist) überhaupt erstmals wirksam begründet worden.
Auch das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK, nach dem der Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ua ohne Unterschied der politischen oder sonstigen Anschauungen gewährleistet werden muß, ist durch § 6 Abs 2 AAÜG in der unten anzusprechenden verfassungskonformen Restriktion auf die Zielsetzung des Abbaus von Privilegien und von durch Arbeit und Leistung nicht gerechtfertigten Vorteilen nicht verletzt. Sonstige Anwendungsvorränge, etwa aufgrund des sog internationalen Grundrechtskonstitutionalismus (dazu stellvertretend Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, §§ 62, 217 bis 311) sind nicht ersichtlich.
Nach alledem muß der Senat § 6 Abs 2 Satz 1 und 2 iVm Anlagen 4, 5, 8 AAÜG anwenden, falls diese Vorschriften gültig, dh mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
4. Einziger höherrangiger Prüfungsmaßstab, an dem § 6 Abs 2 AAÜG zu messen ist, ist Art 3 Abs 1 GG.
a) Hingegen vermag der Senat „objektive Zweifel” nicht zu erkennen, es könne eine allgemeine Regel des Völkerrechts iS von Art 25 GG geben, die es gebietet, dem Kläger und dem von ihm repräsentierten Personenkreis der Zusatz-und Sonderversorgungsberechtigten bei der Berechnung der Entgeltpunkte für die gesetzliche Rentenversicherung iS des SGB VI für Pflichtbeitragszeiten aus von Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen erfaßten Beschäftigungen als Verdienste ausschließlich die tatsächlichen Arbeitsentgelte, mindestens aber die Arbeitsentgelte bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Der Grundsatz, daß Verträge einzuhalten sind, scheidet zwar nicht schlechthin als Prüfungsmaßstab aus. Er ist aber hier nicht anzuwenden, da der EV nicht zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland geschlossen worden ist und für ihn keine Rechte normiert, die er gegen sie geltend machen könnte (Art 44 EV). Im übrigen hat sie – wie gesagt – ihre Zusagen aus dem EV, soweit sie im vorliegenden Fall von Bedeutung sind, eingehalten.
b) Das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip, das der Bundesgesetzgeber bei jedem Gesetz mit den von ihm verfolgten Belangen materialer Gerechtigkeit abwägen muß, ist – ungeachtet seines Verhältnisses zu Art 14 Abs 1 GG und zu Art 3 Abs 1 GG – nicht maßstäblich, weil eine Vertrauensgrundlage für den Kläger, höhere Arbeitsentgelte in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI angerechnet zu erhalten, weder dargetan noch ersichtlich ist. Der in verschiedenen Regelungen des EV angesprochene Vertrauensschutz gerade für Bestandsrentner und vor allem für rentennahe Jahrgänge betraf den auch beim Kläger nicht beeinträchtigten Bestand an Renten und Rentenanwartschaften. Mit keinem Wort deutet der EV an, die Renten nach dem SGB VI, durch welche seit dem 1. Januar 1992 die überführbaren Rentenleistungen der früheren DDR im Rechtsgrunde ersetzt werden sollten (gesetzliche Novation), müßten nach irgendwelchen dem Bundesrecht unbekannten „Leistungsäquivalenten” bewertet werden (aA SG Gotha im Vorlagebeschluß an das BVerfG vom 28. April 1995 – S 5 An 537/93 –, S 49 ff unter Berufung auf Azzola). Eine Vertrauensgrundlage für eine begünstigende Umgestaltung des SGB VI und für im Verhältnis zu westdeutschen Arbeitnehmern zusätzlich begünstigenden Abweichungen von den Vorschriften des SGB VI unter Durchbrechung der für alle deutschen Rentenversicherten gültigen Beitragsbemessungsgrenze gibt es ebensowenig wie dafür, die SGB VI-Renten auch dann nach den in der früheren DDR wirklich gezahlten Arbeitsentgelten zu berechnen, wenn diese nicht auf Arbeit und Leistung, sondern auf politischer Begünstigung beruhten. Aus EV Nr 9 Buchst b Satz 3 ergibt sich das Gegenteil (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; auch für das folgende wird auf og Rechtsprechung des Senats und die dort vorhandenen weiteren Nachweise Bezug genommen).
c) Das sog Sozialstaatsprinzip scheidet als Maßstab aus, weil der Kläger mit einer Regelaltersrente von anfänglich 1.677,89 DM, seit 1994 von 2.105,40 DM monatlich ohne Zweifel nicht um sein menschenwürdiges Existenzminimum fürchten muß.
d) Da der EV – wie ausgeführt – kein „Verfassungsgesetz eines Gesamtstaates” ist, sondern im hier einschlägigen Teil als einfaches Bundesgesetz gilt, scheidet er mangels Höherrangigkeit als Prüfungsmaßstab aus.
e) Gegen die „Eigentumsgarantie” in Art 14 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 GG kann § 6 Abs 2 AAÜG schon deswegen nicht verstoßen, weil er im Blick auf die Regelaltersrente des Klägers nach dem SGB VI Bestandteil der ersten inhaltsbestimmenden Regelung iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Regelung 1 GG ist. Obwohl Art 14 Abs 1 Satz 1 GG erst mit dem 3. Oktober 1990 in dem jetzt „Beitrittsgebiet” genannten „anderen Teilen Deutschlands” (so Art 23 GG aF) in Kraft getreten ist (Art 3 EV), war der Bundesgesetzgeber (wie alle anderen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland) gemäß Art 1 Abs 3 GG immer schon gehalten, gegenüber den deutschen Staatsbürgern, die zugleich Bürger der DDR sein mußten, deren Grundrechte aus dem GG zu achten, soweit er sie betreffende Regelungen zu beschließen oder sonst ihnen gegenüber Staatsgewalt auszuüben hatte. Deswegen war er schon bei Abschluß des EV aus der Institutsgarantie des Eigentums (Art 14 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 GG) verpflichtet, Vorsorge dafür zu treffen, daß – im Rahmen der von ihm zu setzenden Prioritäten bei der Grundrechtsverwirklichung im Beitrittsgebiet – die iS von Art 14 Abs 1 GG eigentumsfähigen Positionen im Rahmen der für die jeweiligen Lebensbereiche gegebenen besonderen Umstände möglichst rasch auch als grundrechtlich geschütztes Eigentum ausgeprägt würden. Dem ist er in den verschiedenen Regelungsbereichen des EV differenzierend nachgekommen. Für den Bereich der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen hat er im EV Nr 9 bestimmt, diese ab 1. Januar 1992 nach Maßgabe des SGB VI und nach den für dieses Gesetz maßgeblichen Wertungsstrukturen als Eigentum auszugestalten; lediglich mit der sog Zahlbetragsgarantie (EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5) hat er unmittelbar individualgrundrechtliches Eigentum iS eines Rentenanspruches in bestimmter Nominalhöhe geschaffen. Im übrigen hat er (zunächst für den Verordnungsgeber gedachte) Vorgaben für die Rentenüberleitung normiert. Diese hat er dann selbst vor allem durch die Vorschriften des AAÜG, aber auch durch einige Regelungen im SGB VI konkretisiert. Bei diesen Vorschriften handelt es sich also insgesamt um die erste inhaltsbestimmende Regelung, aus der sich die individualgrundrechtlich geschützte Eigentumsposition erst ergibt.
Hierzu mußte der Gesetzgeber das in der DDR zurückgelegte Arbeits- und Erwerbsleben nach den Maßstäben des SGB VI zukunftsgerichtet für die Zeit ab Januar 1992, gemäß § 307b Abs 2 Satz 1 SGB VI jedoch der Sache nach rückwirkend bis zum 1. Juli 1990 beurteilen, ob und ggf in welchem Umfang/welcher Höhe die in der DDR-Zeit erbrachte Arbeitsleistung und das dafür erzielte Arbeitsentgelt (Erwerbstätigkeit/Arbeitseinkommen) die Gewährung einer Rente nach dem SGB VI sachlich rechtfertigte. Er hatte also nicht etwa einen gleichsam „naturrechtlich” vorgegebenen Eigentumsbestand in eine neue Rechtsform zu gießen. Mit diesen Vorschriften hat er aber seine Verpflichtung aus der Institutsgarantie des Eigentums gerade erfüllt; er hat auch für den Kläger und trotz der Steuerfinanzierung der „Zusatz- oder Sonderversorgungszeiten” individualgrundrechtlich geschütztes Eigentum geschaffen. Deshalb liegt der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung auf dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Dies gälte aber auch dann, wenn angenommen würde, der Bundesgesetzgeber sei aus Art 14 Abs 1 GG im Blick auf Beschäftigungen, die von Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen erfaßt waren, nicht verpflichtet gewesen, eigentumsgeschützte Rentenansprüche und Rentenanwartschaften auszuführen.
f) Soweit dem GG zu entnehmen ist, der Bund dürfe und müsse unter Umständen sogar auf die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet hinwirken, scheidet ein solcher Verfassungsauftrag als gerichtlicher Prüfungsmaßstab hier jedenfalls derzeit grundsätzlich aus, weil er eine äußerst vielschichtige Problemlage betrifft, für die sehr unterschiedliche Lösungsansätze in Betracht kommen; hier hat der politisch verantwortliche parlamentarische Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative, die gerichtlicher Kontrolle nur bei evidenter Pflichtverletzung unterliegen kann; hiervon kann angesichts der außerordentlichen Probleme der Abwicklung des DDR-Staatsbankrotts keine Rede sein.
5. Nach Art 3 Abs 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.
a) Dies bedeutet, daß der Gesetzgeber für seinen jeweiligen Gegenstand eine entsprechend der vorgefundenen Wirklichkeit sachgerechte und folgerichtige Regelung zu treffen hat; deshalb ist die Gleichheitsfrage innerhalb des regelungsbedürftigen Sach- und Normbereichs zu entwickeln (P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz in: Isensee/Kirchhof ≪Hrsg≫ Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 124 S 851). Bei der Herstellung der Rechtseinheit im Sachbereich der Sozialversicherung geht es dabei mit Blick auf Zusatz- und Sonderversorgungssysteme nicht um Anknüpfung, sondern um Neuordnung. Dabei ist in jedem Fall die Untergrenze des sog Willkürverbotes zu beachten; sie ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne daß sich für die Gleich- oder Ungleichbehandlung irgendein sachlich vertretbarer zureichender Grund anführen läßt. Hierbei ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Merkmale als Vergleichspaar zu wählen, an denen er Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert. Wenn der Gesetzgeber zur Erreichung eines (verfassungsgemäßen) Zweckes verschiedene Personengruppen ungleich behandelt und die benachteiligte Gruppe durchgängig von der Ungleichbehandlung belastet wird, weil ihre Mitglieder wegen in ihrer Person liegenden Umstände die Voraussetzungen für die günstigere Regelung nicht erfüllen können, muß die rechtliche Differenzierung in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden, Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wird außerdem die vom Gesetz selbst normierte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlassen, liegt darin ein Indiz für Willkür; Systemdurchbrüche müssen durch solche sachlichen Gründe gerechtfertigt sein, deren Gewicht der Intensität der Ausnahme entsprechen. Je enger der gesetzliche Zweck und die zu seiner Verwirklichung herangezogenen Differenzierungskriterien an personenbezogene Merkmale anknüpfen, desto strikter und formaler ist die Rechtsbindung des Gesetzgebers. Je mehr Gesetzeszweck und Differenzierungskriterien an Merkmale im Umfeld der persönlichkeitsspezifischen Lebensführung anknüpfen, desto mehr tritt das Objektivitätsgebot, also die Verpflichtung zur Verfolgung sachgerechter Zwecke und zur Folgerichtigkeit, hervor.
b) Gemäß den Vorgaben im EV Nr 9 hat der Gesetzgeber mit den Vorschriften des AAÜG das Ziel verfolgt, die Zeiten, in denen Beschäftigungen in der DDR ausgeübt wurden, für die zu irgendeinem Zeitpunkt Versorgungsansprüche aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem zugesagt worden waren – ggf mit Ansprüchen aus der Sozialpflichtversicherung und aus der FZR-Versicherung, soweit es sich um nach dem EV überführbare Ansprüche handelte – ab dem 1. Januar 1992 zukunftsgerichtet ausschließlich durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen (BSGE 72, 50 ff = SozR 8750 § 10 Nr 1 und die og Rechtsprechung mwN). Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Zielsetzung, der sog Systementscheidung, hat der Senat weiterhin (jedenfalls derzeit) keine durchgreifenden Bedenken. Dies umfaßt, daß auch bei den Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten – wie bei allen anderen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Bundesbürgern, die ab 1. Januar 1992 nach dem SGB VI eine Rente beanspruchen können – versicherte Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen nur bis zu der jeweils maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Das bedeutet, daß für alle Versicherten im gesamten Bundesgebiet Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen ohne irgendeine rentenrechtliche Bedeutung sind, soweit sie die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten. Für Bestandsrentner und bestimmte rentennahe Jahrgänge ist im EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5 eine Zahlbetragsgarantie geschaffen worden. Sie trägt den besonderen Umständen dieser Versicherten Rechnung, die darin bestehen, daß sie sich typischerweise keine zusätzliche Altersversorgung privater oder berufsständischer/betrieblicher Art zusätzlich zur SGB VI-Rente mehr aufbauen können. Sie werden dadurch vor einem drastischen Absinken ihrer Altersversorgung (soweit sie rechtmäßig und durch Arbeit und Leistung erworben war) geschützt, daß (ungeachtet der Verfassungswidrigkeit der Zahlbetragsbegrenzungen in § 10 Abs 1 und Abs 2 AAÜG) ihnen zu dem Rentenbetrag, der ihnen ab Januar 1992 nach dem SGB VI zusteht, noch ein nicht aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung herleitbarer „Rentenzuschlag” aus Steuermitteln zur Wahrung des Nominalwertes des ihnen im EV Nr 9 zugesicherten Gesamtanspruches aus ihren früheren „DDR-Renten” gezahlt wird. Der Senat hält also § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG, der die Gleichbehandlung der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten mit den westdeutschen Rentnern einerseits und – abgesehen von einem Übergangszeitraum – auch mit allen anderen Rentnern aus dem Beitrittsgebiet durch eine gesamtdeutsche Beitragsbemessungsgrenze gewährleistet, weiterhin für verfassungsgemäß. Der Kläger greift sie mit seinem Schlußantrag auch nicht an.
Hingegen würde eine Anrechnung von Arbeitsentgelten der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten, soweit diese über die bis zur Beitragsbemessungsgrenze reichende Normalstreuung der Arbeitsentgelte der Arbeiter und Angestellten hinausgeht, zu einer aus dem Rentenversicherungsrecht nicht begründbaren Systemdurchbrechung sowie zur ungerechtfertigten Privilegierung dieser Personen gegenüber allen anderen Arbeitnehmern im ganzen Bundesgebiet führen. Dies könnte insbesondere nicht mit einem im positiven Recht nicht auffindbaren „allgemeinen Nachversicherungsprinzip” begründet werden. Denn die sog Nachversicherung ist im Rentenversicherungsrecht nur unter engen Voraussetzungen zulässig (§ 8 SGB VI). Jede Nachversicherung (auch eine solche aufgrund von Umbruchsituationen) führt aber nur dazu, daß die Arbeitsentgelte der Nachversicherten höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Daher sind Arbeitsentgelte (Arbeitseinkommen), die oberhalb der jeweils maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze liegen, für die Höhe aller Rentenleistungen nach dem SGB VI schlechthin unbeachtlich.
c) Demgegenüber ist für die Höhe einer SGB VI-Rente vor allem die Höhe der individuell erzielten Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen maßgeblich, die während des Versicherungslebens durch Beiträge versichert worden sind (§ 63 Abs 1 SGB VI). Die persönlichen Entgeltpunkte (§§ 64 Nr 1, 66 SGB VI), insbesondere die für Beitragszeiten (§§ 63 Abs 2, 70, 256 bis 262 SGB VI), bestimmen die relative Rentenhöhe im Vergleich zu Berechtigten mit im übrigen gleichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch Vergleich des individuell versicherten Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens mit dem Durchschnittsentgelt der Arbeiter und Angestellten im jeweiligen Kalenderjahr. In diesem Sinne spiegelt der den Pflichtbeitragszeiten zugrundezulegende Verdienst die individuelle berufliche Lebensleistung im Vergleich zu allen anderen Pflichtversicherten. Die Feststellung der Entgeltpunkte für Pflichtbeitragszeiten ist nach dem SGB VI grundsätzlich und in aller Regel nur durch individuelle Prüfung des beruflichen Lebens des Versicherten möglich. Nach den Sachstrukturen des Rentenversicherungsrechts sind also in hohem Maße personenbezogene, die berufliche Entfaltung des Versicherten betreffende Feststellungen und Wertungen erforderlich. Deswegen hält der Senat dafür, daß Art 3 Abs 1 GG den Bundesgesetzgeber bei der Überleitung der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in das Recht des SGB VI streng bindet, dh, daß ein Prüfungsmaßstab anzuwenden ist, der auf der Skala der in Art 3 Abs 1 GG enthaltenen Bindungsgrade näher an der strikt formalen Gleichheit als an der lediglich sachbezogenen Willkürfreiheit einzuordnen ist.
Deshalb kommt es darauf an, ob die von § 6 Abs 2 AAÜG betroffenen Zusatz-und Sonderversorgungsberechtigten im Vergleich zu den „nur”) von § 6 Abs 1 AAÜG betroffenen Normadressaten schlechter behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72 ≪88≫). Entscheidend ist, ob die von § 6 Abs 2 AAÜG vorgeschriebene und im Vergleich zu den von § 6 Abs 1 AAÜG erfaßten Zusatzversorgungsberechtigten ungünstigere Anrechnung von Arbeitsentgelten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze aus rentenversicherungsrechtlich anerkannter Berufstätigkeit mit Blick gerade auf den Sachbereich der seit dem 1. Januar 1992 im ganzen Bundesgebiet gültigen gesetzlichen Rentenversicherung auf einem vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund beruht (vgl BVerfGE 75, 108 ≪157≫; 76, 256 ≪329≫; 82, 159 ≪180≫). Erforderlich für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist also ein sachbereichsbezogener einleuchtender Grund, eine in der geregelten Sachmaterie angelegte oder ihr entsprechende Vorgabe für eine rechtserhebliche Ähnlichkeit oder Verschiedenheit (vgl P. Kirchhof, aaO, S 935; im Ansatz ähnlich D. Merten, Verfassungsprobleme der Versorgungsüberleitung, 2. Aufl 1993, S 118 ff; eingangs auch wohl H.-J. Papier, Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Versorgungsüberleitung, Forschungsbericht, Band 238, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1994, S 90, der aber im folgenden nur noch Teilaspekte des allgemeinen Willkürverbotes anspricht; ähnlich auch B. Rürup/H. Simon, Gutachten zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatzversorgungssystemen der Anlage 1 Nr 1 bis 22 des AAÜG in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland, erstattet im Auftrag der fünf neuen Bundesländer und des Landes Berlin, 1993, S 139).
d) Der strengen Bindung des Bundesgesetzgebers steht nicht entgegen, daß sämtliche Leistungen und Kosten, welche die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in das SGB VI verursacht, aus Steuermitteln des Bundes und der Bundesländer finanziert werden. Zum einen trifft dies sowohl die „lediglich” von § 6 Abs 1 AAÜG Betroffenen als auch den Adressatenkreis des § 6 Abs 2 aaO. Zum anderen hat der Bundesgesetzgeber – schon im EV Nr 9 – sich dafür entschieden (und bundesgesetzlich zugesagt), die in der DDR ausgeübten beruflichen Tätigkeiten, für die Versorgungszusagen nach einer Zusatz- oder Sonderversorgungsordnung erteilt waren, „nachversicherungsähnlich” in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (sowie der knappschaftlichen Rentenversicherung) aufzufangen. Die Lösung, diese in der DDR ausgeübten Berufstätigkeiten, die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ganz überwiegend dem Bereich des öffentlichen Dienstes zuzuordnen sind, außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung abzusichern, ist jedenfalls nicht gewählt worden. Bund und Länder im Beitrittsgebiet sind durch EV Nr 9, anknüpfend an ihre Eigenschaft als Funktionsnachfolger iS von Art 13 EV, in die Rolle des öffentlichen Dienstherrn/Arbeitgebers (mit entsprechender Versorgungsaltlast) gesetzt und verpflichtet worden, die entgeltliche Berufstätigkeit der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten ab Januar 1992 nachträglich, jedoch zukunftsgerichtet als im wesentlichen einer entgeltlichen Beschäftigung iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI gleichwertig zu erachten. Diese Entscheidung entspricht im Ergebnis der Nachversicherungssituation iS von § 8 SGB VI. Auch dort sind die Nachversicherungsbeiträge vom öffentlichen Dienstherrn/Arbeitgeber allein zu tragen. Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der „Nachversicherung” der von ihm dem Grunde nach als entgeltliche Beschäftigungsverhältnisse iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI anerkannten Berufstätigkeiten nur Unterscheidungen vornehmen, die sich positiv aus Gründen der geregelten Sachmaterie ergeben.
e) Vor diesem Hintergrund hält der Senat weiterhin an seiner Auffassung (BSGE 72, 50 ≪63≫) fest, daß die in § 6 Abs 2 AAÜG vorgenommene benachteiligende Ungleichbehandlung gegenüber den von § 6 Abs 1 AAÜG Betroffenen im Grundsatz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, soweit sie darauf gerichtet ist, in die SGB VI-Rente weder rechtsbegründend noch rentensteigernd Elemente einfließen zu lassen, die auf politischer Begünstigung durch das DDR-Regime beruhen (BSGE 72, 50 ≪61 ff≫). Dies folgt allerdings entgegen Rürup/Simon (aaO, S 139) nicht schon daraus, daß „es nahezu evident sein dürfte, daß zwischen den von der Entgeltbegrenzung betroffenen regimenahen Personen und den anderen Angehörigen von Zusatzversorgungen erhebliche Unterschiede bestehen, die eine Verschiedenbehandlung rechtfertigen”. Es ist durchaus nicht offensichtlich, daß die Tätigkeit (oder gar die Person) zB eines Oberleutnants der Verkehrspolizei „regimenäher” als die eines Chefarztes einer Universitätsklinik gewesen sein müßte. Das AAÜG stellt in § 6 Abs 1 und Abs 2 aaO gerade nicht auf den Inhalt der jeweils ausgeübten Beschäftigung, auf individuelles Verhalten, persönliche Einstellungen oder konkret feststellbare Nützlichkeit der einzelnen Person für das Regime ab; ausschlaggebend für die benachteiligende Differenzierung sind allein die nur nach dem Typ der zugesagten Altersversorgung bestimmte Art der Berufstätigkeit und die Höhe des unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielten Arbeitsentgelts.
f) Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, daß die Differenzierung sich aus dem von der Bundesregierung zur Begründung ihrer Gesetzgebungsinitiative zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (RÜ-ErgG) angeführten (BT-Drucks 12/4810, S 20 f), in der ersten Lesung im Deutschen Bundestag wiederholten (Abgeordneter Rother, Plenarprotokoll 12/156, 13311 f), dem SGB VI fremden Zweck rechtfertigen läßt „zu verhindern, daß Personen, die durch ihre Tätigkeit einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen DDR geleistet haben, für die Zeit dieser Tätigkeit eine höhere Rente erhalten als Personen mit durchschnittlichen Verdiensten”. Dabei sollte die Einkommensbegrenzung Personengruppen in der mittleren Führungsebene nur noch eingeschränkt betreffen, während für Spitzenfunktionäre die volle Wirkung dessen erhalten bleiben sollte, daß ein Verdienst aus solchen Tätigkeiten nur entsprechend dem jeweiligen Durchschnittsentgelt in die Rentenversicherung übernommen wird.
Die Maxime der Regelung wäre, daß jeder, der durch seine berufliche Tätigkeit einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen DDR geleistet hat, für diese Zeit Rente höchstens bis zum 1,4-fachen des Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet erhalten darf. Die Benachteiligung dieser Rentner im Vergleich zu den von § 6 Abs 1 AAÜG Erfaßten wird demnach damit gerechtfertigt, daß jede dieser Personen durch ihre Berufsausübung nach einem nicht näher benannten Maßstab „erheblich” dazu beigetragen hat, die nach dem Wiedervereinigungsgebot des GG negativ bewertete Existenz der DDR und das politische Unrechtsregime der SED zu fördern. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Zweck rechtsstaatlichen Anforderungen schon deswegen nicht genügt, weil die Maxime nicht nach einem allgemeinen und gleichen Gesetz der Freiheit (hier: Art 12 Abs 1 GG) generalisiert werden kann. Es ist außerdem nicht ersichtlich, daß der Bundesgesetzgeber auch andere Personengruppen als die in § 6 Abs 2 AAÜG erfaßten auch nur ansatzweise daraufhin geprüft hätte, ob sie durch ihre berufliche Tätigkeit erheblich zur Aufrechterhaltung und Stärkung des DDR-Regimes beigetragen haben; dies hätte ggf im Blick auf verschiedene Berufsgruppen in „West und Ost” nahegelegen.
Der von der Bundesregierung, die nicht der Gesetzgeber ist, erklärte Zweck ist aber zur Überzeugung des Senats schon deshalb mit dem Gebot der Sachgerechtigkeit aus Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil er dem Rentenversicherungsrecht des SGB VI fremde Kriterien für eine Ungleichbehandlung bei der Berechnung der Höhe der Rentenleistungen einführt. Diese können innerhalb dieses Sachbereichs nicht verallgemeinert werden, ohne die Grundstruktur des Systems, die globale Äquivalenz zwischen entgeltlicher Arbeit und Rente, aufzuheben:
Für die Einbeziehung in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI wegen einer entgeltlichen Beschäftigung kommt es allein darauf an, ob gegen Entgelt ein Beruf ausgeübt wird, der nach den Kriterien von Art 12 Abs 1 GG, die den Bundesgesetzgeber auch bei der Ausgestaltung des Rechts des SGB VI binden, erlaubt ist. Hinsichtlich der in der DDR ausgeübten Berufstätigkeiten hat der Bundesgesetzgeber bei der von ihm zugesagten Rentenüberleitung in das Recht des SGB VI unter Beachtung der Vorgaben von Art 12 Abs 1 GG das in der Vergangenheit liegende Berufsleben der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten rückschauend zu bewerten, ob es „erlaubte” Tätigkeit war und nach den Kriterien von Arbeit und Leistung einer entgeltlichen Beschäftigung iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI entspricht; sodann hat er die deswegen von ihm gewährten Ansprüche und Anwartschaften zukunftsgerichtet für die Zeit ab 1. Januar 1992 (nach Maßgabe von § 307b Abs 2 Satz 1 SGB VI fiktiv frühestens ab 1. Juli 1990) nach den prägenden Strukturmerkmalen dieses Teilrechtssystems auch im Blick auf Art und Höhe der Leistungen folgerichtig in das SGB VI einzugliedern. Für dieses Rechtsgebiet ist aber gerade prägend, daß eine nach den Kriterien des Art 12 Abs 1 GG erlaubte entgeltliche Beschäftigung/Berufstätigkeit zur Versicherung der Arbeitsentgelte (grundsätzlich bis zur Beitragsbemessungsgrenze) auch dann führt, wenn durch die berufliche Betätigung Wirkungen gezeitigt werden, die von der Mehrheit der Bevölkerung, von Moralsystemen oder Weltanschauungen oder auch vom GG im anderen Sachzusammenhang negativ bewertet werden (sozialpolitisch gesprochen: sog politische Neutralität des Rentenrechts). Der og Zweck führt aber dazu, daß an eine gemessen an Art 12 Abs 1 GG erlaubte entgeltliche Berufstätigkeit wegen ihrer als schädlich bewerteten Wirkung nachträglich Benachteiligungen im Rentenversicherungsrecht angeknüpft werden. Aus diesem Grunde ist nicht weiter darauf einzugehen, daß (außerdem) die von der Bundesregierung erklärte Absicht (verfassungswidrig) strafähnlich in die Lebensführung der Betroffenen eingriffe.
g) Darüber hinaus wären auf dieser Grundlage die in § 6 Abs 2 iVm Anlagen 4 und 8 AAÜG gewählten materiellen Differenzierungskriterien durch keinen sachbereichsspezifischen Grund gerechtfertigt (zum sog Eingriffsmodell des Gleichheitssatzes jetzt auch Huster, Rechte und Ziele, 1993, S 225 ff mwN). Die Begrenzung der anrechenbaren Arbeitsentgelte setzt in jedem Falle ein, in dem mehr als das 1,4-fache des kalenderjährlichen Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet gezahlt worden ist. Diese Beträge liegen deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG), also noch im normalen Streubereich der Entgelte der Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet. Es ist nicht ersichtlich, weshalb aus einem Arbeitsentgelt zB in Höhe des 1,5-fachen des Durchschnittsentgelts bei einem Kriminalpolizisten auf einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des DDR-Regimes geschlossen werden kann, bei einem Hochschulprofessor aber nicht.
Aber sogar dann, wenn man dies als verfassungsgemäß erachten wollte und eine Signifikanz des materiellen Differenzierungskriteriums annehmen könnte, enthielte § 6 Abs 2 AAÜG eine derart grobe Typisierung, daß er nur dann als iS von Art 3 Abs 1 GG verhältnismäßige Regelung Bestand haben könnte, wenn er die vom Senat (BSGE 72, 50 ≪63≫) bereits angesprochene „Härteklausel” enthielte. Erforderlich wäre eine Regelung, die es den von dieser Typisierung (erheblicher Beitrag zur Stärkung der DDR durch die Berufstätigkeit kraft Versorgungszusage aus einem „systemnahen” Versorgungssystem) sinnwidrig erfaßten Personen ermöglicht, in einem sachbereichsspezifisch ausgestalteten Verfahren zu beweisen, daß sie ihr Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen ausschließlich für eine Berufstätigkeit erhalten haben, für die sie hinreichend qualifiziert waren, die in der DDR auch in der allgemeinen Arbeitswelt vorhanden war und gleichhoch vergütet wurde, oder daß sie im öffentlichen Dienst der DDR aufgrund entsprechender Qualifikation Aufgaben wahrgenommen haben, die auch in jedem Rechtsstaat anfallen (vgl Rürup/Simon aaO, S 141 f).
h) Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, der von Rürup/Simon (aaO, S 137 ff) genannte „weitere Allgemeinwohlgrund zur Rechtfertigung der Kürzung” sei ein verfassungsgemäßer Zweck, sachbereichsbezogen und verhältnismäßig umgesetzt. Dort heißt es, es „sei gerecht und geboten, die Nutznießer des Systems und die für dieses System, seine Mißstände und sein Versagen besonders verantwortlichen Führungskader durch eine spürbare Sonderleistung an den beträchtlichen Kosten der Vereinigung zu beteiligen”. Eine solche Begründung solle ausreichen, wenn zusätzlich berücksichtigt werde, daß der Gesetzgeber bei der Überführung der Zusatzversorgung bestrebt sein mußte, die Akzeptanz derjenigen zu erreichen, die als Solidargemeinschaft oder als Steuerzahler für die finanziellen Defizite aufkommen mußten.
Der Senat meint zwar, daß es eine Regel gesetzgeberischer Klugheit ist, die Akzeptanz gesetzlicher Regelungen zu bedenken. Ein verfassungsgemäßes Ziel, welches die Benachteiligung bestimmter Gruppen rechtfertigen könnte, ist es im grundrechtsgebundenen Rechtsstaat aber nicht; damit könnte man nämlich Regelungen, die nur eine Minderheit benachteiligen, erfahrungsgemäß fast immer rechtfertigen. Ein derartiger „Differenzierungsgrund” ist rechtsstaatlich unannehmbar. Der Zweck, den „Nutznießern” des DDR-Systems ein „Sonderopfer” für die „Wiedervereinigungskosten” aufzulasten, dies zudem, ohne den persönlichen Anteil des Betroffenen an der Verursachung der Kosten geprüft zu haben, also Angehörige von Berufsgruppen in Gruppenhaftung für Staats-und Systemkosten zu nehmen, weil das System ein Unrechts-Regime war, jedoch ohne auch nur zu prüfen, ob Tätigkeiten ausgeübt worden sind, die in derselben Weise in jedem Staat und in jedem politischen System anfallen, ist im Kern eine strafähnliche Kollektivbenachteiligung.
Auf die Verfassungswidrigkeit dieses „weiteren Allgemeinwohlgrundes” ist hier aber nicht weiter einzugehen, weil er den positiv-rechtlichen Regelungen von § 6 Abs 1 und Abs 2 AAÜG nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen ist. Dort wird keine Beteiligung bestimmter Personen an den Kosten der Wiedervereinigung geregelt; einziges Sachthema ist, ob und in welchem Umfang Entgelte für nach Art 12 Abs 1 GG erlaubte Beschäftigungen – abweichend von den Sachstrukturen des SGB VI – bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben sollen. Dem Betroffenen wird keine „Sonderleistung” abverlangt; es wird weder geprüft noch typisierend vermutet, daß der Berechtigte ein besonders verantwortlicher Führungskader war und an Mißständen und am Versagen des DDR-Systems mitgewirkt hat. Es wäre auch recht erstaunlich, wenn der Bundesgesetzgeber es diesen Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten kollektiv nachteilig anrechnen würde, daß einige ua auch von ihnen durch ihre entgeltliche Arbeit den – systembedingt unvermeidbaren – Zusammenbruch des DDR-Regimes besonders gefördert haben.
i) Der BMA persönlich hat aber in der ersten Lesung zum RÜ-ErgG (Plenarprotokoll 12/156, 13324 f) sowie in der zweiten Beratung zu diesem Gesetz (Plenarprotokoll 12/1161, 13828) einen anderen Gesetzeszweck benannt, der nach Ansicht des Senats verfassungsgemäß ist. Er hat dort angegeben, die Arbeitsentgeltbegrenzung sollte dazu dienen, Privilegien in der Einkommenshöhe, die das alte System gewährt habe, nicht in die Rentenversicherung zu übernehmen. Diese Zielsetzung ist sach- und strukturgerecht, weil das SGB VI Renten nur gewährt, soweit der Anspruch hierauf nach Grund und Höhe durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt ist. Soweit § 6 AAÜG dieses Ziel verfolgt, ist er im Grundsatz verfassungsgemäß; denn der Gesetzgeber war nach Art 3 Abs 1 GG sogar verpflichtet zu prüfen, ob – insbesondere aus politischen Gründen -überhöhte Arbeitsentgelte gezahlt worden sind, die ungerechtfertigt zu einer höheren SGB VI-Rente geführt hätten.
Dieses Gebot zu sachgerechter und verhältnismäßiger Differenzierung (Art 3 Abs 1 GG) hatte der Gesetzgeber aber grundsätzlich bei der Überleitung sämtlicher Renten und Rentenanwartschaften zu beachten, also auch bei denjenigen aus der Sozialpflichtversicherung und aus der FZR-Versicherung; auch bei den nicht aus Steuermitteln, sondern aus den seit Januar 1992 erwirtschafteten Beiträgen finanzierten Renten erscheint es sachlich unvertretbar, die Beitragszahler mit der Finanzierung fortgeschriebener politischer Vergünstigungen des SED-Regimes zu belasten.
Gleichwohl hält der Senat es weiterhin für mit Art 3 Abs 1 GG für vereinbar, daß der Gesetzgeber seine Bemühungen, SGB VI-Renten von SED-Privilegien frei zu halten, auf die Personengruppen begrenzt hat, die Versorgungszusagen aus Zusatz- oder Sonderversorgungsordnungen erhalten hatten. Bei diesen sprang nämlich die besondere Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft und damit die Regimenützlichkeit der ausgeübten Beschäftigungen einerseits und die Höhe der Versorgungszusagen für den Fall des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben andererseits ins Auge; letztgenannte waren regelmäßig deutlich höher als die Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der „echten” FZR-Versicherung, die der „Masse der Werktätigen” nur ein sehr bescheidens Alterseinkommen gewährte. Außerdem mußte der Bundesgesetzgeber berücksichtigten, daß die Rentenversicherungsträger durch die Rentenüberleitung sogar bei stark pauschalierenden und typisierenden Überleitungsregeln auf Jahre hinaus außerordentlich belastet sein würden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat (BSGE 72, 50 ≪61 ff≫) grundsätzlich die typisierende Begrenzung von Arbeitsentgelten in der vom AAÜG schon in der ursprünglichen Fassung ausgeprägten dreistufigen Typik für verfassungsrechtlich vertretbar erachtet. Daran hält er fest. Er ist jedoch davon überzeugt, daß die Ausgestaltung dieser Typisierung im Blick auf die Berechnung der Rente nach dem SGB VI den Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG an Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit nicht genügt.
j) Vorab ist nochmals darauf hinzuweisen, daß der Abbau politischer Vergünstigungen für die Berechnung der SGB VI-Renten im wesentlichen durch die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelte auf Beträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG erfolgt ist. In den Debatten des Deutschen Bundestages ist wiederkehrend als Beispiel für die Erforderlichkeit des Privilegienabbaus auf „Versorgungszusagen” der DDR in Höhe von 12.000,00 Mark hingewiesen worden (dem Senat wurde weder aufgrund von Anfragen bei der BfA noch durch in der Sozialgerichtsbarkeit anhängige Streitverfahren ein Fall bekannt, in dem eine Versorgungszusage von mehr als 4.500,00 M gegeben worden ist); hierzu ist zunächst klarzustellen, daß „Versorgungszusagen” der DDR und ihre Höhe für die Berechnung der SGB VI-Rente von vornherein in keinerlei Hinsicht irgendeine Bedeutung haben. Es kommt vielmehr gemäß § 64 SGB VI zum einen auf Faktoren an, die von der Art der individuell ausgeübten Erwerbstätigkeit und dem Arbeitsentgelt unabhängig sind (Zugangsfaktor, Rentenartfaktor, aktueller Rentenwert, Rentenbeginn), zum anderen ausschließlich auf die persönlichen Entgeltpunkte. Diese hängen bei Pflichtbeitragszeiten grundsätzlich von der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte, für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 von der Höhe des erzielten Verdienstes ab. Wäre also im Beispielsfall aus einer Tätigkeit, die der Rentenversicherung der Angestellten zuzuordnen wäre, im Jahre 1989 im Beitrittsgebiet ein monatliches Arbeitsentgelt von 12.000,00 M erzielt worden, also jährlich 144.000,00 M, wären hiervon kalenderjährlich höchstens 22.641,51 M (in DM) als Verdienst für die Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte im Jahre 1989 anzusetzen. Die übrigen etwa 121.000,00 M blieben für die SGB VI-Rente ohne Belang. Der Senat meint, daß Derartiges ein deutlicher Abbau von Privilegien und politischen Vergünstigungen ist.
k) Vor diesem Hintergrund können sich hinter Arbeitsentgelten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, die sich also im normalen Streubereich der Arbeitnehmereinkünfte im Beitrittsgebiet halten, politische Vergünstigungen und Privilegien wohl nur in folgenden Fallgruppen verbergen: Zum einen können Arten von beruflichen Tätigkeiten generell wesentlich, dh um mehr als 10 vH, höher entlohnt worden sein als vergleichbare Tätigkeiten mit gleichwertigen Qualifikationsvoraussetzungen außerhalb des von Zusatz- und Sonderversorgungsordnungen erfaßten Arbeitslebens. Soweit die versorgungsrechtlich erfaßten Berufe im übrigen Wirtschaftsleben nicht vorkamen, kann sich politische Vergünstigung hinter auffällig erhöhten Entgelten für Tätigkeiten mit ähnlichen formellen Zugangsvoraussetzungen verbergen. Darüber hinaus kann sich individuelle Privilegierung in der Zuweisung von Positionen zeigen, für welche der Betroffene die ansonsten geforderten Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt hatte, ferner auch darin, daß er ohne Unterschiedlichkeit der Aufgaben höher entlohnt worden ist als gleichwertig Beschäftigte mit gleichwertiger Qualifikation. Der Bundesgesetzgeber hat zB in den Anlagen 13 und 14 des SGB VI eine typisierende, nach Qualitätsanforderungen in fünf Qualifikationsgruppen und nach Wirtschaftsbereichen gegliederte Auflistung der in der früheren DDR vorhanden gewesenen Arbeitsplätze und der dabei je nach Qualifikationsstufe durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelte je Kalenderjahr (aus der die sog Fünf-Sechstel-Kürzung herauszurechnen wäre) aufgestellt. Diese muß von den Rentenversicherungsträgern ohnehin einzelfallbezogen (§ 256b SGB VI) angewendet werden. Hieran anknüpfend, stehen ihm differenzierende Typisierungsmöglichkeiten für eine sachgerechte und folgerichtige Begrenzung von auf politischer Begünstigung beruhenden Arbeitsentgeltanteilen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze zu Gebote. Hiervon hat er jedoch in § 6 Abs 2 AAÜG keinen Gebrauch gemacht.
l) Er hat den Kreis derjenigen, die über die Bereinigungswirkung der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze der Anlage 3 des AAÜG hinaus einem „Privilegienentzug” unterworfen werden sollen, auf diejenigen eingeengt, die Versorgungszusagen für Beschäftigungen erhalten haben, die – abstrakt betrachtet – für das SED-Regime von augenfällig besonderer Nützlichkeit waren. Auch insoweit hält der Senat dafür, daß dieser Typisierungsschritt noch mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist. Denn gerade bei den in § 6 Abs 2 AAÜG genannten Berufsgruppen liegt die Annahme nahe, daß – wenn überhaupt – hier politisch überhöhte Arbeitsentgelte gezahlt worden sind.
Gleichheitswidrig sind zur Überzeugung des Senats die weiteren Typisierungsschritte. Hierbei ist nach Ansicht des Senats – entgegen der Auffassung des SG – nicht der Maßstab für vorläufige gesetzliche Regelungen, sondern derjenige für dauerhafte Gesetze anzulegen. Denn der Bundesgesetzgeber hat es mit dem Erlaß des AAÜG bewußt abgelehnt, ein Vorschaltgesetz oder eine unter Überprüfungsvorbehalt stehende vorläufige Regelung der Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen zu treffen; es sollte vielmehr zum 1. August 1991 für das ab 1. Januar 1992 maßgebliche Rentenrecht eine dauerhafte Lösung geschaffen werden. Der Bundesgesetzgeber hat also „bewußt” darauf verzichtet, eine weiterreichende Übergangszeit für die Erforschung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten der Arbeitsentgeltsituation in der ehemaligen DDR in Anspruch zu nehmen. Ihm kann deshalb für die zum 1. Januar 1992 vorgenommene Überleitung nach dem AAÜG nicht zugute gehalten werden, er habe bei der Regelung noch unübersichtlicher Sachverhalte eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen benötigt, und dürfe sich deshalb im Anfangsstadium mit gröberen Typisierungen und „Generalisierungen” begnügen (vgl BVerfGE 70, 1 ≪34≫; 75, 108 ≪162≫).
m) Zum Zwecke des Abbaus politisch überhöhter Arbeitsentgelte unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze hat der Bundesgesetzgeber entschieden, alle Arbeitsentgelte für rentenrechtlich unbeachtlich zu erklären, soweit sie das 1,4-fache des Durchschnittsentgelts aller Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet im jeweiligen Kalenderjahr überschreiten. Dieses materielle Differenzierungskriterium entbehrt der sachbezogenen Signifikanz für den Privilegienabbau. Es ist nämlich unerfindlich, weshalb zB Meister in der Industrie, die das 1,5-fache des Durchschnittsentgelts der Arbeitnehmer erhalten haben, keine politisch überhöhten Bezüge erhalten haben sollen, sehr wohl hingegen Kriminalbeamte mit demselben Verdienst, die ausschließlich mit der Aufklärung von Morden oder anderen Verbrechen beschäftigt waren. Innerhalb der normalen rentenversicherungsrechtlich erheblichen Streuungsbreite der Arbeitnehmereinkünfte kommt keinem Arbeitsentgelt aus sich heraus Bedeutung für die Frage zu, ob es privilegienhaft überhöht ist. Dies gilt gerade auch vor dem von der Deutschen Bundesbank bestätigten Hintergrund, daß die Lohnabstufung in der DDR in allen Bereichen politisch motiviert war.
n) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber angeordnet, daß dann, wenn das tatsächlich erhaltene Arbeitsentgelt das 1,6-fache des Durchschnittsentgelts übersteigt, in jedem Fall von einem unter dem 1,4-fachen bis hinab zum einfachen des Durchschnittsentgelts liegenden Arbeitsentgelt auszugehen ist. Die das 1,6-fache des Durchschnittsentgelts festlegende Anlage 8 des AAÜG enthält zT Werte, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen und schon deswegen „eigentlich”, dh bei allen anderen Rentenversicherten, rentenversicherungsrechtlich unbeachtlich sind. Vor allem aber ist nicht erkennbar, weshalb diese Regelung überhaupt dafür geeignet sein könnte, politisch überhöhtes Arbeitsentgelt unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die Berechnung der SGB VI-Rente zu kennzeichnen. Denn aus dem Umstand, daß jemand Arbeitsentgelte in der Nähe oder oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, also zB mehr als das 1,8-fache des Durchschnittsentgelts bezogen hat, kann nicht entnommen werden, daß das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt ist. Ferner ist aus dem Zweck des Privilegienabbaus nicht erklärbar, welche ungerechtfertigten Vorteile dadurch beseitigt werden, daß Arbeitsentgelte unterhalb des 1,4-fachen bis hinab zum einfachen des Durchschnittsentgelts nicht als Verdienst anerkannt werden. Der Abstufungsmechanismus hat erkennbar nichts mit Privilegienabbau im Rentenversicherungsrecht zu tun.
o) Für diese Art von „Typisierung”, die nicht zur Ausfilterung von sachfremden Anspruchselementen beiträgt, gibt es keinen rechtfertigenden Grund. Es handelt sich nicht darum, zur Ordnung von Massenerscheinungen, wie sie insbesondere im Sozialrecht häufig sind, vereinfachende und vergröbernde Regelungen zu treffen, um einen leicht faßbaren Sachverhalt rechtlich so zu gestalten, daß er praktikabel und gleichmäßig vollzogen werden kann. Denn diese „Typisierung” steht in Widerspruch zu den tragenden Regelungen des Teilrechtsgebiets (SGB VI) und zu tragenden Wertungen der Gesamtrechtsordnung (Art 12 Abs 1 GG). Insbesondere hat der Bundesgesetzgeber – wie die Bundesregierung auf Anfrage des Senats bestätigt hat – nicht einmal ansatzweise geprüft, ob und ggf in welchem Ausmaß wirklich politisch überhöhtes Arbeitsentgelt für die von § 6 Abs 2 AAÜG erfaßten Berufstätigkeiten gezahlt worden ist. Die „Typisierungen” beruhen auf keinen empirischen Grundlagen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, Arbeitsentgelte unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze im normalen Streuungsbereich der Arbeitnehmereinkommen im Beitrittsgebiet seien bei den von § 6 Abs 2 AAÜG erfaßten Personen ganz überwiegend, in der Regel oder wenigstens typischerweise gleichwohl wegen politischer Vergünstigung überhöht, liegen daher nicht vor.
Schließlich fehlt – wie oben ausgeführt – für den Fall, daß eine derartig grobe und auf bloßer Spekulation beruhende Typisierung gleichwohl für verfassungsgemäß gehalten werden sollte, die og „Härteklausel”.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, daß diese Ausgestaltung der im Grundsatz zu rechtfertigenden Differenzierung in den Einzelheiten der Typisierung verfassungswidrig ist (im Ergebnis ähnlich Rürup/Simon, aaO, S 131 ≪141 bis 143≫; Merten, aaO, S 126 bis 135; H. Simon, NJ 1995, 227 ff ≪229 f≫; aA Papier, aaO, S 90 bis 100; M. Heintzen, VSSR 1995, 1 ≪21 ff≫ mit Bezug auf § 7 AAÜG; alle mwN).
p) Wäre § 6 Abs 2 AAÜG ungültig, könnte der Bundesgesetzgeber nach Auffassung des Senats den Verfassungsverstoß auf verschiedene Art und Weise beheben. Sein Gestaltungsspielraum umfaßt ua die typisierende Festsetzung von Kriterien für die Annahme politisch überhöhten Arbeitsentgelts unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, zB anhand der og möglichen typischen Fallkonstellationen, bis hin zur einheitlichen Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze für alle Zusatz- und Sonderversorgungsordnungen mit Ausnahme desjenigen der Anlage 2 Nr 4 aaO (MfS). Gleichwohl ist die Vorlagefrage entscheidungserheblich, weil das BVerfG ggf die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs 2 AAÜG verbindlich feststellen könnte, so daß der Rechtsstreit bis zu einer Neuordnung durch den Bundesgesetzgeber auszusetzen, nicht aber die Revision in der Sache zu bescheiden wäre.
Nach alledem sah sich der Senat gemäß Art 100 Abs 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Fundstellen