Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.04.2018; Aktenzeichen L 9 R 4149/14)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 04.09.2014; Aktenzeichen S 14 R 1486/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. April 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17.4.2018 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger Divergenz sowie einen Verfahrensfehler geltend.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 2.8.2018 genügt nicht der vorgeschriebenen Form. Er hat weder den geltend gemachten Zulassungsgrund der Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

1. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; Senatsbeschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - Juris RdNr 6).

Das Vorbringen des Klägers wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Er nennt zwar einen Rechtssatz aus Urteilen des BSG zu den Voraussetzungen der sog Summierung. Diesem stellt er aber keinen abweichenden Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG entgegen. Statt dessen subsumiert er selbst den von ihm mitgeteilten Sachverhalt unter den zuvor genannten Obersatz des BSG und rügt das davon abweichende Ergebnis des Berufungsgerichts. Auf die Behauptung der fehlerhaften Rechtsanwendung kann die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht gestützt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).

2. Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 3 SGG).

Auch diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger macht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend, weil das LSG den Ausführungen eines Sachverständigen über die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit seiner Arme und Hände überraschenderweise nicht gefolgt sei, ohne dies vor oder im Berufungstermin angesprochen zu haben.

Soweit er mit diesem Vortrag auf das Überraschungsmoment der Entscheidung des LSG abstellt, hat er eine Gehörsverletzung nicht schlüssig und nachvollziehbar dargetan. Eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es nicht. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 S 2 SGG) begründet. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl Senatsbeschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - Juris RdNr 19; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 44; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590 mwN).

Von einer Überraschungsentscheidung kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - Juris RdNr 18 mwN). Die Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt. Daran fehlt es hier. Der Einwand, dass das LSG die zeitliche Abfolge der Gutachten nicht thematisiert habe, reicht zur Darlegung einer Überraschungsentscheidung nicht aus. Es besteht kein Verfahrensgrundsatz, aufgrund dessen der Kläger hätte erwarten können, dass das Gericht der Einschätzung des zuletzt "zeitnah" angehörten Gutachters folgen muss.

Auf Angriffe gegen die Beweiswürdigung kann im Übrigen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12076540

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