Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensmangel. Zurückweisung der Berufung durch Beschluss. Mündlichkeitsgrundsatz. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Widerruf der Einverständniserklärung
Orientierungssatz
1. Von der Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 SGG ist in Fällen abzusehen, in denen ein Verfahrensbeteiligter noch nicht die Möglichkeit hatte, sein Anliegen persönlich vorzutragen. Dieser Grundsatz beansprucht jedoch keine Geltung, wenn das Sozialgericht nach § 124 Abs 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (vgl BVerwG vom 22.1.1998 - 2 C 4/97 = ZBR 1998, 316).
2. Ein Widerruf der Einverständniserklärung kommt nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage in Betracht.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 153 Abs. 4, § 124 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 7. November 2003 bis zum 11. Mai 2004. Die Beklagte hatte auf den Antrag auf Anschluss-Alhi Leistungen nur vom 19. Oktober bis zum 6. November 2003 bewilligt, weil der Kläger mit Schreiben vom 6. November 2003 mitgeteilt habe, dass seine Leistungsfähigkeit erloschen sei und aus seiner Sicht kein Restleistungsvermögen mehr vorliege, sodass er den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht mehr zur Verfügung stehe.
Das Klageverfahren verlief erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung durch Beschluss vom 11. Februar 2005 gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, für den Anspruch auf Alhi komme § 198 Satz 2 Nr 3 iVm § 125 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (SGB III) nicht in Betracht. Die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung sei durch die abschließende Entscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beendet. Die Beklagte sehe den Kläger als vollschichtig leistungsfähig an. Der Kläger habe ausweislich seines Schreibens vom 6. November 2003 für die Zeit nach dem 6. November 2003 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden, weil er nicht mehr arbeitsbereit gewesen sei. Ein Leistungsanspruch habe erst wieder entstehen können, als der Kläger sich erneut persönlich arbeitslos gemeldet und seine Arbeitsbereitschaft bekundet habe. Dies sei erst am 12. Mai 2004 geschehen. Frühere Arbeitslosmeldungen seien nicht feststellbar. Im Übrigen sei der Kläger an den behaupteten Meldeterminen nach eigenen Angaben arbeitsunfähig erkrankt gewesen, sodass auch aus diesem Grunde ein neuer Zahlungsanspruch nicht habe realisiert werden können.
Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, das LSG habe durch eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Zudem habe er im Berufungsverfahren einen Beweisantrag des Inhalts gestellt, dass R. B. als Zeuge für die Behauptung zu hören sei, er habe sich am 9. November 2003, 12. Januar und 2. März 2004 arbeitslos gemeldet. Über diesen Antrag sei das LSG ohne jede Erwähnung hinweggegangen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Beschwerde des Klägers sei unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sind nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109, 128 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Soweit der Kläger eine Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit rügt, weil er die Vorgehensweise des LSG einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs 4 SGG beanstandet, hätte er im Einzelnen darlegen müssen, dass seitens des LSG ein Ermessensfehlgebrauch vorlag. Eine Sachentscheidung ohne mündliche Verhandlung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verfahrensrechtlich nur zu beanstanden, wenn die Verfahrensweise des LSG auf sachfremden Erwägungen oder grober Fehleinschätzung beruht (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19; BSG, Beschluss vom 27. März 2001 - B 7 AL 186/00 B -).
Zwar macht die Beschwerdebegründung zu Recht geltend, dass von der Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 SGG in Fällen abzusehen ist, in denen ein Verfahrensbeteiligter noch nicht die Möglichkeit hatte, sein Anliegen persönlich vorzutragen. Der vorgenannte Grundsatz beansprucht jedoch keine Geltung, wenn das Sozialgericht nach § 124 Abs 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl 2005, § 153 RdZiff 14; Littmann in HK-SGG, 2003, § 153 RdZiff 40; vgl auch BVerwG Buchholz 310 § 161 VwGO Nr 113). In der Beschwerdebegründung wird eingeräumt, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren erklärt hatte, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein. Eine derartige Einverständniserklärung ist als Prozesshandlung nach Eingang der Einverständniserklärung der übrigen Prozessbeteiligten grundsätzlich bindend. Ein Widerruf kam, da hier das Einverständnis der Beklagten bereits vorlag, nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage in Betracht (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl 2005, § 124 RdZiff 3 d; Bolay in HK-SGG, § 124 RdZiff 10). Die Beschwerdebegründung stellt zwar dar, dass der Kläger sein Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bereits mit Schriftsatz vom 21. Mai 2004 widerrufen hatte, ohne allerdings auszuführen, dass eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten sei. Dies hätte ausweislich des Inhalts der beigezogenen Akten auch nicht geschehen können.
2. Mit dem Vorbringen, der Kläger habe den Beweisantrag gestellt und vehement bis zum Schluss aufrechterhalten, Herrn R. B. als Zeugen zum Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung zu hören, wird eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG nicht schlüssig gezeichnet. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung überhaupt einen Beweisantrag in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bezeichnet. Denn es wird jedenfalls nicht dargelegt, dass sich das LSG nach seiner Rechtsauffassung - von der auszugehen ist - zur Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen. Insoweit übersieht die Beschwerdebegründung, dass das LSG davon ausgegangen ist, ein Leistungsanspruch habe erst wieder entstehen können, wenn der Kläger sich erneut persönlich arbeitslos gemeldet und seine Arbeitsbereitschaft bekundet habe. Ausführungen dazu, dass der angebliche "Beweisantrag" sich auch auf die Erklärung der Arbeitsbereitschaft bezogen hätte, enthält die Beschwerdebegründung nicht. Im Übrigen stünde der Erheblichkeit der fraglichen Beweiserhebung die Rechtsauffassung des LSG entgegen, ein neuer Zahlungsanspruch habe auch wegen der vom Kläger angegebenen Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der behaupteten Meldetermine nicht realisiert werden können.
Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 2, 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen