Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 22.6.2018 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 13.1.2009 (Anerkenntnis für die Zeit ab dem 1.2.2017) verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Die Klägerin macht eine Verletzung des § 103 SGG unter mehreren Gesichtspunkten geltend.
Hierzu trägt sie vor, in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat am 22.6.2018 beantragt zu haben, Dr. M. … als Sachverständigen ergänzend zu dem sozialmedizinischen Gutachten vom 16.2.2012 zu hören. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dem Gutachten Dr. M. … sei nicht zu entnehmen, dass dieser sich mit dem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 16.2.2012 auseinandergesetzt habe. Außerdem habe sie, die Klägerin, mit Schriftsatz vom 14.6.2018 beantragt, die Verfahrensakten des SG Detmold (S 20 R 965/12 <VNR: 110177>) betreffend ihren im Januar 2012 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beizuziehen. In dem zu § 51 SGB V eingeholten Gutachten vom 16.2.2012 sei ua darauf hingewiesen worden, dass eine erhebliche Gefährdung ihrer Erwerbsfähigkeit vorliege. Beiden Beweisanträgen sei das LSG nicht gefolgt. Hätte das Berufungsgericht weitere Feststellungen getroffen, hätte sich - insbesondere aus dem Gutachten vom 16.2.2012 - ergeben, dass sie, die Klägerin, wegen ihrer Gesundheitsstörungen bereits vor dem anerkannten Leistungsfall vom 31.1.2017 auf absehbare Zeit außerstande gewesen sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht nicht schlüssig bezeichnet.
a) Soweit die Klägerin geltend macht, das LSG sei dem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. M. … zum sozialmedizinischen Gutachten vom 16.2.2012 zu Unrecht nicht gefolgt, hat sie bereits nicht dargetan, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS von § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 403 ZPO gestellt zu haben. Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte; denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich ein Beweisantrag möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN, RdNr 8). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Zu welchen Gesundheitsstörungen und sich hieraus ergebenden Leistungseinschränkungen der Sachverständige Dr. M. … gehört werden soll, gibt der Beweisantrag nicht an.
b) Soweit die Klägerin die Übergehung ihres Antrags im Schriftsatz vom 14.6.2018, die Verfahrensakten des SG Detmold (S 20 R 965/12 <VNR: 110177>) beizuziehen, rügt, hat sie bereits nicht dargetan, diesen Antrag bis zuletzt aufrechterhalten zu haben.
Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie der Klägerin - regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen.
c) Abgesehen davon hat die Beschwerdebegründung hinsichtlich beider Beweisanträge nicht schlüssig dargelegt, dass die Entscheidung auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruhen kann.
Die Klägerin weist selbst darauf hin, dass das sozialmedizinische Gutachten vom 16.2.2012 ausgeführt habe, ihre Erwerbsfähigkeit sei (lediglich) erheblich gefährdet. Warum sich angesichts dieser Feststellung bei Anhörung des Sachverständigen Dr. M. … zum Gutachten vom 16.2.2012 voraussichtlich ergeben hätte, dass bereits zum beantragten Zeitpunkt eine rentenrelevante quantitative Einschränkung ihres Leistungsvermögens iS von § 43 Abs 2 S 2 oder doch zumindest iS von § 43 Abs 1 S 2 SGB VI vorgelegen hat, legt die Beschwerdebegründung nicht dar. Ebenso wenig gibt sie an, welche sonstigen medizinischen, in den Verfahrensakten des SG Detmold (S 20 R 965/12 <VNR: 110177>) vorhandenen Befundunterlagen eine bereits seinerzeit bestehende rentenrelevante Einschränkung ihres Leistungsvermögen bestätigen.
2. Mit dem Vorbringen, das LSG habe ihrem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. M. … zu dem Gutachten vom 16.2.2012 zu Unrecht nicht stattgegeben, rügt die Klägerin ferner sinngemäß eine Verletzung des § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, § 411 Abs 4 ZPO, der den Beteiligten das Recht einräumt, einen Sachverständigen zwecks Erläuterung seines Gutachtens zu befragen. Auch insoweit ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig bezeichnet.
Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin ungeachtet seiner missverständlichen Formulierung auf eine Befragung des Sachverständigen Dr. M. … zu dem von ihm selbst erstatteten Gutachten. Ausweislich der weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung sollte der Sachverständige dazu befragt werden, ob er das sozialmedizinische Gutachten vom 16.2.2012 bei der Erstattung seines Gutachtens berücksichtigt hat. Die Klägerin hat allerdings die sonstigen Voraussetzungen des Frageantragsrechts nicht dargetan.
Das Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten setzt ua voraus, dass der Antrag rechtzeitig gestellt worden ist (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 14). Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn der Antrag erst so kurz vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht, dass diesem ohne Vertagung weder genug Zeit bleibt, den Sachverständigen zum Termin zu laden noch von ihm eine schriftliche Antwort auf die kurzfristig gestellten Fragen zu erhalten (BSG Beschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - Juris RdNr 12). Dass die Klägerin den Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. M. … bereits rechtzeitig im dargelegten Sinne gestellt hat, gibt die Beschwerdebegründung nicht an.
Im Übrigen wäre auch insoweit die mögliche Kausalität zwischen dem geltend gemachten Verfahrensmangel und der Entscheidung aus dem oben dargelegten Grund nicht schlüssig aufgezeigt.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12719981 |