Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 26.10.1995; Aktenzeichen L 8 An 122/95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 1995 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin, die in der Hauptsache die Vormerkung von Beitragszeiten (iS von § 17a des Fremdrentengeseztes ≪Oktober 1939 bis Juni 1941≫) begehrt, ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen. In der Beschwerdebegründung ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens, also der Revisionszulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, auf den die Beschwerde sich stützt, hinreichend “bezeichnet” worden.

Die Klägerin rügt “eine Verletzung des § 103 SGG (Untersuchungsmaxime), der §§ 62, 128 Abs 2 SGG (Rechtliches Gehör), des § 128 Abs 1 SGG (Überzeugungsbildung des Gerichts) sowie die Verletzung des § 106 Abs 3 Nr 7 SGG (Persönliche Anhörung der Klägerin)”.

Soweit sie eine Verletzung des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) damit begründet, das Landessozialgericht (LSG) habe die Schriftprobe sprachwissenschaftlich analysiert und über angeblich typisch jiddische Sprachelemente doziert, ohne vorzustellen, woher es hinreichende Sachkunde hierfür erlangt habe, ist eine Verletzung der Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 SGG) schon deswegen nicht iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hinreichend bezeichnet worden, weil kein Beweisantrag benannt worden ist, den das Berufungsgericht übergangen haben könnte.

Soweit die Klägerin mit dem vorgenannten Vortrag rügt, das LSG habe seine behauptete Sachkunde zur jiddischen Sprache vor der Entscheidung nicht in das Verfahren eingebracht und dadurch den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 SGG) verletzt, kann dahingestellt bleiben, ob damit überhaupt eine Verletzung von Verfahrensrecht schlüssig dargetan ist. In der Beschwerdebegründung ist nämlich nicht dargelegt worden, weshalb das Urteil des LSG auf diesem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann. Zwar behauptet die Klägerin (Bl 10 der Beschwerdebegründung), es sei nicht auszuschließen, daß das LSG eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn die gerügten Verfahrensfehler nicht unterlaufen wären. Ein schlüssiger Vortrag von Umständen, die für die Richtigkeit dieser Behauptung sprechen könnten, liegt jedoch nicht vor. Die Beschwerdebegründung hätte hierzu ua schon deswegen näher Stellung nehmen müssen, weil das Berufungsgericht (S 8 ff im Urteil des LSG) es vor allem deshalb nicht als glaubhaft angesehen hat, daß die Klägerin im streitigen Zeitraum dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hatte, weil es Zweifel an der Glaubwürdigkeit der eigenen Angaben der Klägerin hatte und weitere Unterlagen, die für einen überwiegenden Gebrauch des Deutschen im persönlichen Bereich sprechen könnten, nicht festgestellt hat. Abgesehen davon, daß die Klägerin die näheren Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu nur mit im Beschwerdeverfahren vom Bundessozialgericht wegen seiner Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu berücksichtigenden tatsächlichen Behauptungen bestritten hat, wird in der Beschwerdebegründung lediglich mitgeteilt, im Falle eines Hinweises des LSG auf jiddische Sprachelemente wäre ein Beweisantrag gestellt worden, ein Gutachten des Instituts für Jiddistik bei der Universität Trier einzuholen. Die Beschwerdeführerin hat es jedoch unterlassen darzutun, welches Ergebnis die durch den angeblichen Verfahrensmangel des LSG verhinderte Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und aus welchen Gründen das Berufungsgericht trotz seiner Beweiswürdigung im übrigen zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Gleiches gilt für die Rüge, das Urteil des LSG sei auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt worden, zu denen die Klägerin sich nicht habe äußern können.

Die weitere Rüge, das LSG habe gegen Denkgesetze verstoßen und damit die Grenzen seiner Kompetenz verletzt, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), ist gleichfalls nicht schlüssig vorgetragen worden. Hierauf kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Beschwerde nämlich nicht gestützt werden.

Auch im Hinblick auf die gerügte Ablehnung des “hilfsweise” gestellten Antrags, die Klägerin vor dem LSG zu ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis zu hören, kann dahingestellt bleiben, ob ein Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens schlüssig dargelegt worden ist. Die dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter nach § 106 Abs 3 Nr 7 SGG eingeräumte Befugnis, ua das persönliche Erscheinen der Beteiligten zum Termin anzuordnen und den Sachverhalt diesen zu erörtern, also einen sog Erörterungstermin durchzuführen, enthält – worauf das Berufungsgericht ausdrücklich hingewiesen hat – nicht die Befugnis, den in sozialgerichtlichen Verfahren ausgeschlossenen Beweis der Parteivernehmung einzuführen. Die Befugnisse nach § 106 SGG dienen vielmehr der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bzw der vorbereitenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG). Daher kann auch die angebliche Verletzung der Kompetenz nach § 106 Abs 3 Nr 7 SGG gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur gerügt werden, wenn ein – iS der Zivilprozeßordnung – ordnungsgemäßer Beweisantrag in der Beschwerdebegründung hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Hieran fehlt es.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI780367

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