Verfahrensgang
SG Magdeburg (Entscheidung vom 10.03.2021; Aktenzeichen S 6 R 512/16) |
LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 15.09.2021; Aktenzeichen L 3 R 66/21) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. September 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und zu ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die im Mai 1967 geborene, früher als Altenpflegerin beschäftigte Klägerin begehrt eine Rente wegen voller, zumindest aber wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Nachdem ihre vorangegangenen Anträge (vom Februar 2006 bzw Mai 2011) keinen Erfolg hatten, beantragte sie im April 2015 erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der beklagte Rentenversicherungsträger ließ durch M ein orthopädisches Gutachten erstellen und lehnte den Antrag sodann ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten (Bescheid vom 21.10.2015, Widerspruchsbescheid vom 15.9.2016). Im Klageverfahren hat das SG ein weiteres orthopädisches Gutachten von B, Chefarzt der Klinik für Orthopädie des J-Krankenhauses in S, eingeholt. Dieser gelangte nach ambulanter Untersuchung (12.10.2020) im Gutachten vom 8.12.2020 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben; ihre Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt. Insbesondere hierauf gestützt hat das SG nach mündlicher Verhandlung, zu der die Klägerin trotz einer Anordnung nach § 111 SGG nicht erschienen ist, die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.3.2021). Im Berufungsverfahren hat das LSG vom Hausarzt der Klägerin einen weiteren Befundbericht eingeholt. Der Berichterstatter hat sodann in einem richterlichen Hinweis erläutert, weshalb die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Zugleich hat er für den Fall der Fortführung des Rechtsmittels zu einer Entscheidung der Berufsrichter des Senats nach § 153 Abs 4 SGG angehört. Dem hat die Klägerin widersprochen. Das LSG hat mit Beschluss der Berufsrichter vom 15.9.2021 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin hat mit einem am 7.10.2021 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 27.9.2021 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG eingelegt. Zudem hat sie Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten beantragt und hierzu am 20.10.2021 eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Sie macht geltend, das LSG habe MRT-Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2000 und 2019 nicht berücksichtigt und sei zudem den fehlerhaften Ausführungen des B gefolgt. Eine Rente wegen Erwerbsminderung stehe ihr zu, weil sie mehr als sechs Monate wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig und zudem im Alltag körperlich stark eingeschränkt sei. Der bei ihr derzeit anerkannte GdB von 30 sei viel zu gering; ein GdB von wenigstens 80 sei angemessen. Es sei ihr auch nicht möglich, mehr als 500 Meter in der vorgegebenen Zeit zurückzulegen.
II
1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Zwar liegen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH vor. Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG aber nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall.
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG geht es nicht in erster Linie darum, ob die Entscheidung des LSG in der Sache richtig oder falsch ist, sondern darum, ob einer der gesetzlichen Gründe für die Zulassung der Revision vorliegt. Nach § 160 Abs 2 SGG darf die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten ist nicht erkennbar, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (vgl § 73 Abs 4 SGG) einen dieser Revisionszulassungsgründe mit Erfolg geltend machen könnte.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Zulassung der Revision auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Die Voraussetzungen, unter denen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ergeben sich unmittelbar aus § 43 SGB VI. Die Anwendung dieser Voraussetzungen ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22). Dass sich im Fall der Klägerin eine in diesem Zusammenhang noch nicht geklärte Grundsatzfrage stellen könnte, ist nicht erkennbar. Das gilt auch, soweit die Klägerin geltend macht, ihr stehe eine Rente wegen Erwerbsminderung schon deshalb zu, weil sie mehr als sechs Monate wegen derselben Krankheit "arbeitsunfähig" sei. Zum einen konnte das LSG auf der Grundlage der durchgeführten sozialmedizinischen Ermittlungen gerade nicht feststellen, dass die Klägerin in rentenberechtigendem Umfang dauerhaft erwerbsgemindert ist. Es hat auf der Grundlage der Befundberichte des behandelnden Hausarztes auch keine dauerhafte oder länger andauernde Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit (sog "Krankschreibung") festgestellt. Zum anderen hat das BSG bereits entschieden, dass eine Erwerbsunfähigkeit iS des § 43 SGB VI nicht allein deshalb anzunehmen ist, weil für den Versicherten über längere Zeit Arbeitsunfähigkeit iS der gesetzlichen Krankenversicherung bescheinigt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 15 mwN; s auch BSG Urteil vom 21.7.1992 - 4 RA 13/91 - juris RdNr 17 f; BSG Urteil vom 31.3.1993 - 13 RJ 65/91 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 14 S 42 f). Ebenso wenig ergibt sich aus der Behauptung der Klägerin, sie "benötige" einen GdB von wenigstens 80, obgleich bisher nur ein GdB von 30 anerkannt sei, eine noch klärungsbedürftige Rechtsfrage (vgl dazu, dass der GdB iS des Schwerbehindertenrechts ≪§ 152 SGB IX≫ und die Erwerbsminderung iS des § 43 SGB VI unterschiedliche Voraussetzungen haben und sich nicht gegenseitig bedingen, BSG Beschluss vom 10.7.2018 - B 13 R 64/18 B - juris RdNr 5).
Es ist darüber hinaus auch nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, mit dem es von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG in entscheidungserheblicher Weise abweicht (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich kann der Senat nicht feststellen, dass ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass das LSG ermessensfehlerhaft - etwa aus sachfremden Erwägungen oder aufgrund einer groben Fehleinschätzung der verfahrensrechtlichen Situation - von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hätte (vgl dazu jüngst BSG Beschluss vom 21.10.2021 - B 5 R 51/21 B - juris RdNr 4 f). Der Berichterstatter ist in seinem Hinweisschreiben vom 20.7.2021 ausführlich auf die aus seiner Sicht maßgebliche Rechtslage eingegangen. Einer Zustimmung der Beteiligten zu der Verfahrensweise bedarf es nicht (vgl BSG Beschluss vom 2.4.2019 - B 9 V 33/18 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 1.8.2019 - B 13 R 283/18 B - juris RdNr 16).
Soweit die Klägerin geltend macht, der Beschluss des LSG sei falsch, weil es die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Unrecht verneint habe, kann darauf - die vermeintliche Fehlerhaftigkeit im Einzelfall - eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 14 mwN).
Da der Klägerin nach alledem PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die von der Klägerin persönlich erhobene Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Die Klägerin konnte die Nichtzulassungsbeschwerde wirksam nur durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) einlegen lassen. Hierauf hat bereits die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen. Die unzulässige Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Düring Hannes Gasser
Fundstellen
Dokument-Index HI15129274 |