Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 2022 wird verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der 1949 geborene Kläger, der Versicherungszeiten in Deutschland und in Frankreich zurückgelegt hat, begehrt im Zugunstenverfahren nach§ 44 SGB X eine höhere Altersrente. Er bezieht seit Mai 2014 eine Regelaltersrente. Diese wurde zunächst von der Beklagten geleistet(Bescheid vom 8.5.2015) . Der Rentenberechnung lagen 8,8703 persönliche Entgeltpunkte (pEP) zugrunde, die aus den in Deutschland zurückgelegten Zeiten resultierten. Die in Frankreich zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten wurden nicht berücksichtigt, weil der Kläger bei Rentenbeginn über keinen Wohnsitz in einem EU-Staat verfügte. Seine Klage gegen den Rentenbescheid vom 8.5.2015 blieb erfolglos.
Mit Schreiben vom 23.3.2018 beantragte der Kläger eine Überprüfung des Rentenbescheids hinsichtlich der Rentenhöhe. Die Beklagte lehnte eine Korrektur ab(Bescheid vom 27.3.2018; Widerspruchsbescheid vom 23.7.2018) . Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger mitgeteilt, seinen Wohnsitz bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheids nach La Rochelle verlegt zu haben. Die für Versicherte mit Wohnsitz in Frankreich örtlich zuständige Beigeladene hat daraufhin die Rente des Klägers unter Berücksichtigung auch der französischen Pflichtbeitragszeiten ab dem 1.1.2016 neu berechnet und die Leistungsgewährung übernommen(Bescheid vom 20.3.2020) . Sie hat der Neuberechnung 9,0283 pEP zugrunde gelegt, sodass sich ab April 2020 eine Rente iH von 298,39 Euro ergeben hat. Der Kläger, der neben der streitbefangenen Regelaltersrente Leistungen aus dem französischen Sozialleistungssystem bezieht, hat seine Klage aufrechterhalten und sich gegen die Höhe der neu berechneten Rente gewandt. Das SG ist davon ausgegangen, dass der Neuberechnungsbescheid Gegenstand der Klage geworden und eine wirksame Klageänderung erfolgt ist. Es hat die so verstandene Klage abgewiesen(Gerichtsbescheid vom 16.10.2020) . Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG mit Urteil vom 11.5.2022 zurückgewiesen. Die von der Beigeladenen durchgeführte zwischenstaatliche Berechnung sei nicht zu beanstanden.
Das Berufungsurteil ist der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24.5.2022 im Inland mit fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Mit Schreiben vom 14.9.2022, das am 22.9.2022 beim BSG eingegangen ist, hat der zu diesem Zeitpunkt unvertretene Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Am 27.12.2022 hat er eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Mit Beschluss vom 11.8.2023, zugestellt am 12.9.2023, hat der Senat dem Kläger PKH für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt F bewilligt.
Der Kläger hat am 26.9.2023 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 31.10.2023 begründet hat. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Es wird kein Zulassungsgrund hinreichend dargetan.
a) Wer sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss in der Beschwerdebegründung darlegen, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist daher eine Rechtsfrage zu formulieren und deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzuzeigen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht.
Der Kläger erachtet folgende Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig:
"Dürfen für deutsche Versicherungszeiten und für Versicherungszeiten in anderen EG-Staaten (mitgliedstaatliche Zeiten) in gleicher Weise errechnete Entgeltpunkte auch dann nur in dem Verhältnis zur Auszahlung kommen, in dem die Entgeltpunkte für deutsche Zeiten zu allen Entgeltpunkten einschließlich der ausländischen Zeiten jeweils ohne Zurechnungszeit (pro-rata-Verhältnis) stehen, wenn der Versicherte mangels Wohnsitzes in Deutschland keinen Anspruch auf Grundsicherung hat und er dadurch seiner - sonst gesicherten - Lebensgrundlage verlustig geht?."
Der Kläger trägt vor, nach der Rechtsprechung des EuGH komme der Berechnungsmodus der Proratisierung nicht zur Anwendung bei der Berechnung von Renten, die eine Mindestleistung zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards darstellten. Er bezieht sich auf das Urteil des EuGH vom 7.12.2017( C-189/16 - Zaniewicz-Dybeck) . Die dortigen Beteiligten stritten darüber, ob bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen der Garantierente nach schwedischem Recht eine zeitanteilige Berechnung gemäß Art 46 Abs 2, Art 47 Abs 1 Buchst d VO 1408/71 vorzunehmen sei. Der EuGH hat dies verneint. Bei der schwedischen Garantierente handele es sich um eine Mindestleistung iS von Art 50 VO 1408/71 , sodass sie nach dieser besonderen Vorschrift in Verbindung mit dem nationalen Recht berechnet werden müsse(EuGH Urteil vom 7.12.2017 - C-189/16 - juris RdNr 45 ff; 52) . Der Kläger bringt vor, es sei bisher nicht höchstrichterlich entschieden, ob die nach deutschen Rechtsvorschriften aufgrund der zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermittelnde Rente eine solche Mindestleistung darstelle. Er will damit im Kern geklärt wissen, ob es sich bei einer aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gewährten Altersrente jedenfalls dann um eine Mindestleistung iS des EU-Koordinierungsrechts handelt, wenn die Rente so niedrig ist, dass ein im Inland wohnender Versicherter daneben Leistungen der Grundsicherung im Alter beanspruchen könnte. Die Beschwerde legt jedoch nicht im erforderlichen Umfang die Klärungsbedürftigkeit und insbesondere die (konkrete) Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage dar.
Klärungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Revisionsgericht nach und aufgrund der Zulassung der Revision in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich entscheiden zu können. Zur Darlegung der Klärungsfähigkeit ist daher nachvollziehbar aufzuzeigen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste(vgl zBBSG Beschluss vom 24.7.2023 - B 5 R 31/23 B - juris RdNr 8 mwN) . Wie der Kläger selbst darstellt, betraf das EuGH-Urteil vom 7.12.2017 die Auslegung des Art 50 VO 1408/71 . Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern bei Berechnung seiner Regelaltersrente eine dort enthaltene Regelung zur Anwendung kommen könnte. Das liegt auch nicht ohne Weiteres auf der Hand. Die VO 1408/71 wurde mit Wirkung vom 1.5.2010 durch dieVO 883/2004 abgelöst und die Rente des Klägers begann erst am 1.5.2014. Zwar enthält dieVO 883/2004 mit Art 58 eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorschrift zu Art 50 VO 1408/71(vgl zB Janda in Fuchs/Janda, EuSozR, 8. Aufl 2022, VO (EG) Nr 883/2004 Art 58 RdNr 1) . Es spricht vieles dafür, dass auch in Bezug auf die Auslegung des Art 58 VO 883/2004 die Rechtsprechung des EuGH, die zurVO 1408/71 ergangen ist, nach wie vor relevant ist(vgl EuGH ≪Kammer≫ Urteil vom 21.10.2021 - C 866/19 - juris RdNr 24 zu den abgelösten Art 45,46 VO 1408/71 ) . Auf das hier anwendbare EU-Koordinierungsrecht geht die Beschwerde jedoch nicht näher ein.
Ungeachtet dessen lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, unter welchem Gesichtspunkt die Klärung der aufgeworfenen Frage zur Auslegung des Art 50 VO 1408/71 bzw Art 58 VO 883/2004 für den Rechtsstreit zwischen dem Kläger und den deutschen Rentenversicherungsträgern von Bedeutung sein könnte. Der Kläger trägt vor, bei Verneinung der Rechtsfrage (also einer Ablehnung der Proratisierung in der hier gegebenen Konstellation) müssten die vom Kläger in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten bei Berechnung der streitbefangenen Altersrente vollständig berücksichtigt werden. Es bleibt jedoch offen, inwiefern sich die erstrebte Rechtsfolge aus den europarechtlichen Regelungen zur Mindestleistung ergeben würde. Eine Mindestleistung iS von Art 50 VO 1408/71 liegt vor, wenn die Rechtsvorschriften des Wohnstaats eine spezifische Garantie enthalten, die den Empfängern von Leistungen der sozialen Sicherheit ein Mindesteinkommen sichern soll, das über dem Betrag der Leistungen liegt, die sie allein aufgrund ihrer Versicherungszeiten und -beiträge verlangen können(EuGH Urteil vom 7.12.2017 - C-189/16 - juris RdNr 45; vgl zu dieser Definition zB auch Janda in Fuchs/Janda, EuSozR, 8. Aufl 2022, VO (EG) Nr 883/2004 Art 58 RdNr 2 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH) . Das EU-Koordinierungsrecht gibt vor, dass ein Leistungsempfänger in einem Wohnsitzstaat, der nach seinen nationalen Rechtsvorschriften eine Mindestleistung für eine Versicherungs- oder Wohnzeit festlegt, keinen niedrigeren Leistungsbetrag der Alters- oder Hinterbliebenenrente erhalten darf als die Mindestleistung, die sich ergeben hätte, wenn er alle Zeiten im Wohnsitzstatt zurückgelegt hätte(vgl Art 50 Satz 1 VO 1408/71 bzw Art 58 Abs 1 VO 883/2004 ) . Der zuständige Träger im Wohnmitgliedstaat ist in einem solchen Fall zur Gewährung einer Zulage an den Leistungsempfänger verpflichtet, um den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der nach dem europäischen Koordinierungsrecht (nur) geschuldeten (anteiligen) Leistungen und dem Betrag der Mindestleistung zu decken(vgl Art 50 Satz 2 VO 1408/71 bzw Art 58 Abs 2 VO 883/2004 ) . Nähere Ausführungen zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen finden sich in der Beschwerdebegründung nicht. Sowohl Art 50 VO 1408/71 als auch Art 58 VO 883/2004 adressieren nach ihrem Wortlaut den zuständigen Träger der Mindestleistung im Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet er wohnt, bzw den Wohnmitgliedstaat. Das wäre im Fall des Klägers der französische Träger. Auch hierauf geht die Beschwerde nicht näher ein.
b) Der geltend gemachte Verfahrensmangel(Zulassungsgrund nach§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) wird nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Der Kläger rügt, das SG habe zu Unrecht durch Gerichtsbescheid entschieden, weil die Sache wegen der ungeklärten europarechtlichen Vorgaben für die Rentenberechnung besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise. In der Entscheidung ohne ehrenamtliche Richter liege eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter(Art 101 Abs 1 Satz 2 GG ) , die in der Berufungsinstanz fortgewirkt habe. Gleiches gelte für die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ;§ 62 SGG ) , die in der ungerechtfertigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung liege. Wie der Kläger selbst zu Recht hervorhebt, ist ein Mangel im Verfahren vor dem SG nur von Bedeutung, sofern er in die nächste Instanz fortwirkt und damit zugleich einen Mangel des Verfahrens vor dem LSG bildet(vglBSG Beschluss vom 30.10.2020 - B 4 AS 267/20 B - juris RdNr 8 mwN;BSG Beschluss vom 15.6.2021 - B 5 R 52/21 B - juris RdNr 11 ) . Dass dies hier ausnahmsweise der Fall gewesen sein könnte, zeigt die Beschwerde nicht hinreichend auf.
§ 159 Abs 1 Nr 2 SGG ist zu entnehmen, dass es selbst bei Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels im ersten Rechtszug für ein Berufungsgericht nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen. Im Zweifel ist die Entscheidung, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig(vgl zBBSG Beschluss vom 25.1.2023 - B 9 V 32/22 B - juris RdNr 14 mwN;BSG Beschluss vom 7.9.2023 - B 5 R 14/23 BH - juris RdNr 19 ) . Gesichtspunkte, die das Ermessen des LSG im Sinne einer zwingenden Zurückverweisung hier hätten einschränken und so eine Fortwirkung des erstinstanzlichen Verfahrensmangels hätten begründen können, sind nicht dargetan. Der Kläger bezieht sich lediglich darauf, dass das LSG gemäß § 153 Abs 2 SGG vollumfänglich auf die als zutreffend erachteten Ausführungen des SG verwiesen und sich damit die Gründe des Gerichtsbescheids zu eigen gemacht habe.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und einer entsprechenden Anwendung von
§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16326966 |