Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatbestandswirkung von Entscheidungen der Ausländerbehörde

 

Orientierungssatz

Entscheidungen der Ausländerbehörden haben, soweit das Arbeitserlaubnisrecht Aufenthaltserlaubnis, Duldung oder Sichtvermerke voraussetzt, Tatbestandswirkung.

 

Normenkette

AFG § 19 Abs 1; AFG § 19 Abs 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 10.06.1988; Aktenzeichen L 10 Ar 1389/85)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig; ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen. Es hat die Bescheide der Beklagten für rechtmäßig erachtet, durch die die Beklagte dem Kläger, der als indischer Staatsangehöriger zur Ausübung einer Beschäftigung einer Arbeitserlaubnis bedarf (§ 19 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-), die beantragte Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. April 1984 abgelehnt hatte. Das LSG hat angenommen, der Kläger sei nicht mehr verfügbar, weil er eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben dürfe; er besitze keine Arbeitserlaubnis und habe auch keinen Anspruch auf eine solche Erlaubnis.

Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die drei in § 160 Abs 2 SGG genannten Zulassungsgründe geltend.

Soweit der Kläger die Zulassung der Revision darauf stützt, daß das Urteil des LSG von der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen sei, ist der Zulassungsgrund einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend "bezeichnet".

Zur Bezeichnung der Abweichung von einer Entscheidung des BSG ist die Darlegung erforderlich, welche Rechtsfrage das LSG anders als das BSG in dem näher zu kennzeichnenden Urteil entschieden hat, dh mit welcher konkreten Aussage das Urteil des LSG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist (SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 36). In der Beschwerdebegründung wird zwar zur Darlegung einer Abweichung ein im Urteil des BSG aufgestellter Rechtssatz herausgestellt; es fehlt jedoch die Kennzeichnung, welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. - Nach der Beschwerdebegründung hat das LSG den Anspruch auf Alg verneint, weil der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Damit hat der Kläger das Ergebnis der Entscheidung des LSG wiedergegeben, aber keinen im Urteil des LSG enthaltenen Rechtssatz. Darüber hinaus ist der Beschwerdebegründung auch nicht mittelbar zu entnehmen, inwiefern der angeführten Entscheidung des BSG ein abweichender Rechtssatz zu entnehmen ist. Die angeführte Entscheidung und die hieraus zitierten Rechtsausführungen betreffen einen ausländischen Arbeitslosen, dem die bewilligten Leistungen mit der Begründung entzogen worden waren, daß mit Rücksicht auf die derzeitige Arbeitsmarktlage eine Arbeitserlaubnis nicht erteilt werden könne und der Kläger deshalb der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehe. Für diesen von der Regelung des § 19 Abs 1 AFG erfaßten Sachverhalt war die behandelte Frage, ob das Erfordernis des "Arbeitendürfens" stets das Vorhandensein einer Arbeitserlaubnis voraussetzt, von Bedeutung. Die Entscheidung betrifft jedoch nicht den hier vorliegenden Fall des § 19 Abs 2 AFG. Insbesondere ist ihr nicht der Rechtssatz zu entnehmen, die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitnehmers und damit ein Leistungsanspruch könne auch dann gegeben sein, wenn die Beklagte aufgrund der ausländerrechtlichen Auflage gehindert war, eine Arbeitserlaubnis zu erteilen.

Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt worden. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - einer allgemeinen höchstrichterlichen Klärung fähig und bedürftig ist. Es fehlt hier bereits an der hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Denn die Antwort auf die vom Kläger zur Prüfung gestellte Rechtsfrage, ob eine ausländerrechtliche Auflage, durch die eine Arbeitsaufnahme untersagt wird, dem Erfordernis der Verfügbarkeit entgegensteht, ergibt sich ohne weiteres und unzweifelhaft aus den gesetzlichen Vorschriften der § 19 Abs 1 und 2 iVm § 103 Abs 1 Nr 2a AFG. Danach bedarf ein nicht Deutscher zur Ausübung einer Beschäftigung einer Erlaubnis der Bundesanstalt. Diese darf ihm nicht erteilt werden, soweit die Beschäftigung durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist. Verfügbar ist ein Arbeitnehmer aber nach § 103 Abs 1 Nr 2a AFG nur, soweit er eine ihm zumutbare Beschäftigung ausüben darf (vgl SozR 1300 § 13 Nr 1). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Beschwerdebegründung hätte deshalb zumindest darlegen müssen, weshalb sie die für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage gleichwohl noch für klärungsbedürftig hält. Wie das BSG bereits entschieden hat, ist die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage allein mit der nicht näher erläuterten und dem Wortlaut des Gesetzes widersprechenden Auslegung nicht dargelegt (SozR 1500 § 160a Nr 59). Das muß erst recht gelten, wenn der Beschwerdebegründung - wie hier - zur grundsätzlichen Bedeutung nicht einmal eine dem Gesetz widersprechende Auslegung zu entnehmen ist. Im übrigen hat das BSG bereits wiederholt entschieden, daß Entscheidungen der Ausländerbehörden, soweit das Arbeitserlaubnisrecht Aufenthaltserlaubnis, Duldung oder Sichtvermerke voraussetzt, Tatbestandswirkung haben (vgl BSG SozR 4210 § 5 Nr 1; Urteil vom 11. November 1982 - 7 RAr 71/81 -; Urteil vom 29. September 1987 - 7 RAr 10/87 -; Urteil vom 25. Oktober 1989 - 7 RAr 94/88 -).

Schließlich genügt auch die vom Kläger erhobene Rüge eines Verfahrensmangels nicht den Anforderungen, die an eine Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Soweit er geltend macht, das LSG habe die vorgelegten Urkunden nicht hinreichend gewürdigt und damit den Untersuchungsgrundsatz (§ 103 SGG) verletzt, kann dies nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nur dann zur Zulassung führen, wenn sich die Rüge auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies hat der Kläger nicht dargetan. - Daß der Rechtsstreit, wie er offenbar meint, falsch entschieden worden ist, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Denn eine Verfahrensrüge liegt nicht vor, wenn der geltend gemachte Fehler den Inhalt der Entscheidung betrifft.

Entspricht somit die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660869

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