Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 24.10.2017; Aktenzeichen L 7 AS 1363/15) |
SG Hannover (Entscheidung vom 12.08.2015; Aktenzeichen S 7 AS 494/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Oktober 2017 - L 7 AS 1363/15 - wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Fragen:
"1. Ist eine Heilung der fehlenden Anhörung zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 SGB X dadurch möglich, dass Leistungsempfänger im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu einer beabsichtigten Aufhebung nach § 48 SGB X oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von sich aus Angaben zum subjektiven Tatbestand des § 45 SGB X machen?
2. Besteht unter Berücksichtigung der in § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X geregelten Jahresfrist eine Verpflichtung der Behörde, innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Tatsachen, die die objektive Rechtswidrigkeit des Ausgangsverwaltungsaktes begründen, mit der Ermittlung der subjektiven Voraussetzungen einer Rücknahme zu beginnen und insbesondere das förmliche Anhörungsverfahren einzuleiten?"
Zu beiden aufgeworfenen Fragen lässt sich der Beschwerdebegründung bereits nicht entnehmen, ob und inwieweit zu ihnen bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen ggf noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint. Vielmehr unterbleibt eine substantielle Auseinandersetzung mit insoweit einschlägigen Entscheidungen des BSG und damit auch die erforderliche Darlegung, dass sich aus diesen Entscheidungen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen ergeben (vgl zur Maßgeblichkeit der Rechtsauffassung des Beklagten im Anhörungsverfahren nur BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21; BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 12 f; BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 51 RdNr 16; vgl zur Heilung im Widerspruchsverfahren nur BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17-18; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 15; vgl zur Jahresfrist nur BSG vom 27.7.2000 - B 7 AL 88/99 R - SozR 3-1300 § 45 Nr 42, juris RdNr 23 f; BSG vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R - juris RdNr 22 ff; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 31).
Das Beschwerdevorbringen lässt auch nicht erkennen, inwiefern die bezeichneten Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein könnten, nachdem der Beklagte - wie dem Vorbringen und den Fragen selbst zu entnehmen ist - die streitbefangene Entscheidung auf § 48 SGB X gestützt hat und für die Frage des Anhörungsfehlers von der Rechtsauffassung der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen ist, mag sie auch falsch sein (vgl BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21). Warum die aufgeworfenen Fragen gleichwohl in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnten, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sich aus ihr nicht ergibt, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nur, dass das LSG vorliegend eine Heilung eines Anhörungsmangels durch die Ausführungen der Klägerin im Anhörungs- und im Widerspruchsverfahren angenommen hat, ohne dies auf vom BSG abweichende eigene Rechtssätze zu stützen.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit die Ablehnung von PKH für das Berufungsverfahren als Verstoß gegen das Willkürverbot gerügt wird, fehlen bereits Ausführungen dazu, dass und warum das angefochtene Endurteil auf einem etwaigen Verfahrensfehler bei dieser unanfechtbaren Zwischenentscheidung (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO iVm § 177 SGG) beruhen kann (vgl zu den Darlegungsanforderungen BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 9 f).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12076536 |