Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirkung von Rechtsbehelfsbelehrungen gegenüber Ausländern

 

Leitsatz (redaktionell)

Wirkung von Rechtsbehelfsbelehrungen gegenüber Ausländern

Die Frage, ob auch die einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer nur in deutscher Sprache erteilte schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung die Rechtsbehelfsfrist in Gang setzt, ist wiederholt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bejaht worden; sie ist nicht klärungsbedürftig und deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung iS des SGG § 160 Abs 2 Nr 1.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1974-07-30, Nr. 3 Fassung: 1974-07-30, § 106 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Februar 1978 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von Krankengeld.

Der Kläger ist Jugoslawe. Die Beklagte gewährte ihm Krankengeld bis 1. Juli 1972; eine Weitergewährung lehnte sie ab. Die hiergegen gerichtete Klage nahm der Kläger mit Schreiben vom 2. September 1974 zurück und erklärte, seine Klageschrift sei als Widerspruch zu werten. Dieser Widerspruch hatte keinen Erfolg. Der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1974 enthielt eine Rechtsmittelbelehrung in deutscher Sprache. Er wurde dem Kläger im Wege der Ersatzzustellung am 14. November 1974 zugestellt. Einen vom Bruder des Klägers in dessen Namen eingereichten Schriftsatz vom 19. November 1974 bat das Sozialgericht (SG) als Anfechtung der Klagerücknahme gewertet. Das deshalb weitergeführte Verfahren hat es mit einer am 10. Februar 1975 gegen den Widerspruchsbescheid erhobenen Klage zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Urteil vom 22. September 1975 hat das SG festgestellt, das mit der ersten Klage anhängig gewordene Verfahren sei durch die Klagerücknahme in der Hauptsache erledigt. Im übrigen hat es die Klage wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; die Revision hat es nicht zugelassen.

Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Kläger vor, die Rechtssache sei deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides nur in deutscher Sprache abgefaßt gewesen sei. Auch habe der Vorsitzende Richter des SG gegen § 106 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen; er sei seiner umfassenden Hinweispflicht nicht nachgekommen. Im übrigen befaßt sich der Kläger mit dem Inhalt des angefochtenen Urteils.

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Soweit es sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bezieht, genügt es schon nicht den Formerfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Danach hätte der Kläger im einzelnen darlegen müssen (siehe auch Schroeder-Printzen, DOK 1975, 471, 476 re Spalte), daß und inwiefern das angestrebte Revisionsverfahren sich in seiner Bedeutung nicht in diesem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu bewahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971 Rdnrn 217, 218 - 94/95; BSG SozB § 1500 § 160a SGG Nr 7). Hierzu enthält die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nichts. Die Beschwerde ist deshalb insoweit unzulässig.

Sie wäre auch unbegründet; denn eine Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage nicht mehr der Klärung bedarf (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 4). Das liegt hier vor. Mit seiner Rüge, die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides sei nur in deutscher Sprache abgefaßt gewesen, will der Kläger offenbar die Frage geklärt wissen, ob eine solche Rechtsbehelfs- oder auch Rechtsmittelbelehrung gegenüber einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer die Rechtsbehelfs- bzw Rechtsmittelfrist in Lauf setzt. Diese Frage ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits wiederholt bejaht worden (vgl BFH, Urt vom 9.3.1976, DB 1976, 1092; BVerwG, Beschl vom 14.4.1978, BayVBl 1978, 474 unter Hinweis auf BVerfG 42, 120, 125: Der Ausländer hat keinen Anspruch auf eine Belehrung in seiner Heimatsprache). Sie ist deshalb nicht mehr klärungsbedürftig.

Unbegründet ist die Beschwerde auch, soweit sich die Rüge des Klägers auf das Verhalten des Vorsitzenden Richters des SG bezieht. Der Kläger übersieht, daß im Rahmen des § 160 Abs 1 Nr 5 SGG als Verfahrensmangel - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nur ein verfahrensmäßig unrichtiges Verhalten des Gerichts in Frage kommt, dessen Urteil angefochten wird, hier also des LSG (vgl BSG SozR Nr 40 zu § 162 SGG).

Bei seinen den Inhalt des angefochtenen Urteils betreffenden Ausführungen schließlich übersieht der Kläger, daß der Senat in diesem Verfahren nicht darüber zu entscheiden hat, ob das Urteil des LSG zutreffend oder ob es fehlerhaft ist. Diese Prüfung bliebe einer zugelassenen Revision vorbehalten.

Nach alledem ist die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664571

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