Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Verletzung des rechtlichen Gehörs. Wirksamwerden der Beiladung nach Urteilsverkündung. Zurückverweisung durch Beschluss. zusätzliche Grundsatzbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Das Gericht verletzt das rechtliche Gehör des einfach Beigeladenen, wenn die Beiladung erst nach Urteilsverkündung wirksam wird.
Orientierungssatz
Das BSG kann in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 5 SGG die angefochtene Entscheidung auch dann wegen eines Verfahrensmangels aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen, wenn die Beschwerde zusätzlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt wird. Denn selbst bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung und Zulassung der Revision würde der Verfahrensmangel voraussichtlich zur Zurückverweisung führen (vgl BSG vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B, vom 14.12.2016 - B 13 R 204/16 B und vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B).
Normenkette
SGG §§ 62, 69 Nr. 3, § 75 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 Sätze 1, 3, Abs. 4 S. 1, § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 5; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Beigeladenen wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. November 2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. Januar 2021 gewährt.
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird dieses Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Höhe des der Berechnung des Berufsschadensausgleichs (BSchA) der Klägerin zugrunde zu legenden Vergleichseinkommens.
Die Klägerin wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens dagegen, dass der Beklagte der Berechnung ihres BSchA nur ein Vergleichseinkommen nach der Entgeltgruppe 6 der für Arbeitnehmer des Bundes geltenden Tarifregelung (ehemals Vergütungsgruppe VIb BAT) zugrunde gelegt hat (Bescheide vom 5.10.2015 und 13.10.2015, Widerspruchsbescheid vom 28.4.2016). Die Klägerin ist der Ansicht, als examinierte Krankenschwester sei sie höher und in einen für sie günstigeren Tarifvertrag einzugruppieren.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4.11.2016). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Gerichtsbescheid der Vorinstanz aufgehoben und - unter Abweisung der Klage und Zurückweisung der Berufung im Übrigen - den Beklagten zur Gewährung eines höheren BSchA verurteilt (Urteil vom 26.11.2020 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 29.1.2021). Die Einstufung der Klägerin in die Entgeltgruppe 6 sei zwar korrekt, die Höhe des Vergleichseinkommens aber fehlerhaft berechnet worden.
Der Beschluss, durch den die Beigeladene einfach beigeladen wurde, erging in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Er wurde der Beigeladenen, die zur mündlichen Verhandlung nicht geladen und dort auch nicht anwesend war, am 8.2.2021 in Form der Sitzungsniederschrift zugestellt. Die Zustellung erfolgte an diesem Tag zusammen mit dem Urteil und dem Beschluss über die Berichtigung des Urteilstenors vom 29.1.2021.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil haben der Beklagte und die Beigeladene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift der Beigeladenen vom 3.3.2021 ist am 9.3.2021 (Dienstag) beim BSG eingegangen. Das vorab am 4.3.2021 eingegangene Telefax der Beigeladenen enthält lediglich eine paraphierte Abverfügung der Entwurfsverfasserin der Beschwerde.
Mit am 23.3.2021 beim BSG eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat die Beigeladene beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren. Zur Begründung hat sie vorgetragen, nach Absenden des Telefaxes sei der Schriftsatz am Donnerstag, den 4.3.2021, auch in Papierform zur Post gegeben worden. Mit einer Postlaufzeit von fünf Tagen habe sie nicht rechnen müssen.
Mit ihren Beschwerden machen der Beklagte und die Beigeladene die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie als Verfahrensfehler eine Verletzung rechtlichen Gehörs und eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht geltend.
II. Die nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Beschwerde der Beigeladenen (dazu unter 1.) ist begründet. Das Berufungsverfahren leidet an einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, auf dem die Entscheidung des LSG auch beruht. Das Berufungsgericht hat durch die verspätete Beiladung den Anspruch der Beigeladenen auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt (dazu unter 2.). Dahingestellt bleiben kann, ob die Beigeladene die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hinreichend dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Das Urteil des LSG war wegen des Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (dazu unter 3.). Die Beschwerde des Beklagten ist dagegen unzulässig, da die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt (dazu unter 4.).
1. Die Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig. Insbesondere ist sie nach erfolgter Wiedereinsetzung fristgemäß erhoben.
a) Der Beigeladenen war Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG zu gewähren, weil sie an deren Einhaltung ohne Verschulden gehindert war (§ 67 Abs 1 SGG).
Gemäß § 160a Abs 1 Satz 2 SGG ist die Beschwerde beim BSG innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen. Diese Frist hat die Beigeladene versäumt. Nachdem ihr das Urteil des LSG am 8.2.2021 wirksam zugestellt worden war, begann die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 9.2.2021 zu laufen (§ 64 Abs 1 Alt 1 SGG) und endete am 8.3.2021 (§ 64 Abs 2 Satz 1 SGG).
Das am 4.3.2021 beim BSG eingegangene Telefax wahrt die Frist nicht, da es nicht die erforderliche Schriftform erfüllt. Das Abzeichnen der Abverfügung durch eine Mitarbeiterin der Beigeladenen ersetzt nicht die fehlende Unterschrift. Auch kann der dort angebrachten Paraphe die Person des Urhebers nicht hinreichend zuverlässig entnommen werden (zu den Anforderungen der Schriftform BSG Urteil vom 10.6.2021 - B 9 BL 1/20 R - juris RdNr 16 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-5926 § 1 Nr 2 vorgesehen; BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 R 45/16 B - juris RdNr 12).
Dagegen war der Beigeladenen hinsichtlich ihres mit der Post versandten und am 9.3.2021 beim BSG eingegangenen, mit einer Unterschrift versehenen Originalschriftsatzes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Beigeladene hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie kein Verschulden an der Versäumung dieser Frist trifft. Sie durfte ohne Verletzung der erforderlichen Sorgfalt davon ausgehen, dass nach der Aufgabe des Schriftsatzes zur Post am Donnerstag, dem 4.3.2021, der Originalschriftsatz bereits am Freitag, dem 5.3.2021, spätestens aber am Montag, dem 8.3.2021, und damit noch fristgemäß beim BSG eingehen werde. Bei normalen Postlaufzeiten darf sogar mit einem Eingang am folgenden Werktag nach der Aufgabe zur Post gerechnet werden (BSG Beschluss vom 27.11.2018 - B 2 U 17/18 B - juris RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 67 RdNr 6a mwN). Dies verkennt der Vortrag der Klägerin, wonach solche Verzögerungen bei der Postlaufzeit der Risikosphäre der Beigeladenen zuzurechnen seien (vgl hierzu BSG Beschluss vom 14.3.2013 - B 13 R 188/12 B - SozR 4-1500 § 63 Nr 3 RdNr 18 f; BSG Urteil vom 30.9.1996 - 10 RAr 1/96 - juris RdNr 12, jeweils unter Verweis auf die Rspr des BVerfG ≪ua Kammerbeschluss vom 26.11.2008 - 1 BvR 1813/08 - juris RdNr 16≫).
b) Die Beschwerde der Beigeladenen ist auch im Übrigen zulässig. Die Beigeladene hat sie innerhalb der bis zum 10.5.2021 verlängerten Frist (vgl § 160a Abs 2 Satz 1 und 2 SGG) begründet. Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Sie bezeichnet im erforderlichen Umfang die Tatsachen, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel einer Gehörsverletzung ergibt. Darüber hinaus macht sie hinreichende Ausführungen zu einem möglichen Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel. Ohnehin sind nähere Darlegungen hierzu regelmäßig entbehrlich, wenn - wie hier - einem Beteiligten ohne rechtfertigenden Grund die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verwehrt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 27.11.2018 - B 2 U 17/18 B - juris RdNr 10).
Mit der Verletzung rechtlichen Gehörs macht die Beigeladene die Verletzung eigener subjektiver Rechte und damit die erforderliche materielle Beschwer geltend (vgl BSG Urteil vom 10.12.2014 - B 6 KA 45/13 R - BSGE 118, 30 = SozR 4-2500 § 85 Nr 81, RdNr 14; Straßfeld in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 75 RdNr 29 ff, jeweils mwN). Die Beigeladene ist deshalb nach § 75 Abs 4 Satz 1 SGG wegen ihres Status als Beteiligte des Berufungsverfahrens (§ 69 Nr 3 SGG) und der daran geknüpften substantiierten Behauptung einer Gehörsverletzung aus eigenem Recht zur Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde befugt.
2. Die Beschwerde der Beigeladenen ist auch begründet. Das Berufungsverfahren weist einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auf, weil das LSG den Anspruch der wirksam Beigeladenen (dazu unter a) auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt hat (dazu unter b).
a) Die Beiladung ist wirksam erfolgt.
Gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen (§ 75 Abs 1 Satz 2 SGG). Voraussetzung einer Beiladung ist ein anhängiger Rechtsstreit. Daher scheidet eine Beiladung aus, sobald der Rechtsstreit durch rechtskräftige Entscheidung erledigt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt und damit auch nach Verkündung des Urteils kann dagegen noch beigeladen werden, wenn die Voraussetzungen einer Beiladung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben (BSG Urteil vom 29.4.1997 - 10/4 RK 3/96 - SozR 3-5420 § 3 Nr 2 - juris RdNr 14; BVerwG Urteil vom 6.11.1953 - II C 35.53 - BVerwGE 1, 27 - juris RdNr 13; Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 75 RdNr 141, Stand der Einzelkommentierung: 15.7.2017; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 75 RdNr 5b; Straßfeld in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 75 RdNr 16, 207). Das LSG hat die Beigeladene zum Verfahren mangels Antrags nicht iS des § 75 Abs 1 Satz 2 SGG notwendig, sondern einfach beigeladen (§ 75 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Beiladung ist in der mündlichen Verhandlung am 26.11.2020 mit unanfechtbarem Beschlusses erfolgt (§ 75 Abs 3 Satz 3 SGG), der gegenüber der Beigeladenen mit Zustellung am 8.2.2021 (vgl § 75 Abs 3 Satz 1 SGG) und damit vor Rechtskraft des am selben Tag zugestellten Urteils wirksam wurde.
b) Das LSG hat das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) der Beigeladenen verletzt, weil diese nach der Beiladung keine Möglichkeit hatte, auf die Urteilsfindung des LSG Einfluss zu nehmen (dazu unter aa). Auf diesen Verfahrensmangel beruht das angefochtene Berufungsurteil (dazu unter bb).
aa) Mit Zustellung des Beiladungsbeschlusses ist die Beigeladene Verfahrensbeteiligte geworden (§ 69 Nr 3 SGG). Als grundlegendes Verfahrensrecht war deshalb auch ihr rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) zu gewähren. Hierbei ist es unerheblich, dass die Beiladung als einfache Beiladung iS des § 75 Abs 1 Satz 1 SGG in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift erfolgt ist, um die Beigeladene "über den Inhalt der heute zu treffenden Entscheidung in Kenntnis zu setzen". Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör steht einfach Beigeladenen in gleichem Maße wie allen anderen am Verfahren Beteiligten zu (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 75 RdNr 17b). Das gilt unabhängig von deren Rechtsform und damit auch für beigeladene juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl BVerfG Beschluss vom 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 - juris RdNr 63 f; Jung in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 62 RdNr 7; Littmann in Berchtold, SGG, 6. Aufl 2021, § 62 RdNr 4).
Lädt das Gericht - wie im Streitfall - Dritte zum Verfahren einfach bei, steht diesen ua das Recht zu, innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbstständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vorzunehmen (§ 75 Abs 4 Satz 1 SGG). Zwar müssen Beigeladene den Prozess in dem Stand hinnehmen, wie sie ihn vorfinden (vgl hierzu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 75 RdNr 14a), während des Prozessablaufs stehen aber auch (einfach) Beigeladenen im Kern dieselben prozessualen Rechte wie den Hauptbeteiligten zu (BSG Beschluss vom 10.12.1974 - GS 1/74 - SozR 1500 § 161 Nr 1 - juris RdNr 19; Straßfeld in Roos/Wahrendorf/ Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 75 RdNr 270 ff; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 75 RdNr 17b; vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris RdNr 55, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1720 § 198 Nr 20 vorgesehen, wonach der Justizgewährleistungsanspruch für einfach Beigeladene ebenso gilt wie für alle anderen am Verfahren Beteiligten). Diese grundsätzliche Gleichstellung mit den Hauptbeteiligten rechtfertigt sich aus dem Beiladungsgrund. Eine Beiladung erfolgt, weil Interessen des Beigeladenen durch die Entscheidung berührt werden. Folgerichtig muss der Beigeladene als förmlich Beteiligter auch die Möglichkeit haben, Einfluss auf die Entscheidung des Prozesses zu nehmen (BSG Beschluss vom 10.12.1974 , aaO; zur notwendigen Beiladung BSG Urteil vom 18.3.1987 - 9b RU 56/85 - juris RdNr 17; BFH Urteil vom 4.8.1983 - IV R 222/80 - juris RdNr 1). Auch eine (zu) späte Beiladung befreit das Gericht nicht von der Pflicht zur Gehörsgewährung (vgl BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 17).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert den Beteiligten das Recht, vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (stRspr; vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 14.1.1991 - 1 BvR 41/88 - juris RdNr 3; BVerfG Beschluss vom 9.3.1983 - 2 BvR 315/83 - BVerfGE 63, 332 - juris RdNr 22; BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 12 R 23/20 B - juris RdNr 7). Hierzu gehört, dass das Gericht von Amts wegen allen Beteiligten die Möglichkeit zu geben hat, sich zu äußern. Insbesondere müssen sie grundsätzlich die Gelegenheit bekommen, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (vgl BSG Beschluss vom 10.12.2019 - B 12 KR 69/19 B - juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 8.6.2015 - I B 13/14 - juris RdNr 11). Diese Möglichkeit ist der Beigeladenen verwehrt geblieben. Trotz Beiladungsentscheidung in der mündlichen Verhandlung hat das LSG in Abwesenheit der Beigeladenen im selben Termin entschieden und das Urteil verkündet. Damit hat es das rechtliche Gehör der Beigeladenen verletzt (vgl BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 17; BSG Urteil vom 27.6.1978 - 4 RJ 87/77 - SozR 1500 § 62 Nr 6 - juris RdNr 15; Littmann in Berchtold, SGG, 6. Aufl 2021, § 75 RdNr 11). Da die Beiladung gegenüber der Beigeladenen erst mit der Zustellung des Beschlusses wirksam wurde, hatte diese keine Möglichkeit, auf die Urteilsfindung einzuwirken.
Die Beigeladene braucht sich auch nicht entgegenhalten zu lassen, keinen Antrag auf notwendige Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 2 SGG gestellt und sich so rechtliches Gehör verschafft zu haben. Den Prozessbeteiligten obliegt es zwar regelmäßig, alle ihnen gegebenen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 17.4.2013 - B 9 V 36/12 B - SozR 4-1500 § 118 Nr 3 RdNr 16; BSG Beschluss vom 29.3.2016 - B 1 KR 126/15 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 11 RdNr 10; BSG Urteil vom 4.7.2018 - B 3 KR 21/17 R - SozR 4-2500 § 130b Nr 2 RdNr 49). Beteiligt am Verfahren war die Beigeladene indes bis zur ihrer wirksamen Beiladung durch das LSG gerade nicht. Prozessuale Obliegenheiten aus dem Prozessrechtsverhältnis konnten daher für sie noch nicht entstehen.
In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob der bewusste Verzicht auf einen Antrag auf notwendige Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 2 SGG, dem das Gericht ansonsten zwingend stattzugeben hätte ("ist"), den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (venire contra factum proprium) begründen kann (vgl allgemein hierzu BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 22; BSG Urteil vom 21.7.1981 - 7 RAr 37/80 - juris RdNr 38). Diese Frage könnte sich dann stellen, wenn die Bundesrepublik Deutschland in Kenntnis des Stands eines laufenden Verfahrens gegenüber dem Gericht ausdrücklich auf den ihr möglichen Antrag auf Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 2 SGG verzichtet. In dieser Konstellation könnte sie sich durch eine spätere Berufung auf eine Gehörsverletzung in Widerspruch zu ihrem vorherigen aktiven Verzicht auf Verfahrensbeteiligung setzen. Hier liegt der Fall indes anders. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Gericht ausdrücklich auf eine Beiladung verzichtet hätte oder überhaupt vom Verfahren und dessen aktuellen Stand wusste. Mangels eines aktiven Handelns, zu dem sie sich treuwidrig in Widerspruch hätte setzen können, ist es ihr deshalb auch nicht verwehrt, sich nunmehr als einfach Beigeladene auf einen Verstoß gegen ihre durch die Beiladung begründeten Verfahrens(grund)rechte zu berufen.
bb) Das angefochtene Urteil des LSG beruht auch auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Obwohl die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet ist (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO), ist gerade wegen der besonderen Bedeutung der mündlichen Verhandlung als Kernstück des Gerichtsverfahrens im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Verhinderung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.11.2018 - B 2 U 17/18 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 18, jeweils mwN). Dies muss umso mehr gelten, wenn - wie im Streitfall - ein Verfahrensbeteiligter sich weder in noch außerhalb der mündlichen Verhandlung zum Verfahren äußern kann, sondern erst im Moment des Wirksamwerdens der Beiladung mit dem die Instanz abschließenden Urteil konfrontiert wird, ohne es noch beeinflussen zu können.
3. Wegen des Vorliegens des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör der Beigeladenen kommt es nicht mehr darauf an, ob sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hinreichend dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Das BSG kann in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 5 SGG das angefochtene LSG-Urteil auch dann wegen eines Verfahrensmangels aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen, wenn die Beschwerde zusätzlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt wird. Denn selbst bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung und Zulassung der Revision würde der Verfahrensmangel voraussichtlich zur Zurückverweisung führen (vgl BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 14.12.2016 - B 13 R 204/16 B - juris RdNr 18; BSG Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B - juris RdNr 20, jeweils mwN). Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen macht der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch.
4. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten verfehlt dagegen die gesetzlichen Begründungsanforderungen, weil sie weder die behaupteten Verfahrensmängel (dazu unter a) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (dazu unter b) ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
a) Soweit der Beklagte als Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) die aus der unterlassenen rechtzeitigen Beiladung der Beigeladenen resultierende Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) bezeichnet, hat er bereits keine mögliche Verletzung eigener (subjektiver) Rechte dargelegt. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich auf ein eigenes Recht; seine Verletzung hat derjenige darzulegen, der davon betroffen ist, dem selbst also die Äußerungsmöglichkeit versagt worden ist (BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 12 R 23/20 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 279/16 B - juris RdNr 10). Eine solche Verletzung des eigenen Gehörsanspruchs macht der Beklagte aber nicht geltend. Vielmehr beruft er sich ausschließlich auf die der Beigeladenen versagten Äußerungsmöglichkeiten.
Ebenso wenig ausreichend dargelegt hat der Beklagte den gerügten Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG. Der Beklagte wirft dem Berufungsgericht insoweit vor, dieses hätte weder rechtzeitig noch - wie erforderlich - notwendig beigeladen. Insoweit fehlt es aber bereits an einer substantiierten Darlegung, inwieweit eine frühere und dazu notwendige Beiladung eine Aufklärungsmaßnahme dargestellt hätte, zu der sich das LSG auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung hätte gedrängt fühlen müssen (vgl BSG Beschluss vom 30.9.2021 - B 9 SB 15/21 B - juris RdNr 7 mwN).
b) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie ggf sogar des Schrifttums angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 14.9.2020 - B 4 AS 212/20 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung des Beklagten nicht.
Der Beklagte hat es bereits versäumt, klar und eindeutig eine als solche erkennbare Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu einem konkreten gesetzlichen Tatbestandsmerkmal einer revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) zu formulieren und damit zu bezeichnen (vgl allgemein zu diesem Erfordernis Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 160a RdNr 52 ff mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich anhand der Ausführungen der Beschwerdebegründung selbst eine Rechtsfrage herauszuarbeiten, der möglicherweise eine grundsätzliche Bedeutung zugesprochen werden könnte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.3.2021 - B 9 V 2/21 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 8.2.2002 - B 13 RJ 135/01 B - juris RdNr 13).
Sinngemäß hält es der Beklagte für klärungsbedürftig, ob das LSG die für die Höhe des BSchA maßgeblichen Vergleichseinkommen selbst berechnen und bei der Berechnung der Leistungshöhe zugrunde legen durfte, obwohl das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Vergleichseinkommen im Bundesanzeiger veröffentlicht hatte. Hierzu führt er aus, die vom LSG vorgenommene eigene Berechnung verstoße gegen § 30 Abs 5 Satz 8 und 9 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung (§ 30 Abs 5 Satz 6 BVG nF). Danach habe allein das BMAS die Befugnis zur Ermittlung des Vergleichseinkommens. Zudem verstoße ein Abweichen von den bekanntgegebenen Beträgen gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.
Selbst wenn man dieses Vorbringen des Beklagten in eine Rechtsfrage kleiden könnte, hat er deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Der Beklagte hat sich weder mit dem Zweck noch der Entwicklungsgeschichte der genannten Norm und auch nicht mit dem zu ihr vorliegenden Schrifttum auseinandergesetzt. Zudem hat er nicht geprüft, ob sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG zum BSchA ausreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung des von ihm aufgeworfenen Problemkreises finden lassen (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG Beschluss vom 18.6.2018 - B 9 V 1/18 B - juris RdNr 6). Ist dies aber der Fall, gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 6 mwN). Vielmehr erschöpft sich das Vorbringen des Beklagten im Kern in der Darstellung der eigenen Rechtsansicht. Dies allein reicht jedoch für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit im Rahmen einer Grundsatzrüge nicht aus.
5. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen