Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 23.02.2017; Aktenzeichen L 14 R 545/13) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 08.03.2013; Aktenzeichen S 14 R 1162/11) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 23.2.2017 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend und beantragt Prozesskostenhilfe (PKH).
II
1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt die insoweit zu beachtenden formellen Voraussetzungen nicht (dazu näher unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.8.2017 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
a) Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN).
Die Klägerin trägt als Frage vor, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst,
"ob und inwieweit die in Großbritannien anerkannten Begutachtungen und Patientenunterlagen von der Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung ohne eigene Prüfung des urteilenden Gerichts ausgeschlossen werden dürfen."
Damit benennt sie bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R - Juris RdNr 10 mwN). Im Kern handelt es sich vielmehr um eine Frage zur Bewertung der tatsächlichen Grundlagen des Urteils. Denn die Klägerin hält es für nicht ausreichend, dass sich das LSG in seinem Urteil zur Auswertung der nordirischen Unterlagen auf das Gutachten des Dr. S. … bezieht. Auf einen solchen Angriff gegen die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG) kann jedoch nach der ausdrücklichen Regelung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde - auch im Rahmen einer Grundsatzrüge - nicht gestützt werden.
b) Eine zulässige Verfahrensrüge liegt ebenfalls nicht vor. Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - Juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG). Diese Anforderungen werden vorliegend verfehlt.
aa) Die Klägerin führt aus, dass das LSG das Gutachten des Prof. Dr. F. … vom 14.9.2016 nicht zutreffend beachtet habe. Das Berufungsgericht sei der Beurteilung des Sachverständigen im Ergebnis nicht gefolgt, weil dieser die Zuordnung des Schweregrads der Störung wegen der akzentuierten Präsentation der Beschwerden ausdrücklich unter Vorbehalt gestellt habe. Dies stelle einen Verfahrensfehler dar, weil das LSG damit nur einen Gutachtensausschnitt berücksichtigt habe. Mit diesen Ausführungen wendet sich die Klägerin erneut gegen die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unanfechtbare Beweiswürdigung (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) des Berufungsgerichts.
bb) Des Weiteren rügt die Klägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) und des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 S 1 SGG). Das LSG habe im Urteil ausgeführt, dass weitere Amtsermittlung nicht veranlasst sei, da nicht anzunehmen sei, dass die Klägerin ihr aggravierendes Verhalten unterlasse. Das Berufungsgericht habe es insoweit unterlassen, sich einen persönlichen Eindruck von der Klägerin zu verschaffen und habe auch die Sachverständigen nicht persönlich angehört. Ein Gericht habe den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Bei persönlicher Anhörung bzw weiteren Ermittlungen sei nicht auszuschließen gewesen, dass es zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
Soweit die Klägerin damit sinngemäß geltend macht, das LSG hätte ihr persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung anordnen müssen, fehlen hierzu ausreichende Darlegungen. Die Anhörung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 4.5.2017 - B 3 KR 5/17 B - Juris RdNr 11). Weder Art 103 Abs 1 GG noch § 62 SGG verlangen, dass der Beteiligte selbst gehört wird. Das Gericht ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligte im Verfahren - wie vorliegend - durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, durch den sie sich - ua in der mündlichen Verhandlung - Gehör verschaffen kann (vgl Senatsbeschluss vom 23.4.2009 - B 13 R 15/09 B - Juris RdNr 11). Die Klägerin hat auch keine vor der Verhandlung erkennbaren Umstände dargetan, die ihre persönliche Befragung in der Verhandlung für das LSG ausnahmsweise als zwingend geboten hätten erscheinen lassen müssen (vgl Senatsbeschluss vom 21.8.2018 - B 13 R 107/18 B - Juris RdNr 7).
Voraussetzung für den Erfolg einer Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist zudem, dass der Beteiligte darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Hieran fehlt es ebenfalls. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie eine persönliche Anhörung beantragt oder auf deren Notwendigkeit hingewiesen habe.
Im Hinblick auf die Rüge der Sachaufklärungspflicht (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) mangelt es bereits an der Darlegung, die Klägerin habe einen prozessordnungsgemäßen bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag gestellt. Aufgrund ihres Vortrags ist auch nicht ersichtlich, dass ein solcher entbehrlich gewesen ist, weil sie von der Beweiswürdigung des LSG unzulässig überrascht worden ist. Denn die Klägerin behauptet nicht, dass ihr die medizinischen Unterlagen, auf die sich das LSG bei seiner Entscheidungsfindung gestützt hat, nicht bekannt gewesen seien oder sie sich nicht rechtzeitig dazu hätte äußern können. Welche Schlussfolgerungen das Gericht daraus ziehen wird, muss es vorab nicht mitteilen. Einer förmlichen "Einführung" von Bewertungsgesichtspunkten oder einer beabsichtigten Beweiswürdigung in die mündliche Verhandlung bedarf es nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen nicht (vgl Senatsbeschluss vom 29.5.2015 - B 13 R 129/15 B - Juris RdNr 13).
Die - hier nicht erfüllten - Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge oder die Unzulässigkeit einer Rüge mangelhafter Beweiswürdigung können auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12 f; BSG Beschluss von 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - BeckRS 2010, 74248 RdNr 11 mwN).
cc) Die Klägerin erfüllt die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge (vgl hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN) auch nicht mit der weiteren Rüge, es fehle ein fachübergreifendes Gutachten. Eine im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Beteiligte - wie die Klägerin - kann nur dann mit der Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört werden, wenn sie einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt. Denn nur dann hätte nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Teils SGG ein Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - RdNr 10 mwN). Dass dies geschehen sei, behauptet die Klägerin aber nicht.
c) Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ergänzend auf persönlichen Vortrag der Klägerin verweist, kann darauf die Zulässigkeitsprüfung nicht gestützt werden. Wird eine Klägerin von einem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) vertreten, so muss dieser dafür die volle Verantwortung übernehmen (vgl BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7). Dies ist durch den ausdrücklichen und hervorgehobenen Hinweis darauf, dass die Klägerin ergänzend vortragen lasse, nicht ersichtlich. Im Übrigen genügt das dortige Vorbringen einer substantiierten Beschwerdebegründung nicht.
Der mit Schriftsatz vom 23.11.2017 vorgelegte - nach dem angegriffenen Urteil erlassene - Leistungsbescheid des Departments for Communities vom 19.10.2017 über die Pflege- bzw Krankengeldzuschüsse der Klägerin ist für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12903212 |