Verfahrensgang
SG Speyer (Entscheidung vom 27.04.2017; Aktenzeichen S 8 R 32/16) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.02.2019; Aktenzeichen L 4 R 297/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 6.2.2019 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach §§ 56, 57 SGB VI sowie eines Zuschlags für Kindererziehung gemäß § 307d SGB VI für ihr im Ausland geborenes Kind C. verneint. Das Urteil ist der Klägerin am 4.3.2019 zugestellt worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.4.2019, beim BSG eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt und gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Schriftsatz vom 5.5.2019, beim BSG eingegangen am Montag, den 6.5.2019, hat die Klägerin beantragt, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum 6.6.2019 zu verlängern. Mit Schreiben vom 15.5.2019 hat der Senat die Klägerin darüber informiert, dass die Akten der Vorinstanz noch nicht vorliegen, und um ergänzenden Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag gebeten. In der am 5.6.2019 eingegangenen Beschwerdebegründung vom 4.6.2019 hat die Klägerin ihren Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ergänzt und sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG berufen.
Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG gegen die Versäumung der Beschwerdefrist erfüllt sind und dem Antrag auf Fristverlängerung für die Begründung der Beschwerde stattzugeben ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
1. Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
"welchen Beweismaßstab die Instanzgerichte anzulegen haben, wenn es aus faktischen Gründen, die nicht in der Person des Antragstellers bzw. der Antragstellerin liegen, nicht möglich ist, Unterlagen vorzulegen, die ein Rumpfarbeitsverhältnis belegen könnten".
Mit dieser Formulierung wird die Klägerin bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage schlüssig aufgezeigt.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).
Hieran fehlt es. Die Klägerin weist selbst unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung und Literatur darauf hin, dass nach § 103 S 1 Halbs 1, § 128 Abs 1 S 1 SGG der einschlägige Sachverhalt mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Vollbeweis, dh zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen muss und Abweichungen von diesem Regelbeweismaßstab (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Mit diesen Aussagen und ihrer Bedeutung für die aufgeworfene Frage setzt sich die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise auseinander.
Ebenso wenig geht die Klägerin auf die Rechtsprechung des BSG zur objektiven Beweislast ein, nach der sich entscheidet, welchen Beteiligten die nachteiligen Folgen daraus treffen, dass das Gericht eine bestimmte Tatsache nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht feststellen kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19 mwN; BSGE 108, 251 = SozR 4-2500 § 137g Nr 1, RdNr 24 mwN).
Soweit die Klägerin die "Anwendung der Darlegungslast" durch das LSG als unrichtig rügt, vermag dies eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG nicht zu stützen.
2. Die Klägerin misst dem Rechtsstreit darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung bei, weil das LSG einen Verstoß des § 56 Abs 3 SGB VI gegen Art 3 Abs 1 GG willkürlich verneint habe. Der Umstand, ob "Beiträge zum deutschen Sozialversicherungssystem verpflichtend oder (wie hier von ihrem Ehemann) freiwillig geleistet" worden seien, könne eine Ungleichbehandlung sachlich nicht rechtfertigen. Mit diesem Vorbringen spricht die Klägerin die Frage an, ob § 56 Abs 3 S 2 und 3 SGB VI gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßen, weil sie die Gleichstellung einer Erziehung im Ausland mit derjenigen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestimmen, wenn wegen einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten bestehen, die Leistung freiwilliger Beiträge als Gleichstellungstatbestand aber nicht aufführen.
Die Klärungsbedürftigkeit der so verstandenen Frage legt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend dar. Sie setzt sich insbesondere nicht mit der im angefochtenen Urteil zitierten Rechtsprechung des BSG (ua Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 = Juris) auseinander.
Nach dieser Entscheidung kann eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland auch dann festgestellt werden, wenn zwischen dem Ehegatten des Erziehenden und dem inländischen Arbeitgeber für die Dauer des Auslandsaufenthalts ein Rumpfarbeitsverhältnis fortbesteht und die Hauptpflichten nach Beendigung der Erwerbstätigkeit im Ausland wieder aufleben. Für die Annahme eines Rumpfarbeitsverhältnisses ist ua erforderlich, dass der inländische Arbeitgeber Verantwortung und Fürsorge für den im Ausland Beschäftigten weiter übernimmt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung von freiwilligen Sozialversicherungsbeiträgen Ausdruck der Fürsorge des Arbeitgebers sein kann (BSG, aaO, Juris RdNr 38). Warum § 56 Abs 3 S 2 und 3 SGB VI angesichts dieses Normverständnisses unter dem von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkt gleichheitswidrig sein sollen, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13372340 |